Mitten in Dachau:Der dritte Mann

Manchmal ist es nicht leicht, der Wahrheit auf die Spur zu kommen

Von Viktoria Großmann

Ein junger Mann kommt mit einer Bisswunde ins Krankenhaus. Am nächsten Tag geht er zur Polizei. Erklärt, wie ein Freund - der jetzt nicht mehr sein Freund ist - plötzlich seinen Hund auf ihn los ließ. Das Tier sprang ihn an und biss ihn in den rechten Oberschenkel. Nun ist der andere wegen schwerer Körperverletzung angeklagt. Er sagt vor Gericht, er habe sich an jenem Abend im Januar mit dem angeblichen Opfer nicht getroffen, mit diesem auch schon länger keinen Kontakt gehabt, sein Hund sei gar kein Rottweiler, sondern eher ein Chihuahua, zudem gehöre das Tier seinem Bruder, und es habe noch nie jemanden gebissen. Als der Richter ihm die Aussagen des Opfers vorhält, schüttelt der sportliche junge Mann ungläubig den Kopf. Sagt: "Ich fühl mich hier grad echt verarscht. Das ist schon krass."

Das Opfer sagte bei der Polizei genau das voraus. Der Angeklagte habe nach der Attacke des Hundes zu ihm gesagt: "Wir haben uns heute nicht getroffen, das ist nicht passiert." Der Angeklagte findet: "Das klingt wie aus einem Actionfilm." Ja, er kenne das angebliche Opfer, er habe ihm einen Job besorgt. Er könne sich nicht vorstellen, was das alles solle. "Vielleicht braucht er Geld." Nun erscheint der Geschädigte als Zeuge. Der 21-Jährige hat den Job nicht mehr, ist arbeitslos. Erklärt aber, schon aus religiösen Überzeugungen wolle er kein Schmerzensgeld. Er wolle nur, dass der andere eine gerechte Strafe erhalte.

An dem Januarabend war noch ein dritter junger Mann bei dem Treffen an der Amper nahe dem Dachauer Hallenbad dabei. Weder der Richter noch die anderen im Gerichtssaal können sich erklären, warum der Hund ausgerechnet nur auf den einen Mann losging und nicht auch auf dessen Bekannten. Dieser habe übrigens ebenfalls bereits an jenem Abend erklärt, er wolle nicht als Zeuge auftreten. Alles eine große Verschwörung also? Der dritte Mann wird vor Gericht erscheinen müssen. Und wenn es dann zwei gegen eins steht? Dann muss vielleicht der Hund auch noch geholt werden. Die Bissspuren sind immerhin bislang das einzige in diesem Prozess, was gewiss ist.

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