Mitten in Dachau:Der Igel hat verstanden

Naturschützer beharren darauf, dass Igel keine Haustiere sind. Manche Igel sehen das allerdings völlig anders

Von GUDRUN PASSARGE

Alle Jahre wieder teilt der Landesbund für Vogelschutz eine altbekannte Tatsache mit: "Igel sind keine Haustiere", heißt es mit Verweis auf deren demnächst beginnenden Winterschlaf. Das Problem ist nur, dass Igel keine Zeitung lesen. Und wenn sie auch kein Radio hören, wer sagt es ihnen dann, dass sie keine Haustiere sind, also im Haus nichts verloren haben? Frau Mustermann aus Dachau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, der Autorin aber gut bekannt ist, hat da ihre eigenen, für sie und den Igel durchaus leidvollen Erfahrungen gemacht.

Dabei fing es so harmlos an. Der Igel kam fast jeden Abend auf seinem Rundgang durch die Gärten vorbei. Wenn er ein wenig Katzenfutter in der Schale fand, das die verwöhnten Katzen verschmäht hatten, schmatzte er vor sich hin. War alles weg, machte er kurz Randale mit der Schale, um auf seinen Besuch aufmerksam zu machen. Eines Abends jedoch machte einer der Hausbewohner eine merkwürdige Beobachtung. Aus der Katzenklappe im Gartenhaus plumpste in der Dunkelheit ein plumper Schatten auf den Boden. Ein neuer Mitbewohner? Frau Mustermann ging der Sache sofort auf den Grund.

Schon als sie die Tür öffnete, umwehte sie ein fürchterlicher Gestank. In dem Sammelsurium ausrangierter Möbel und Gartengeräte zogen sich überall Kotspuren über den Boden. Bis dahin hatte sie nicht gewusst, dass Igel, wo sie auch gehen und stehen, gerne etwas hinterlassen. Und tatsächlich, hinter den Winterreifen eingekugelt schlummerte der Eindringling. Mit ihren Rosenhandschuhen bewehrt, griff sie nach der Kugel und setzte sie im Beet aus, mit der dringlichen Bitte, der kleine Gesell solle sich gefälligst anderswo eine Bleibe suchen.

Das Putzen des Gartenhauses war dann nur noch eine Sache von zwei Stunden. Um künftig von solchen Hausbewohnern verschont zu bleiben, griff Frau Mustermann nach einem Stück Pappe und passte es in die Klappe ein. In der Nacht allerdings wurde ihr eh unruhiger Schlaf um 3.15 Uhr durch ein Geräusch jäh unterbrochen. Ihr war schnell klar, das musste der Igel sein, der die Pappe besiegt hatte.

Am nächsten Morgen fand sie das Knäuel erneut in einer Ecke des Hauses, friedlich schlummernd. Rosenhandschuh an, Igel gegriffen, und .  .  . Zwei herzallerliebste Knopfaugen blickten sie vorwurfsvoll an. Jeweils links und rechts am Kopf hatten sich zwei Zecken zu Ballongröße gesoffen und verliehen dem Igel zwei Mickymaus-Ohren. Und über dem ganzen Stachelfeld gab der Flohzirkus eine eintrittsfreie Sondervorstellung, mit waghalsigen Salti. Es regnete, aber Frau Mustermann blieb hart. Sie gab dem Igel und seinen Freunden noch mahnende Worte mit auf dem Weg, und er hat verstanden. Ab und zu kommt er noch, um das Schälchen zu leeren, aber das Haus hält er inzwischen igelfrei.

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