Mit vielen Lutschpastillen:Heiserer Spötter

Mit vielen Lutschpastillen: Diesmal nicht in Topform: Kabarettist Frank Lüdecke müht sich mit einem guten Programm, aber wenig Energie durch den Abend.

Diesmal nicht in Topform: Kabarettist Frank Lüdecke müht sich mit einem guten Programm, aber wenig Energie durch den Abend.

(Foto: Toni Heigl)

Dem gesundheitlich angeschlagenen Kabarettisten Frank Lüdecke fehlt es beim Auftritt in Dachau etwas an Schwung

Von Andreas Förster, Dachau

Frank Lüdecke ist, mit mehreren Preisen dekoriert und fernsehprominent, ein kabarettistisches Schwergewicht, und als solches braucht er eine entsprechende Bühne. So gastiert der Berliner beim nunmehr dritten Auftritt in Dachau nicht mehr auf der Leierkasten-Kleinkunstbühne von Frank Striegler, sondern im großen Theatersaal des ASV, in dem ungefähr doppelt so viele Zuschauer Platz finden. Weniger als 200 Plätze hätten es auch nicht sein dürfen. Striegler verrät bei seiner Begrüßung, dass er bisher erst einmal in den ASV ausgewichen sei, nämlich beim Auftritt von Gerhard Polt und der Biermösl Blosn. Und nun also Frank Lüdecke.

Ein Barhocker, ein Tablet auf einem Stativ, ein Gitarrenständer ohne Gitarre: Die wenigen Utensilien wirken auf der großen Bühne zunächst etwas verloren. Doch schon das Intro lenkt die Aufmerksamkeit weg von den Äußerlichkeiten, hin zum Doppelbödigen, der intellektuellen Komik eines der besten politischen Satirikers unserer Zeit: Eine sanfte Männerstimme aus dem Off warnte die "verehrten Damen und Herren und Transgender" - ganz politisch korrekt, wie es der Zeitgeist verlangt - davor, dass das nun folgende Programm "Über die Verhältnisse" zu den Themen aktuelle Politik, soziale Medien, Integration und Europa aktives Mitdenken verlange und bei dem einen oder anderen Mikroaggressionen auslösen könne, wenn er die Pointe nicht verstehe oder eine andere Meinung vertrete.

Wer immer sich in den folgenden 90 Minuten auf den Schlips getreten fühlt, lässt es sich nicht anmerken. Lüdeckes Pointen kommen zielsicher und werden stets mit viel Gelächter quittiert. Dass dem 56-Jährigen vor der Pause etwas der Schwung fehlt, liegt wohl an seiner Erkältung, die man ihm anhört und sicher einen Teil der Energie raubt. Nach der Pause futterte Lüdecke eine Lutschpastille nach der anderen, was sowohl der Stimme gut tut als auch dem Blutzuckerspiegel.

Im Vergleich zu der oberflächlichen, unter die Gürtellinie zielenden Standup-Comedy eines Mario Barth, Luke Mockridge oder Kaya Yanar weiß Lüdecke mit dem gesprochenen und (sich selbst an der Gitarre begleitend) gesungenen Wort gänzlich ohne Frivolität oder vulgäre Doppeldeutigkeit zu überzeugen. Weil gutes politisches Kabarett und feinsinnige Zeitgeist-Satire in Deutschland eher selten geworden ist, sei es erlaubt, dies wohltuend zur Kenntnis zu nehmen.

Hier eine kleine Auswahl der Pointen aus dem berufenem Munde des Frank Lüdecke. Ein Vorschlag zur Kompromissfähigkeit der Groko: "Ab 2028 dürfen nur noch Elektroautos zugelassen werden, die auch mit Diesel fahren"; Kommentar zur Drohung von "Ultimatum-Horst" Seehofer, Alexander Dobrindt aus Berlin abzuziehen: "Berlin ohne Dobrindt, das wäre wie Leipzig ohne die Semper-Oper"; über Donald Trump und Bildung: "Wenn Sie Belgien für eine schöne Stadt halten, dann können sie immerhin noch eines werden: US-Präsident"; "In der Antike konnte ein Politiker abgewählt werden. Heute wird er EU-Kommissar."

Lüdeckes "Original-Rede, die ein deutscher Politiker im EU-Parlament gehalten hat", entpuppt sich als perfekte Edmund-Stoiber-Parodie mit allen Grimassen, "Ähs" und Unterbrechungen sowie Ungereimtheiten im Rede-Manuskript, wie man sie von dem langjährigen bayerischen Ministerpräsidenten und späteren EU-Beauftragten für den Bürokratie-Abbau gewohnt war. Eine Steilvorlage für das Politiker-Derbleckn am Nockherberg, vielleicht im nächsten Jahr? Den Abend beschließt der vierfache Vater mit einem Lied über die fehlenden Geburten im Land ("Die Alterspyramide in Deutschland hat schon die Form einer Urne"): "In the Year 2929 leben die Menschen noch in Kiel - und wie viel?"

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