Süddeutsche Zeitung

Mitten in Dachau:Die Heimat ist fast gerettet

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Dialekt ist plötzlich wieder im Trend. Jetzt fordert Bayerns Kultusminister dazu auf, um der Heimat willen Bayerisch zu sprechen. Ob das so eine gute Idee ist?

Kolumne von Helmut Zeller

Da schau her: Jetzt plötzlich, nach all den Jahren der Diskriminierung, darf ma, na, soll ma Dialekt sprechen. "Dialekt zu sprechen, ist für mich ein Persönlichkeitsmerkmal und ein Lebensgefühl. Im Dialekt lebt der Mensch und zeigt, wo seine Heimat ist", sagte Kultusminister Bernd Sibler bei einer Dialekt-Fachtagung in Landshut. Der Minister ist ja voll krass, ey. Hätte er vor vierzig Jahren die Schulbank gedrückt, da hätten ihm die Lehrer aber eine mitgegeben: "Hoid a moi dei Goschn und sprich Hochdeutsch." Siblers Vorstoß aber freut die Dachauer, die schon viele kreative und stimmgewaltige Versuche zur Rettung des Dialekts im Dachauer Land unternommen haben. Nur hörte man in München nicht wirklich zu. Aber da waren sie bis auf ein paar Versprengte andernorts ziemlich alleine.

Ob Bairisch, Fränkisch, Schwäbisch oder Alemannisch - für den Niederbayern und Dialektsprecher Sibler weist Sprache jetzt "auf die kulturellen Wurzeln" hin. Eine geile Erkenntnis. "Der Dialekt ist da, wo das Herz daheim ist." Schön wär's. Als ob sich seine Nordlichter-Kollegen in der Kultusministerkonferenz nicht mühsam das Lachen verkneifen würden. Als wenn die Dachauer nicht im nord- oder westdeutschen Ausland oft genug belächelt worden wären. Als wenn so mancher ostdeutsche Kollege, der sich mit eiserner Strenge etwa das Sächsische abtrainiert hat, nicht pikiert reagierte. Vielleicht wird das jetzt ja anders - zumindest im bayerischen Kultusministerium.

Warum starten Sibler und die CSU gerade jetzt die Dialektoffensive? Weil Wahlkampf ist, und die AfD sich so heimatlieb gibt? Ach wo. Ihr Dachauer Landtagskandidat hat das Herz ganz woanders. Er schwört auf "preußische Tugenden". Unverschämt - "hoid a moi dei Goschn" -, wie der das uralte bayerische Trauma aufwühlt. Da sog i nur: Juli 1866. Aber dem wird der Sibler noch Bescheid stoßen.

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Quelle:
SZ vom 05.10.2018
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