Mitten im Landkreis:Ein Tag zum Garteln

Warum trägt dieser Donnerstag den Zusatz 'grün'? Ganz einfach: Weil die Menschen an diesem Tag einst nur Grünzeug verspeisten

Von Gregor Schiegl

Brauchtum ist wieder modern. Jenseits des kommerziellen Blingblings sehnt sich der coca-colonisierte Weltenbürger wieder nach Verwurzelung im Mutterboden bayerischer Kulturgeschichte, nach alten Sitten und Gebräuchen mit spirituellem Wert, ohne Kitsch und Firlefanz. Das ist ein kühnes Vorhaben in einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft, in der die wenigsten auf dem Bauernhof arbeiten und die meisten im Büro. Das Problem beginnt schon in der Küche. Früher war es Sitte, am Gründonnerstag grüne Kräuter zu essen, aber was heißt das? Ist Gründonnerstag ein veganer Pflichttag, Tag des Grünzeugs, Hochamt für Erbsenzähler, Popeye-Spinat-Gedenktag? Oder sind Würstel mit Kartoffelsalat auch okay?

Halt, werden jetzt viele rufen, der Gründonnerstag hat doch nichts mit "grün" zu tun, das komme vom mittelhochdeutschen Wort "greinen" - wie weinen; selbst Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler behauptet das. Leider illustriert der Fall nur eines: dass selbst Experten inzwischen grassierenden bildungsbürgerlichen Legenden auf den Leim gehen. Im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm, die nicht nur Märchenonkel waren, sondern auch beinharte Sprachwissenschaftler, ist vermerkt, dass der "grüne Donnerstag bereits im hohen Mittelalter" Erwähnung findet, so um 1340. Wer es nicht weiß: grün ist ein Adjektiv und bezeichnet schon damals etwas Grünes. Manchmal sind die Dinge viel einfacher, als wir denken.

Der Sprachwissenschaftler Daniel Scholten hat sich mal die Mühe gemacht, dem Begriff des "grüendonerstac" auf den Grund zu gehen und zu prüfen, ob sich der Laut des germanischen Greinens "grīn" tatsächlich in Richtung "grün" verschoben haben könnte. Der Befund ist eindeutig: Da führt kein Weg hin. Stattdessen landete der Linguist geradewegs beim germanischen "grōa", dessen englischen Ableger "to grow" wir heute noch kennen: wachsen, sprießen. Insofern ist dieser Donnerstag vielleicht ein guter Tag zum Garteln - auch wenn das wieder nur wohlfeile Spekulation ist. Die gute Nachricht ist: Bräuche wandeln sich, und schon frühere Generationen wussten oft nicht so genau, warum sie wann was taten. Also feiern Sie einfach, wie es Ihnen gefällt.

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