Mehr Abschüsse:Das Grunzen im Walde

Frischlinge an der Sauschütt

Jagdsaison für Wildschweine ist das ganze Jahr über. Ausgenommen sind Bachen, die Jungtiere säugen. Wer diese trotzdem schießt, macht sich strafbar.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Wildschweine vermehren sich prächtig. Das führt dazu, dass die Jäger mehr schießen müssen. Denn das Schwarzwild richtet auch Schäden an. Nun gilt es, die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest zu verhindern.

Von Jana Rick, Dachau

Die Jäger im Landkreis haben in der Jagdsaison 2017/2018 so viele Wildschweine wie noch nie erlegt. 537 Tiere wurden geschossen, in der vorherigen Saison waren es nur 448, so meldet es das Landratsamt Dachau. Die Jagdsaison erstreckt sich jahresübergreifend von 1. April bis 31. März. Der Anstieg spiegelt eine Entwicklung wider, die sich in ganz Bayern bemerkbar macht: Im Freistaat wurden in der vergangenen Saison 95 000 Wildschweine geschossen, ein Rekord.

Ob der Grund für diesen Anstieg in der Vermehrung der Schweine liegt, ist nicht sicher. Günter Biermayer, Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erklärt, dass es keine genauen Zahlen des aktuellen Wildschweinbestandes gibt: "Man kann Wildtiere nicht zählen, man kann eine mögliche Vermehrung nur indirekt über Schäden in Wäldern oder Feldern erkennen." Er ist sich allerdings sicher, dass die Wildschweinrate in den letzen Jahren stetig zugenommen hat. Das macht sich auch auf den Straßen bemerkbar. Das Rekordjahr mit den meisten Wildunfällen war 2016, als die Zahl auf 1016 stieg. In diesem Jahr wurden bis jetzt 680 Wildunfälle gemeldet, laut Polizei Dachau ein ähnlicher Stand wie vom Vorjahr. Im Oktober 2017 verirrte sich eine Wildsau gar in eine Zahnarztpraxis in Röhrmoos. Fünf Feuerwehrmänner und Jäger brauchte es, um das Tier einzufangen, es wurde schließlich erschossen.

Für die gestiegene Populationsrate nennt Ernst-Ulrich Wittmann, erster Vorsitzender des Jagdverbandes Dachau, die "sehr günstige Futtersituation" als einen Hauptgrund. Die milden Winter führten in den letzten Jahren zu einer ungewöhnlich niedrigen Sterblichkeitsrate des Schwarzwildes und zu hohen Futtervorräten an Kastanien und Eicheln im Wald. Die Tiere finden fast durchgehend Eichelmast auf den Waldböden, auch aufgrund der Klimaerwärmung, gegen die sich die Eichen wehren und mehr Früchte produzieren. Auch in den sonst kargen Sommermonaten haben Wildschweine heute keine Probleme sich zu ernähren, dank der intensiven Landwirtschaft an Mais und Raps in ganz Deutschland. Wittmann erklärt, dass sich die jungen Bachen durch die begünstigte Futtersituation besser als sonst entwickeln und bereits im Laufe ihres ersten Lebensjahres selbst Frischlinge gebären.

Gejagt werden dürfen die Wildschweine ganzjährig. Schonzeit gilt nur für die Muttertiere, so lange sie die Frischlinge säugen, da diese sonst verhungern würden. Wittmann erklärt eine Hauptregel der Jäger: "Wenn ich mir nicht sicher bin, dann schieße ich nicht. Dann muss der Finger gerade bleiben."

Pro geschossene Wildsau bekommt ein Jäger in Bayern 20 Euro Zuschuss, eine Art "Aufwandsentschädigung" für die Wildschweinjagd. Jäger im Landkreis Dachau bekommen noch zusätzlich eine Abschussprämie von 20 Euro, da in Dachau die Untersuchungskosten für die Fleischhygiene vergleichsweise hoch sind. Das aktuelle Hauptthema in Bezug auf Schweinefleisch ist die sogenannte Afrikanische Schweinepest (ASP), die die deutsche Schweinezucht bedroht und von Wildschweinen übertragen werden kann. Bislang wurde die Seuche nur in Tschechien, Polen und nun auch in Belgien entdeckt, doch das Risiko ist hoch, dass sie auch bald nach Deutschland gelangt. Der Virus verbreitet sich allerdings nicht nur über Wildtiere, das sagt Roderich Zauscher vom Bund Naturschutz. Hauptüberträger sei auch der Mensch selbst, wenn Jäger zum Beispiel mit infiziertem Blut in Kontakt kommen oder Lastwagenfahrer verseuchte Lebensmittel ins Land bringen.

Wildschwein

Eine Begegnung mit einem Wildschwein kann üble Folgen haben. Autofahrer, die ein Tier an der Straße laufen sehen, sollten abblenden und hupen.

(Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Strenge Vorgaben zur Bejagung sollen auch in Deutschland die Wahrscheinlichkeit verringern, dass sich die Schweinepest weiter verbreitet, doch die Vermehrung des Wildschweinbestandes macht die Situation problematisch. "Je dichter der Schwarzwildbestand ist, desto schwieriger ist auch die Kontrolle einer möglichen Seuche", sagt Biermayer. Für ihn ist Vorbeugung nun der wichtigste Faktor, um das Schwarzwild möglichst gering zu halten. Hier spielen für ihn die Jäger eine wichtige Rolle. "Wir müssen froh sein, dass sich unsere Jäger einbringen, um das Jagdbild im Griff zu halten".

Für Wittmann sind es allerdings nicht nur die Jäger, die für die Vorbeugung zuständig sind: "Wir Jäger können einen Beitrag leisten, aber die hohe Reproduktionsleistung der Tiere können wir nicht beeinflussen", sagt er. Auch die Landwirte und die Veterinärämter müssten sich beteiligen, um das Land vor der Seuche zu schützen. Doch auch hier bleibt er realistisch: "Wir können gemeinsam nur versuchen, das Risiko zu reduzieren. Wir können den Einzug der Seuche verzögern, aber stattfinden wird sie auf jeden Fall." Der Jagdberater für Dachau, Dierk Sommermann, lobt auf jeden Fall die gute Arbeit der Jäger im Landkreis: "Da gehört viel Sitzfleisch und Engagement dazu, um in einem vergleichsweise kleinen Landkreis so viele Wildschweine zu erlegen."

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