Süddeutsche Zeitung

Mitten im Winter:Da war doch mal was?

Es ist Winter. Sagt der Kalender. Aber das Gefühl sagt was anderes

Kolumne von Alexander Kappen

Es wird zunehmend schwieriger, zweifelsfrei festzustellen, in welcher Jahreszeit wir uns gerade befinden. Ja, schon klar, wir befinden uns derzeit in der fünften Jahreszeit - Pappnasen, Narrhallamarsch, Prinzenwalzer, Helau und Alaaf und so weiter. Aber wenn wir jetzt mal nur die klassischen vier anderen nehmen, die der Kalender so hergibt, dann wird es schon kniffliger. Wer vermag schon mit Gewissheit zu sagen, ob das, was wir da draußen dieser Tage so sehen, tatsächlich dieser Winter ist, den es Gerüchten zufolge in früheren Jahren mal gegeben haben soll?

Die fleißigen Arbeiter, die die letzten Reste der Weihnachtsbeleuchtung abgebaut haben, sind zumindest ein Indiz dafür. Wo Weihnachtsdeko ist, muss auch Winter sein. In unseren Breitengraden, das haben aufwendige Recherchen ergeben, ist das für gewöhnlich so. Auch die Passanten, die durch die Stadt flanieren und trotz frühlingshaft anmutendem Wetter tapfer ihre Wollmützen auf dem Kopf tragen - wer cool sein will, muss schwitzen - lassen darauf schließen.

Andererseits: Winter - war das nicht der, der ständig mit Schnee, Eis (nein, nicht das in der Waffel) und Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts ums Eck gekommen ist und zwar spürbar? Wie man grad so mit seiner Mütze, unter der es ob der milden Temperaturen und des vielen Nachdenkens schon zu brodeln beginnt, durch die Stadt läuft und sich fragt, ob man das mit dem Winter tatsächlich jemals selbst erlebt oder vielleicht nur in einem putzigen Disney-Film gesehen hat, kommt man an diesen großen, verschlossenen Kisten am Straßenrand vorbei. Erst an einer. Dann an noch einer. Auch wenn das genauso gut Behälter sein könnten, in denen Arbeiter über Nacht ihr Werkzeug verstauen, dämmert einem: Es gibt ihn, den Winter. Oder hat ihn zumindest mal gegeben. In den Kisten muss sich Streugut befinden. Das, die Älteren werden sich erinnern, wurde früher auf Straßen und Gehwegen verteilt, damit die Leute nicht ausrutschen - bei Schnee, Eis und Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts. Verrückt!

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Quelle:
SZ vom 24.01.2020
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