Mitten in Dachau:Die gelbe Pest

Aus der Landeshauptstadt ist der O-Bike-Bazillus in die Große Kreisstadt geschwappt. Jetzt schaltet sich der sattelfeste Oberbürgermeister ein

Kolumne von Gregor Schiegl

Die Pest existiert in unseren Breiten zum Glück nur noch als sprachliche Figur, nämlich dann, wenn es darum geht, einen Missstand zu benennen, der sich rasant ausbreitet: Das gilt auch für die "Gelbe Pest", die aus der Landeshauptstadt München herüberschwappt in die Große Kreisstadt, ausgelöst durch den O-Bike-Bazillus: giftgelbe Leihfahrräder, die in deutschen Großständen zu Tausenden herumstehen, oft aber auch demoliert in den Rabatten liegen. Erste Infektionsherde wurden bereits vor Monaten in Dachau gesichtet und von besorgten Bürgern gemeldet.

Zum Jahreswechsel hing am Parkplatz eines Supermarkts eines dieser Bikes am Hinterrad im Baum. Man weiß nicht, ob es eine fehlgeleitete Explosion dort hinbefördert hat oder ein Betrunkener, die bekanntlich ein sehr spezielles Verhältnis zur Schwerkraft haben. Doch bevor wieder Alarmismus ausbricht: In Dachau sind die herumfliegenden O-Bikes Einzelfälle, kein pandemisches Phänomen. Dennoch regt man sich in den sozialen Netzwerken auf, dafür sind sie ja gemacht: Die einen schimpfen über den Radlverhau, die anderen über die, die sich über die Radl aufregen, Räder sind ja etwas Gutes, während eine dritte Fraktion darüber sinniert, wozu man in einer Kleinstadt einen Radverleih braucht.

Inzwischen hat sich auch der sattelfeste Oberbürgermeister Florian Hartmann in die Diskussion eingeklinkt. "Wir halten die Augen offen, wie sich das mit den gelben Fahrrädern in Dachau entwickelt", teilt er mit. "Und wenn es irgendwo Probleme im Stadtgebiet gibt, dürfen Sie uns alle auch direkt anschreiben oder anrufen." Man darf vermuten, dass dies auch im Falle anderer Katastrophen in dieser untergehenden Stadt gilt, etwa für die grüne Pest (über den Zaun wachsende Hecken), die braune Pest (nasses Laub auf Gehwegen) oder, derzeit besonders tückisch, die weiße Pest (Schnee auf der Straße). Vielleicht sollten wir es zur allgemeinen Beruhigung in dieser apokalyptischen Zeit den Protagonisten aus Bocaccios "Decamerone" gleichtun und einander Geschichten erzählen - während draußen irgendwo ein O-Bike umfällt.

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