Mit Harfenklang:Der Duft von Vanille, Zimt und Mandeln

Weihnachtliche Lesung

Geschichten aus längst vergangenen Zeiten von Schauspielerin Monika Baumgartner in warmem Bairisch mit viel Humor erzählt und von Veronika Ponzer (rechts) an der Harfe musikalisch stimmungsvoll umrahmt, lassen das Dachauer Publikum innehalten im hektischen Advent.

(Foto: Niels Jørgensen)

Die Volksschauspielerin Monika Baumgartner beschert ihrem Publikum mit weihnachtlichen Geschichten von Karl-Heinz Waggerl und Oskar Maria Graf einen heiter-besinnlichen Abend

Von Sonja Siegmund, Dachau

Wenn die Natur zur Ruhe kommt und Weihnachten näher rückt, dann sehnen sich auch die Menschen nach einer Zeit des Innehaltens und der Besinnung. Eine solch heiter-besinnliche Auszeit erlebten die Besucher am Donnerstagabend bei einer Lesung von der Schauspielerin Monika Baumgartner im voll besetzten Stockmann-Saal im Dachauer Thoma-Haus. Die Harfenistin Veronika Ponzer untermalte die Textpassagen mit passenden Klängen entsprechend dem Titel der Veranstaltung "Die stillste Zeit im Jahr".

Mit Geschichten des österreichischen Volksdichters Karl-Heinz Waggerl (1897 bis 1973) und des urbayerischen Schriftstellers Oskar Maria Graf (1894 bis 1967) nahm Baumgartner ihre Zuhörer mit auf eine Zeitreise. Waggerls Geschichten und Legenden zum Christfest, der zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts zählt, gehören längst zur klassischen Weihnachtsliteratur. Da wird die nach Vanille, Zimt und Mandeln duftende Backstube geradezu sichtbar: Mittendrin die viel beschäftigte Mutter mit hochroten Wangen und ihr kleiner Helfer, die von Ohrfeigen geschwängerte Luft, qualvolle Stunden des Teigrührens mit vielen Vaterunsern, damit es keine Gelegenheit zum Naschen gibt. Da hält man unwillkürlich selbst den Atem an, wenn der fleißige Bub mit feinstem Blattgold Nüsse verzieren und köstliche Lebkuchen mit Silberpapier umwickeln darf. Da stellt sich vor den Augen der Zuhörer wie selbstverständlich die Szene ein, wie ein Professor hinter dem wertvollen Schnitzaltar einer Dorfkirche ein Weihnachtswunder vollbringt, nachdem er einen Buben mit seiner Geige belauscht, der ein inniges Gebet an den Herrn Jesus schickt.

Aus Waggerls Geschichte "Weihnachten in China" entsteht ein modernes Hörspiel, wie der heimwehgeplagte Europäer von seiner Gastfamilie eine gelochte Kupfermünze als Geschenk zum Christfest bekommt, mit bunten Wollfäden umwickelt, die jeweils eine Stunde des Glücks bedeuten, das aus dem Leben des Schenkenden weitergegeben wird. Zum Schmunzeln animierte die Geschichte von dem musikalischen Nostalgie-Christbaumdrehständer, der am Heiligen Abend die ganze Familie samt Oma in ein schlimmes Weihnachtschaos mit unerfreulicher Bescherung stürzt.

Für die gespannt lauschenden Zuhörer lässt die Schauspielerin auch das Schicksal einer bratfertigen Gans lebendig werden, die aus dem Fenster im dritten Stock geworfen und zu guter Letzt mangels Küchenherds vom Eigentümer meistbietend versteigert wird.

Aus Oskar Maria Grafs autobiographischen Geschichten über Weihnachten werden vor allem die qualvollen Nachtstunden in der elterlichen Backstube in Erinnerung bleiben, die der damals zwölfjährige Bub erlitten hat. Nach dem Tod seines Vaters 1906 musste Graf in der von seinem älteren Bruder Max geführten Bäckerei unter Misshandlungen bis zur Erschöpfung schuften.

Als Schmunzelgeschichte erwies sich indes eine Geburtstagsfeier im Dezember 1904, als der zehnjährige Oskar und dessen kleine Schwester Anna der allerfeinsten Verwandtschaft eine Festtags-Schokoladentorte überbringen sollten. Humorvoll sind auch Grafs Erinnerungen an seinen stinkfaulen Hund Nero, der sich nur mittels an der Rutenspitze angebundener Rosswürste vor den Schlitten spannen lässt. Baumgartner liest diese Geschichten in einem klangvollen, warmen Bairisch, wechselt mühelos zwischen jungen und älteren Stimmen, zwischen männlichen und weiblichen Figuren. Gewünscht hätte man sich freilich, mehr Details aus dem Leben der beiden Schriftsteller zu erfahren, was den Zuhörern, deren teils schmerzliche Erinnerungen noch besser erschlossen hätten.

Wahrhaft herzerwärmende Musik spielte zu diesen weihnachtlichen Geschichten die Harfenistin Veronika Ponzer. Bereits als Neunjährige erhielt die mehrfache Preisträgerin bei "Jugend musiziert" Unterricht für Konzertharfe. Neben ihren solistischen Auftritten musiziert Ponzer im Duo mit Flöte oder Cello beziehungsweise in kammermusikalischer Besetzung. Bei der Lesung im Thoma-Haus erfreute sie das Publikum mit dem bekannten Andante aus Händels B-Dur-Konzert, der Vogelhändler-Arie aus Mozarts Zauberflöte, Alphonse Hasselmans "Chanson", der Filmmusik zu "Drei Nüsse für Aschenbrödel" sowie eigenen Kompositionen.

Was diese weihnachtliche Lesung zum Erlebnis für Literatur- und Musikfreunde gleichermaßen macht, war das gelungene Zusammenspiel von Texten und Harfenmusik. Die Zuschauer waren begeistert, weil eine beliebte Volksschauspielerin und eine begnadete Harfenistin auf unkonventionelle Art den Sinn der Weihnacht wieder wachgerufen haben. Das zumeist ältere Publikum dürfte sich zudem bei vielen Geschichten an die eigene Kindheit erinnert haben. Monika Baumgartner hat die weihnachtlichen Texte nämlich mit sehr viel Herz, Humor und Können erzählt. Die sanften Harfenklänge von Veronika Ponzer zwischen den Geschichten taten ihr Übriges, um die festliche Stimmung in den Stockmannsaal zu zaubern. Sie luden zudem zum Nachsinnen und Erinnern geradezu ein.

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