Partizipation:Mittelschule wagt mehr Demokratie

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Die Mittelschule Karlsfeld erhält in Berlin den ersten Preis für demokratische Schulentwicklung. (Foto: Mittelschule Karlsfeld)

Die Schüler haben eine Petition gegen eine Abschiebung gestartet und bringen sich im Schulparlament ein: Dafür ist die Mittelschule Karlsfeld als eine von sieben Schulen in ganz Deutschland mit dem ersten Preis für demokratische Schulentwicklung in Berlin ausgezeichnet worden.

Von Anna Schwarz, Karlsfeld

Ein bisschen läuft es an der Mittelschule Karlsfeld ab wie in einem Parlament, die Schülerinnen und Schüler können Anträge stellen, fassen Beschlüsse oder starten Petitionen. In der Bildungseinrichtung steht die Demokratie im Fokus: Dafür wurde die Karlsfelder Mittelschule (MSK) als eine von sieben Schulen in ganz Deutschland mit dem ersten Preis für demokratische Schulentwicklung ausgezeichnet. Eine Delegation der Schulfamilie mit Schulleiter Hakan Özcan reiste vor Kurzem nach Berlin, um den Preis anzunehmen. Vergeben wurde er von der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik. Özcan ist stolz und sagt: "Ich freue mich, dass unsere tägliche pädagogische Arbeit gesehen wird."

Für ihn sei es wichtig, dass seine Schülerinnen und Schüler lernen, wie Demokratie und Beteiligung funktionieren, damit sie als Erwachsene die Gesellschaft mitgestalten und sich in Vereinen oder in der Politik einbringen können, so Özcan: "Und damit sie später nicht dummen, politischen Parolen oder Hetze nachlaufen, sondern sich selbst ihre Meinung bilden."

Schulparlament diskutiert über Kappen im Klassenzimmer

Auch die Mittelschülerinnen und Mittelschüler freuen sich über den Preis, Achtklässlerin Lorena Bevilacqua sagt: "Wir haben bewiesen, dass eine Mittelschule genau so viel oder sogar noch mehr erreichen kann als höhere Schulen." Neuntklässler Anastasios Karpetis ergänzt: "Wir werden in der SMV demokratisch entscheiden, wo wir die Auszeichnung aufhängen", bislang hängt der Ehrenbanner in der Aula, damit er für die ganze Schulfamilie präsent ist, so Özcan.

Bei der Preisverleihung in Berlin hielt Erziehungswissenschaftlerin Katjuscha von Werthern von der "Stiftung Universität Hildesheim" die Laudatio. Sie lobte unter anderem, dass die Karlsfelder Mittelschülerinnen und Mittelschüler das Schulleben auf verschiedenen Ebenen mitgestalten können. Unter anderem haben die Schülersprecher bei jeder Lehrerkonferenz einen festen Tagesordnungspunkt. In der Vergangenheit haben sie dort zum Beispiel die Auswahl und Preise beim Pausenverkauf moniert und wünschten sich ein größeres und gesünderes Angebot, sagt Konrektorin Barbara Lauterbach: "Es ist wichtig, dass wir Erwachsene das wissen und mit ins Boot geholt werden."

Jugendliche der Mittelschule haben eine Petition für die Familie Esiovwa auf den Weg gebracht: Die Schüler Schamon und Emma mit der stellvertretenden Schulleiterin Barbara Lauterbach (Mitte). (Foto: Niels P. Jørgensen)
Schulleiter Hakan Özcan ist wichtig, dass seine Schülerinnen und Schüler nicht "dummen, politischen Parolen oder Hetze nachlaufen, sondern sich selbst ihre Meinung bilden". (Foto: Niels P. Joergensen)

Darüber hinaus hat die Mittelschule ein Schulparlament einberufen, in dem sieben Schülerinnen und Schüler, sieben Lehrer, der Hauptamtsleiter der Gemeinde und zwei Elternvertreter sitzen. Hier haben die Mittelschüler auch ihren Antrag zum Tragen von Kappen durchgesetzt, erzählt Lauterbach: Früher waren Caps an der Schule komplett verboten, doch im Parlament haben sich die Jugendlichen mit den Lehrern darauf geeinigt, dass die Mützen zumindest im Schulhaus, nicht aber im Unterricht getragen werden dürfen.

Auch die jeweiligen Klassenräte besprechen, was gut und schlecht an der Schule läuft, so Özcan. Wenn es Verbesserungsvorschläge gibt, können die Schüler einen Mehrheitsbeschluss fassen und einen Antrag formulieren, den die Klassensprecher bei der Konferenz der Schülermitverantwortung (SMV) einbringen. Außerdem hob die Laudatorin hervor, dass es an der Mittelschule regelmäßige digitale Umfragen gibt, bei denen die Kinder und Jugendlichen zum Beispiel befragt werden, welche Arbeitsgruppen oder Mottotage sie sich für das nächste Schuljahr wünschen.

Mittelschüler starteten Petition gegen Abschiebung der Familie Esiovwa

Das Besondere an der Mittelschule Karlsfeld sei aber, dass die demokratische Beteiligung über den Lebensraum Schule hinausgehe: Denn nach der Abschiebung der elfjährigen Stefanie Esiovwa nach Nigeria, starteten ihre Mitschülerinnen und Mitschüler im vergangenen Jahr eine Petition mit dem Ziel, die Karlsfelder Familie wieder zurückzuholen. Die Petition wurde von Vereinen und politischen Akteuren unterstützt, außerdem sprachen die Mittelschüler mit dem Landrat und verfassten ein Schreiben ans Außenministerium. Katjuscha von Werthern sagte: "Auch wenn die Petition nicht zum gewünschten Ziel führte, erlebten die beteiligten Kinder und Jugendlichen, wie es ist, politisch und zivilgesellschaftlich tätig zu werden."

Einige Karlsfelder Mittelschüler engagieren sich auch im Jugendkreistag des Landkreises. Dort hat ein Antrag zum Beispiel dazu geführt, dass an mittlerweile allen Schulen im Landkreis kostenlose Hygieneartikel auf Toiletten bereitgestellt werden. Auch der Jugendrat der Gemeinde Karlsfeld wurde nach jahrelangem Stillstand durch Jugendliche der Mittelschule Karlsfeld wiederbelebt, sagte die Laudatorin. Ihr Fazit: "Die Mittelschule Karlsfeld leistet nicht nur einen Beitrag dazu, als Schule demokratischer zu werden und Partizipation zu ermöglichen", die Bildungseinrichtung trage auch dazu bei, demokratische Prozesse außerhalb der Schule zu befördern und damit die Demokratie an sich zu stärken.

Schulleiter Hakan Özcan sieht seine Schule als "best practice model", also als Erfolgsmodell, und will auch die Eltern künftig noch mehr einbeziehen. Für die Zukunft wünscht er sich einen "Tag der Demokratie" im Landkreis, an dem seine Schule Impulse an andere Schulen weitergeben könnte - denn die politische Bildung komme mancherorts noch zu kurz, so Özcan.

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