Interview:Er transportiert Schokolade von Amsterdam nach München mit dem Fahrrad

Fernradler

Johannes Bockermann mit seinem Lastenfahrrad, mit dem er 20 Kilogramm Schokolade aus Amsterdam holen wird.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Johannes Bockermann, 34, transportiert fair gehandelte Schokolade emissionsfrei mit dem Fahrrad von Amsterdam nach München, um ein Zeichen zu setzen.

Interview von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Schokolade gilt definitiv nicht als Vorzeigeprodukt für ökologischen Konsum. Was also tun, wenn man sich umweltbewusst ernähren, auf die süße Sünde aber nicht verzichten möchte? Der Dachauer Johannes Bockermann löst das Dilemma mit einer Reise auf dem Rad: Kürzlich brach der 34-Jährige zu einer Fahrt von Dachau nach Amsterdam auf, um gemeinsam mit zwölf Münchnern über 90 Kilo Schokolade nach München zu transportieren.

SZ: Wieso radeln Sie rund 1000 Kilometer, um Schokolade von Amsterdam nach München zu bringen?

Johannes Bockermann: Der Kakao für die Schokolade wurde bereits mit dem Segelschiff aus der Karibik nach Amsterdam gebracht - das heißt emissionsarm transportiert. Da ist die logische Konsequenz, dass man den letzten Rest der Strecke, die die Schokolade zurücklegen muss, auch emissionsfrei macht: also mit dem Fahrrad.

Das heißt, Sie wollen ein Zeichen für umweltfreundlichen Konsum setzen?

Tatsächlich ist es eine Urlaubsreise für mich, aber auch ein Zeichen für Klimaschutz und für emissionsfreien Verkehr. Außerdem esse ich sehr gerne Schokolade und fahre unglaublich gerne Rad!

Dürfen Sie denn unterwegs auch naschen?

Nicht von der Transportschokolade.

Wie viel Schokolade passt in Ihr Lastenfahrrad?

Also zusammen transportieren wir um die hundert Kilo nach München, das wird unter den 13 Fahrern aus München aufgeteilt. Ich selbst transportiere 20 Kilo.

Sind Sie davor schon mal so eine lange Strecke am Stück gefahren?

Nö. Aber ich fahre fast täglich Fahrrad, habe kein Auto mehr, fahre auch nicht unbedingt mit den Öffentlichen. Deswegen denke ich, dass ich dafür schon ordentlich trainiert bin.

Versuchen Sie darüber hinaus, in Ihrem Alltag umwelt- und emissionsfreundlich zu leben?

Mir ist das sehr wichtig. Ich lebe ziemlich plastikfrei, habe nahezu keinen Müll, ich gehe auf dem Markt einkaufen, ich kaufe Fairtrade-Schokolade, wenn ich Schokolade kaufe, habe auch mein E-Mail-Postfach auf einen Anbieter mit Ökostromserver umgestellt.

Haben die anderen Fahrer und Fahrerinnen für die Tour die gleiche Motivation wie Sie?

Es sind ganz unterschiedliche Leute dabei: Es gibt einen Banker, einen Arzt, einen Rentner, Studenten - also wirklich durch die gesamte Bevölkerungsschicht. Und alle sagen, dass es mit dem Turbokapitalismus, in dem wir jetzt leben - es geht immer höher, schneller, weiter - nicht klappt. Da muss sofort etwas passieren und dafür setzen wir uns ein.

Fahren Sie die Strecke alle gemeinsam?

Nein, jeder fährt in seinem Tempo. Ich fahre mit Walter, er ist Rentner, wir fahren zu zweit eine längere Strecke und brauchen elf Tage dafür. Ich mache gerade ein Sabbatical und kann mir deswegen so lange am Stück Zeit nehmen.

Wieso ausgerechnet Schokolade aus Amsterdam?

Das liegt daran, dass dort diese spezielle Schokoladenmanufaktur ist, die den Kakao mit dem Segelschiff transportiert. Die "Chocolatemakers" legen ganz besonderen Wert auf Nachhaltigkeit.

Wurde die Aktion von der Schokoladenmanufaktur initiiert?

Nein, die Idee stammt von radsportbegeisterten Münsteranern. Die haben die Manufaktur entdeckt und gedacht, dass es logisch ist, wenn man die letzten Kilometer auch noch mit dem Fahrrad macht. Das war 2016. Nach und nach sind Leute aus weiteren Städte eingestiegen, also zum Beispiel aus Berlin, aus Basel, aus Wien, aus München. Letztes Jahr sind eine Münchnerin und ein Münchner losgefahren - und heute sind es mit mir schon dreizehn.

Und was passiert mit der Schokolade, wenn sie in München angekommen ist?

Es gibt fünf Läden, die die Schokolade bestellt haben. Das unternehmerische Risiko liegt bei den Läden - wir sind ja ehrenamtliche Fahrer ohne spezielle Versicherung.

Wird die Schokolade durch den Fahrradtransport teurer?

Die Schokolade ist an sich schon sehr kostspielig. Damit die Läden auch noch etwas verdienen können, kostet eine 90-Gramm-Tafel später rund 4,50 Euro. Wir als Fahrer werden nicht bezahlt, vierzig Cent von dem Erlös werden allerdings gespendet. Aber wir müssen vor allem daran denken: Schokolade ist ein Luxusgut und das hier ist fair gehandelte Bio-Schokolade.

Und gerade als solches lässt sich Schokolade schwer in den nachhaltigen Konsum integrieren?

Ja, ganz klar! Da gibt es nur die Varianten, auf Fairtrade und Bio-Fairtrade umzusteigen, wenn man wirklich nicht ohne Schokolade kann. Aber dann ist es natürlich auch schwer, verpackungsfrei zu arbeiten - Schokolade ist ein sensibles Gut, wärme- und wasserempfindlich.

Wer sich Gedanken über einen nachhaltigen Lebensstil macht, muss häufig abwägen. Wie entscheiden Sie im Alltag?

Ich setze beispielsweise regional über bio. Ich kaufe immer auf dem Wochenmarkt ein, in Dachau geht das ja ohne Probleme. Ich kaufe zum Beispiel keine verpackten Schokoriegel mehr, da ich das Verhältnis von Verpackung zu Inhalt für absolut nicht tragfähig halte. Es geht ja auch um Genuss und das ist die Schokofahrt in jeder Hinsicht: Radfahren ist Genuss, Schokolade ist Genuss und sich dafür Zeit nehmen auch.

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