Mitten in Dachau:Entdecke die Möglichkeiten

Könnten die Dachauer bald mit Spritz in der Sonne sitzen während die Münchner vorm Hirschgarten verzweifelt versuchen, noch einen Schnelltest zu organisieren?

Glosse Von Benjamin Emonts

Als Berufspendler von München nach Dachau waren neidvolle Blicke oder Umzugsgedanken nie ein Thema. Abends, wenn man in der Bahn zurückfuhr, fragte man sich vielmehr, wie es wohl wäre, in der verschlafenen Dachauer Altstadt zu leben. Es waren meistens nur kurze Gedanken, da man sich schon auf Besuche im Hirschgarten oder am Viktualienmarkt freute, in dessen Umgebung man vorher noch gut einkaufen konnte. Die Vielfalt an Vergnügungen wirkte in Dachau doch recht überschaubar. Wehmut kam jedenfalls nicht auf, wenn man sich über das Wochenende nach München verabschiedete.

Nun jedoch dreht die Große Kreisstadt den Spieß um, und verantwortlich dafür ist Corona oder genauer gesagt: der Inzidenzwert, der im Landkreis niedriger ist als in München. In Dachau liegt er derzeit knapp unter dem magischen Grenzwert von 50, wodurch die Menschen mehr Freiheiten beispielsweise beim Einkaufen erhalten. Am Dienstagmorgen blickte man verwundert durch das Schaufenster eines Kleidungsgeschäfts, um zu beobachten, wie dort mehrere Menschen einkauften und angeregt beraten wurden. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich einen, als man realisierte, dass die Menschen im beschaulichen Dachau plötzlich Möglichkeiten haben, von denen man einen Steinwurf entfernt in der Großstadt noch träumt.

Und wer weiß schon, wo diese Entwicklung noch hinführt. Klar, vermutlich ist das alles nur eine Momentaufnahme, da auch in Dachau der Inzidenzwert verlässlich steigt - aber was, wenn die Privilegien dauerhaft bleiben? In München blieben die Biergärten dann geschlossen oder man müsste sich vorher anmelden und einen negativen Corona-Test vorweisen, während die Dachauer problemlos Fassbier und Spritz in der Sonne genießen dürften. Schwer auszumalen, was passieren wird, wenn die Freiheiten im Münchner Umland zu einem gnadenlosen Standortvorteil würden. Umziehen werden die großkopferten Münchner deshalb kaum. Aber über eine S-Bahn-Fahrt in den Biergarten werden gewiss viele nachdenken.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: