Mehr als zwei Promille im Blut:Gefährlicher Vollrausch

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Ein junger Mann tritt nach einem Volksfestbesuch auf einen 48-Jährigen ein. Nur weil er sturzbetrunken war, muss er sich nicht wegen versuchter Tötung verantworten und erhält eine Bewährungsstrafe

Von Benjamin Emonts, Dachau

Es war ein brutaler Angriff, der sich im vergangenen August neben dem Dachauer Volksfest abspielte. Zwei junge Männer griffen damals völlig unvermittelt zwei Radfahrer an, die sich auf den Heimweg gemacht hatten. Auf dem Gehweg der Ludwig-Thoma-Straße rissen sie einen der Männer von seinem Rad und prügelten auf ihn ein. Als er bereits am Boden lag, trat einer der Angreifer ihm mit voller Wucht gegen den Kopf. Der Mann blieb mehrere Minuten bewusstlos liegen und musste ins Dachauer Krankenhaus transportiert werden. Sein Gesicht war gezeichnet von etlichen Prellungen, Schürfwunden und Hämatomen. Nach drei Tagen Klinikaufenthalt blieb er vier Wochen lang arbeitsunfähig. "Es hat sich angefühlt, als wollte mir jemand den Kopf abreißen", erinnert sich der Mann.

Der Vorfall zur Volksfestzeit löste große Betroffenheit und Wut bei den Dachauern aus. Die Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck ermittelte zunächst wegen eines versuchten Tötungsdelikts gegen den Mann, der den brutalen Fußtritt ausgeteilt hatte. Noch zwei Stunden nach der Tat war bei ihm allerdings ein Blutalkoholwert von 2,13 Promille festgestellt worden. Ein ärztliches Gutachten kam später zu dem Schluss, dass der Mann sich im Vollrausch womöglich nicht im Klaren war, dass er das Leben seines Opfers gefährdet. Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Dachauers seien stark eingeschränkt oder gar aufgehoben gewesen, so lautete die Einschätzung. Die Staatsanwaltschaft München II erhob ihre Anklage deshalb nicht wegen versuchten Totschlags, sondern lediglich wegen fahrlässigen Vollrausches.

Nur deshalb muss sich der 20-jährige Dachauer am Montag nicht vor dem Landgericht München, sondern vor dem Dachauer Schöffengericht verantworten. Ohne den Alkohol im Blut, das betont Matthias Braumandl von der Staatsanwaltschaft München II, hätte der Angeklagte wohl eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen versuchter Tötung erhalten. Unmittelbar nach seiner Tat war der Mann zunächst geflüchtet, bis die Polizei ihn wenig später festnahm. Die folgenden vier Monate verbrachte er in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim. In einem Brief an seine Eltern, der von Amtsrichter Dorner verlesen wird, bereut er seine Tat. "Ich schäme mich so sehr", schreibt er.

Vor dem Schöffengericht Dachau legt er im Beisein seiner Familie ein umfassendes Geständnis über seinen Verteidiger Joachim Schwarzenau ab. Der junge Mann habe damals ein schwere Phase durchlebt und "definitiv zu viel getrunken", sagt der Anwalt. Der Angeklagte selbst gibt später an, acht Mass Bier getrunken und anschließend die Schnapsbar besucht zu haben. Ein Bild, das dem Gericht vorliegt, zeigt den Mann offenbar, wie er am besagten Abend betrunken auf dem Boden liegt.

Aus einem anderen Gutachten geht hervor, dass der Tritt durchaus tödlich hätte enden können, beispielsweise durch eine Gehirnblutung oder durch Ersticken am eigenen Erbrochenen. Der Angeklagte hat sich vor drei Wochen bei dem 48-jährigen Mann aus der Gemeinde Bergkirchen, der als Nebenkläger auftritt, persönlich entschuldigt. Als Schmerzensgeld wurde bereits eine Zahlung von 7000 Euro als Täter-Opfer-Ausgleich geleistet. Das dafür nötige Geld lieh sich der Angeklagte bei seinen Eltern.

Das Dachauer Schöffengericht verurteilt den 20-Jährigen letztlich wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Jugendstrafe von einem Jahr zur Bewährung. "Sie müssen von Glück sprechen, dass das Opfer hier noch sitzt. Er hätte von Ihrem Tritt auch sterben können", betont Amtsrichter Daniel Dorner. Das Schöffengericht erkennt eine besondere Schwere der Schuld. Nichtsdestotrotz stellt der Amtsrichter dem familiär eingebundenen und berufstätigen Mann eine positive Sozialprognose aus. Unter dem Eindruck der Untersuchungshaft habe er die Tragweite seines Verhaltens inzwischen erkannt, glaubt der Richter. Der ein Jahr jüngere Mittäter, der ebenfalls in Dachau lebt, wurde vor dem Amtsgericht Dachau vor wenigen Wochen wegen Körperverletzung zu zwei Wochen Jugendarrest verurteilt. Gegen das Urteil ging er in Berufung.

© SZ vom 20.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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