Mitten in Dachau:Auf die Tarnung kommt es an

Für die Jagd auf schlaue Vögel sind noch schlauere Jäger nötig

Kolumne von Helmut Zeller

Wer jetzt schon vor Tagesanbruch aus dem Schlaf hochfährt, weil er, wie der Jagdschutzverein Dachau mitteilt, "nicht nur einzelne Schüsse, sondern gleich eine Salve von vielen Schüssen" hört, muss nicht erschrecken. Weder findet eine Traditionsveranstaltung mit leichten Explosionen statt, noch ballert eine verirrte Bundeswehreinheit im Manöver aus verbogenen Gewehrläufen - nein, "...dann sind Jäger auf Enten, Gänse oder auf Krähenjagd unterwegs". Der urbane Langschläfer hat natürlich keine Ahnung von der in langer Tradition gewonnenen Erkenntnis des stolzen Waidwerks: "Um diese Jahreszeit ist ein gemeinsamer Ansitz auf den schwarzen Rabenvogel sinnvoll, weil jetzt noch Jungkrähen und Altvögel im Schwarm zusammen sind." Warum aber so früh? Krähen sind ausgesprochen schlau, sehen weit und gut und erkennen sogar das Auto ihres Jägers wieder, sagt man. Da muss der Waidmann schon lange vor Sonnenaufgang kilometerweit zum Stand radeln oder, wenn die Krähe auch das Radl sofort erkennt, auf allen Vieren schleichen. Einmal angekommen, muss er gut getarnt stillhalten, bis der Vogel aufwacht. Es braucht schon fast ein Krähenauge, denn die Saatkrähe, die Dohle oder der Kolkrabe sind geschützt; schwarz sind sie jedoch alle, und bei schwachem Auge können durch die breitstreuenden Schrotladungen schon mal Kollateralschäden entstehen.

Irgendwie gemein. Aber wer jetzt auf das Lebensrecht der Tiere pocht, liegt völlig daneben. Zwar sind die Rabenvögel nach der europäischen Vogelschutzrichtlinie geschützt - aber etliche Bundesländer sorgen da für eine Ausnahmegenehmigung, denn die Krähe ist doch der Feind "vieler Jungtiere und Jungvögel in Feld und Flur", noch vor dem bösen Fuchs. Dem rücken die Jäger in Deutschland aber auch kräftig auf den Pelz, bis zu 500 000 Füchse werden jährlich getötet. Der Füchse und der Krähen Tod sichert das Überleben der putzigen Feldhasen, sagen die Jäger. Warum sie dann 2016/17 nach Angaben des Vereins "Wildtierschutz" weit mehr als 200 000 Hasen, eine bedrohte Tierart, (auch der Straßenverkehr hat daran Anteil) getötet haben, versteht nur, wer in der Tradition des Waidwerks heimisch ist. Aber der Naturschutzbund Deutschland weiß, dass der Rückgang an Niederwild wie Rebhühnern ganz andere Gründe als die Krähe hat: die industrielle Landwirtschaft.

Aber diese komischen Tierrechtsaktivisten wissen ja rein gar nichts von der "Faszination Krähenjagd", mit der ein Fachhandelgeschäft im Internet wirbt. Gute Tarnung sei das oberste Gebot, um Strecke zu machen. Zur Grundausrüstung gehört, liest man da, neben den in Windrichtung platzierten Lockkrähen eine leichte Tarnjacke, Kopfhaube, Handschuhe und natürlich ein Tarnschirm - derart gut getarnt, geben sich dann Jäger auch als Natur- und Tierschützer aus.

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