Mitten in Dachau:Die Amper lässt tief blicken

Der niedrige Wasserstand fördert manches zutage, was im Fluss nichts verloren hat

Von Gregor Schiegl

Die anhaltende Trockenheit hat die Amper tiefergelegt, was man nicht mit Tuning verwechseln kann. Der Fluss, oder was davon noch übrig, dröppelt nur noch langsam isarwärts. An der Brücke am Familienbad gegenüber dem Wasserwerk bildet ein Betonblock, der jahrelang als unheimlicher viereckiger submariner Schatten in der Tiefe dräute, jetzt ein künstliches Eiland. Trotzdem sieht man immer noch unerschrockene Freizeitkapitäne, die ihre luftgefüllten Gummibarkassen durch Zehn-Zentimeter-Untiefen navigieren, vorbei an bislang unbekannten Riffen. Sogar geangelt wird noch auf Kiesbänken von flaucherartigen Ausmaßen.

Das Befremdliche ist, dass man jetzt, wo der Wasserstand so niedrig ist, klar sieht, was in der Amper so rumschwimmt, nämlich keine Fische. Dafür tauchen allerlei andere Dinge auf, die sicherlich nicht anbeißen werden, egal wie verlockend der Wurm am Haken aussieht. Da wären zu nennen: ein Satz Autoreifen, eine Baustellenabsperrung aus Kunststoff, ein Absperrstempen, rot-weiß lackiert, ein Fahrrad, ein Einkaufswagen. Und das ist nur eine flüchtige Inventur des Ampergrunds im Stadtgebiet. Eigentlich wäre nun eine gute Gelegenheit, die Amper zu entrümpeln. Bekanntlich braucht der Fisch kein Fahrrad, und Altreifen sind auch kein Gewinn fürs Öko-System. Wenn man lange genug wartet, hat man sie später selber auf dem Teller, als Mikroplastik in den Fischstäbchen. Gleiches gilt für die Baustellenabsperrung, die ebenfalls kein Beitrag für eine gesunde Ernährung ist, aber nach Entalgung und Trocknung an Land sicherlich noch gute Dienste leisten würde. Es steht zu befürchten, dass das Gerümpel bleibt, wo es ist. Nach dem nächsten dicken Regenguss verschwindet es sowieso wieder in den Tiefen der Amper. Dort gammelt es weiter vor sich hin, ohne zu verrotten.

Das aber kann sich schrecklich rächen, wie zwei Vorfälle aus dem Jahr 2012 zeigen: Ein mysteriöser Gegenstand in der Amper löste im August einen Großeinsatz aus, bei dem neben Polizei, Technischem Hilfswerk, Feuerwehr und Stadt Dachau auch Spezialisten des Landeskriminalamtes sowie ein Sprengkommando anrückten. Wie sich herausstellte, handelte es sich aber bloß um eine alte Seifenkiste. Erst zwei Wochen zuvor war in Hebertshausen Bombenalarm ausgelöst worden. Im Einsatz: 110 Leute. Die vermeintliche Fliegerbombe entpuppte sich als altes Metallkajak. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Bombenalarm kommt. Man weiß nur noch nicht, was da entschärft wird: das Fahrrad oder der Einkaufswagen.

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