Süddeutsche Zeitung

Meisterkonzert:Extraklasse

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Das Meisterkonzert zum Europäischen Musikworkshop im Dachau Schloss mit Dozenten und Schülern

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Zwei allgemein bekannte "Meister"-Zitate zierten bei der Eröffnung des Meisterkonzerts, das der Europäische Musikworkshop Altomünster im Dachauer Schloss veranstaltete, die Begrüßung und die drei kurzen und (nicht nur deshalb) guten Grußworte des Bürgermeisters der Marktgemeinde Altomünster, Anton Kerle, des oberbayerischen Bezirkstagspräsidenten Josef Mederer, und der stellvertretenden Landrätin des Landkreises Dachau, Marianne Klaffki: "Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen" und "Früh übt sich, was ein Meister werden will" aus Schillers "Wilhelm Tell".

Wir erlauben uns, ein drittes Zitat hinzuzufügen: "Am Werke erkennt man den Meister." Es stammt von Jean de Lafontaine, um damit die unerhörte Meisterschaft zu beschreiben, die sich bei diesem Meisterkonzert auftat. 15 bereits etablierte oder kommende, besser gesagt "eben angekommene" Meister spielten in verschiedenen Gruppierungen erlesene Kammermusik, darunter Raritäten der Extraklasse.

Klassik-Kenner wissen vielleicht, dass Beethoven in der Nachfolge von Joseph Haydn schottische, irische und walisische Volkslieder, später auch "Lieder der Völker" mit Begleitung von Klavier, Violine und Violoncello versah. Wer aber hat je im Konzertsaal Stücke aus dieser mehr als 200 Lieder umfassenden Sammlung gehört? Wer hat je davon gehört, dass Sergej Rachmaninow zwei Stücke für Klavier zu sechs Händen geschrieben hat? Bei diesem denkwürdigen Konzert im Schloss wurden sie von den beiden Dozenten Markus Kreul und Jelena Stojkovic zusammen mit Nimapingcuo, einem Kursteilnehmer aus Tibet vorzüglich gespielt. Bei den schottischen und irischen Liedern von Beethoven musste die Kursteilnehmerin Susanne Müller (Sopran) äußerst kurzfristig für den erkrankten Gesangsdozenten Dominik Wortig einspringen, und sie löste ihre heikle Aufgabe mit Bravour. Die von Ingolf Turban (Violine), Guido Schiefen (Violoncello) und Markus Kreul am Klavier ausgeführte Instrumentalbegleitung war natürlich vom Feinsten.

Es geht zu weit, alle Köstlichkeiten dieses Konzertabends im einzelnen darzustellen und gebührend zu würdigen; deshalb sei das eingangs in sehr frischen Tempi gespielte Quartett für Flöte, Violine, Viola und Violoncello von Mozart, bei dem sich die Kursteilnehmerin Sandra Rieger an der Viola ebenbürtig zu den Meisterdozenten Raphael Gärtig (Flöte), Sebastian Caspar (Violine) und Guido Schiefen gesellte, nur erwähnt.

Maximilian Breinich ist der schon seit Jahren bewährte Klarinettist des Musikworkshops Altomünster. Diesmal spielte er Vier Stücke op. 5 von Alban Berg und, zusammen mit Dozent Harald Harrer und Markus Kreul am Klavier, ein Konzertstück für Klarinette, Bassetthorn und Klavier von Mendelssohn. Bei den Stücken von Alban Berg wurde er von seiner Schwester Christina, die gerade erst Abitur macht, souverän am Klavier begleitet.

Trotz aller durch die Bank meisterhaften Darbietungen blieb die Aufführung der Sonate für Violine und Violoncello von Maurice Ravel durch Ingolf Turban und Guido Schiefen einsame Spitze. Kritiker haben diese Sonate in ihrer unerhörten Fülle von Gedanken, Stimmungen, Polyphonie und Virtuosität einerseits als "vielleicht das außerordentlichste der Meisterwerke Ravels" bezeichnet, andererseits als "Massaker" an den ausführenden Musikern. Letzteres mag auf nur bemühte, auch auf sehr hohem Niveau bemühte Wiedergaben zutreffen; Ingolf Turban und Guido Schiefen wirkten nach ihrer Interpretation keineswegs "massakriert", im Gegenteil wie wohlig entspannt, denn das Musizieren hatte ihnen selbst bei den schwierigsten Passagen sichtlich Freude gemacht. Nicht nur am Werk, auch an der Ausführung, am Musizieren erkennt man den Meister.

Zuletzt gab es noch Stücke von Astor Piazzolla. Einige seiner mehr als 300 Tangos sind sehr bekannt geworden und werden ziemlich oft gespielt. Der Zyklus "Die vier Jahreszeiten der Bewohner von Buenos Aires", aus dem Sebastian Caspar und Jelena Stojkovic mit dem ebenso meisterhaften Kursteilnehmer Jonathan Faulhaber am Violoncello die Sätze für den Frühling und den Sommer spielten, ist bereits ein herausragendes Werk, aber was soll man erst zu Piazzollas "Tango sei" für Violine, Flöte, Klarinette, Horn, Bassklarinette und Klavier aus dem Jahre 1969 sagen?

Es ist ein Meisterwerk der Musik des 20. Jahrhunderts, man darf an die größten Komponisten der modernen Musik denken, am Piazzollas Lehrer Alberto Ginastera, sogar an Igor Strawinsky. Noch besser ist es allerdings, an den Europäischen Musikworkshop Altomünster von Markus Kreul zu denken; darüber, zu welcher Bedeutung er es innerhalb von zehn Jahren gebracht hat. Das Konzert im Schloss war das Jubiläumskonzert zum zehnjährigen Bestehen.

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SZ vom 04.04.2016
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