MINT-Schule in Weichs:Das digitale Klassenzimmer

Vor sieben Jahren gab es an der Therese-Gerhardinger-Realschule in Weichs die erste iPad-Klasse. Nun ist die Schule vom Ministerium für Bildung und Forschung als MINT-Schule ausgezeichnet worden

Von Anna-Elisa Jakob

Weichs - Man könnte es Anreiz nennen, oder Motivation, Lehrerin Valerie Wilmes nennt es Initialzündung. Der Naturwissenschaftlerin geht es um das, was jenen Moment auslöst, in dem eine Schülerin merkt, dass sie Technik begeistert, dass Fächer wie Physik und Informatik sie interessieren - entgegen dem Bild, was ihr von Zuhause oder gesellschaftlichen Klischees vermittelt wurde. "Meine Mutter konnte Physik schon nicht, also kann ich es auch nicht." Das war einer dieser Sätze, die Wilmes häufig zu hören bekam. Dass die Erzbischöfliche Therese-Gerhardinger-Realschule (TGRS) in Weichs nun nicht nur als digitale Schule, sondern vom Ministerium für Bildung und Forschung zusätzlich als "MINT-Schule" ausgezeichnet wurde, liegt auch daran, dass Wilmes das so nicht hinnehmen wollte.

Mit der Abkürzung MINT meint das Ministerium die naturwissenschaftlichen Fächer - Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik. Im Lehrplan sind Fächer wie Physik, Chemie und Informatik erst ab der siebten bis neunten Klasse vorgesehen, je nachdem, für welchen Zweig sich die Schüler entscheiden. "Sehr spät", findet Wilmes. Denn am leichtesten falle es bei den Jüngsten, Vorurteile abzubauen und Gleichstellung zu fördern.

In einem Klassenzimmer packen in der Mittagspause vier Schüler ein Calliope aus nummerierten Pappschachteln. Calliopen sind Einplatinencomputer - eine sternförmige Scheibe, in der Mitte blinken Lämpchen, mal rot, mal grün. Mit ihnen können die Schüler bereits früh das Programmieren lernen und ausprobieren. Sechstklässlerin Laura zeigt beispielsweise, dass sie auf dem Calliope eine Stoppuhr programmiert hat. "Damit könnte ich zum Beispiel messen, wie lange ich auf einem Bein stehen kann", sagt sie. Dieser Unterricht mache ihr mehr Spaß als der sonstige Frontalunterricht, und die anderen Schüler, zwei Mädchen und ein Junge, stimmen ihr zu.

MINT Schule

Tizian, Julia, Laura und noch mal Laura (von links) von der Therese-Gerhardinger-Realschule lernen in den zwei Projektstunden, die immer am Mittwochnachmittag stattfinden, den praktischen Umgang mit Chemie und Informatik - zum Beispiel wie man einen Einplatinencomputer programmiert.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Ginge es nach dem regulären Lehrplan, hätten sie noch gar keinen naturwissenschaftlichen Unterricht, doch in den zwei Projektstunden am Mittwochnachmittag können sie abwechselnd erste Eindrücke in Informatik und Chemie sammeln. Genau das sei entscheidend für die Initialzündung, so Wilmes. "Es ist leichter, die Hemmschwelle für Naturwissenschaften abzubauen, wenn die Schülerinnen noch jung und unvoreingenommen sind", erklärt sie. Ein solcher Kurs in der fünften oder sechsten Klasse funktioniere dann wie ein Türöffner, so entschieden sich mehr Mädchen dafür, ab der siebten Klasse technische Fächer wie Robotik zu vertiefen. Das Ziel der Schule ist es, in den MINT-Fächern jeweils fünfzig Prozent Mädchen und Jungen für die Kurse zu begeistern. "Noch ist der Anteil der Buben viel höher", sagt Wilmes.

Das Prinzip der Initialzündung braucht es aber genauso auch auf anderer Seite, bei den Lehrern, ohne die solche Ziele nur leere Formulierungen bleiben. Umso besser, wenn einer einfach mal anfängt, so wie Robert Egg. Dass die TGRS als einzige Realschule im Landkreis zur digitalen Schule ausgezeichnet wurde, liegt auch daran, dass Egg digitale Lehrmethoden früh in der Schule etablierte. Vor sieben Jahren hatte er begonnen, an der Realschule in Weichs die erste iPad-Klasse einzuführen. Mittlerweile gibt es in jedem Jahrgang ab der siebten Klasse mindestens eine, der digitale Unterricht ist für Lehrer und Schüler zur Selbstverständlichkeit geworden. "Eigentlich arbeiten heute alle Lehrer nur noch mit dem Tablet", sagt Valerie Wilmes. Weil man gemerkt habe, dass es einfacher sei, aber auch, weil die technische Ausstattung gegeben ist. Die Schüler, die sich für eine iPad-Klasse entscheiden, müssen ihr iPad selbst anschaffen. Doch in jedem Klassenzimmer der Schule ist ein Bildschirm, ein Projektor und ein Beamer, außerdem gibt es in der gesamten Schule WLAN-Empfang. "Keine Selbstverständlichkeit", meint Konrektor Alexander Märkl.

MINT Schule

Konrektor Alexander Märkl und die Lehrer Valerie Wilmes und Robert Eck (von rechts) fördern das Verständnis für Digitales - bei Schülern und Lehrern.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Das digitale Lernen sei deutlich interaktiver, findet Märkl. An der TGRS hat er ja den Vergleich, er lehrt sowohl iPad-Klassen als auch solche, die klassisch mit Buch und Heft unterrichtet werden. Auch hier geht es vor allem wieder um die Motivation - die Möglichkeiten der Technik machten es ihm als Lehrer deutlich leichter, die Schüler zu begeistern. Märkl, der Deutsch, Geschichte und Informatik unterrichtet, erzählt zum Beispiel von einem Nachrichtenbeitrag, den seine Schüler drehen sollten - so, als hätte es die Tagesschau zu Zeiten der französischen Revolution schon gegeben. Dann wird auch kritisch hinterfragt: Was davon dürfte man nun auf YouTube hochladen? Welchen Quellen im Netz kann man vertrauen?

Schließlich soll es ja nicht allein um die Technik gehen, sondern auch darum, Medienkompetenz zu vermitteln. Das ist im gesamten Lehrplan eingebaut; alle Lehrer sollen in jedem Fach darauf achten, das Verständnis für Digitales zu fördern. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Lehrer selbst sicher im Umgang damit sind, um all das zu vermitteln. Als Egg und Märkl eine Umfrage unter den Kollegen starteten, welche Fortbildungen man sich im Kollegium noch wünschen würde, waren diese nur an neuen Methoden interessiert. Einführungen in Software und Sicherheit hielten sie nicht mehr für relevant, hier fühlte man sich sicher. Regelmäßig gibt es deshalb nun einen Medienstammtisch, an dem sich Lehrer aus verschiedenen Fachbereichen austauschen, wie man denn nun Medienkompetenz in den jeweiligen Fächern am besten vermitteln kann. Denn: "Nur die digitalen Mittel allein motivieren Schüler nicht, sondern wie sie verwendet werden", sagt Märkl.

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