Max Mannheimer:"Seine Geschichte wird weiter erzählt werden"

Max Mannheimer: Nobuya Otomo bei seinem Besuch in der KZ-Gedenkstätte Dachau.

Nobuya Otomo bei seinem Besuch in der KZ-Gedenkstätte Dachau.

(Foto: Toni Heigl)

Nicht nur in Dachau herrscht Trauer über den Tod Max Mannheimers: Nobuya Otomo hat sein "Spätes Tagebuch" in Japan bekannt gemacht.

Von Helmut Zeller, Dachau

Der Auschwitz-Überlebende Max Mannheimer ist tot, seine Worte aber bleiben - und in Japan blüht ein Apfelbaum, den der Zeitzeuge im Jahr 2011 an der Gedenkstätte Hiroshima pflanzen ließ. Dass der Zeitzeuge, der am Freitag im Alter von 96 Jahren gestorben ist, gerade bei Jugendlichen überaus beliebt war, ist bekannt. Aber Mannheimer erhielt auch viele begeisterte Briefe von Schülern und Studenten aus den Städten Tokio, Hiroshima, Kyoto und Yokohama. Und das liegt an einem Mann: Der Germanist Nobuya Otomo legte 2009 Mannheimers "Spätes Tagebuch" in einer japanischen Übersetzung vor und liest das Buch seitdem jedes Jahr mit seinen Studenten an der Universität Iwate. "Die Nachricht vom Tode meines verehrten Freundes Max, den ich über alles schätze, hat mich sehr traurig gemacht", schreibt der 55-Jährige, der in einem Vorort der Stadt Morioka wohnt, der Süddeutschen Zeitung.

Nobuya Otomo hat Max Mannheimer und seine Geschichte in Japan bekannt gemacht. Otomo wollte, dass auch die jungen Japaner sich mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust auseinandersetzen. Das Land war im Zweiten Weltkrieg mit Deutschland verbündet. "Ich erzählte immer mit Stolz, dass ich mit Max seit vielen Jahren sehr gut befreundet war. Max hat mir öfters E-Mails geschickt, und ich habe sie mit großer Freude gelesen. Für mich sind diese Mails und die Artikel, die er mir schickte, ein großer Schatz."

Über alle Grenzen hinweg aufgeschlossen

Es war bezeichnend für Max Mannheimer, dass er über alle Grenzen hinweg, den Menschen aufgeschlossen und interessiert begegnete. So war es auch mit dem Zen-Mönch Nobuya Otomo, der von 1985 und 1991 in Deutschland lebte und an der Universität Tübingen promovierte. Im letzten Jahr arbeitete er an der Universität Konstanz. In dieser Zeit fiel ihm das "Späte Tagebuch" in die Hände, das von Max Mannheimers Erfahrungen im Holocaust und dem Massenmord an den europäischen Juden berichtet; bis auf einen Bruder verlor Max Mannheimer seine ganze Familie, auch seine Frau, in Auschwitz-Birkenau. Nobuya Otomo flog wieder nach Deutschland. Er besuchte Mannheimer und die KZ-Gedenkstätte Dachau. "Ich bin von Herzen froh, dass Max mir bedingungsloses Vertrauen geschenkt hat", sagt Otomo.

Der Vizepräsident des Internationalen Dachau-Komitees war von Nobuya Otomo begeistert. Noch Wochen nach dem Erscheinen der japanischen Ausgabe seines Tagebuchs, das insgesamt in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt wurde, begrüßte er den verdutzten Anrufer am Telefon auf Japanisch. Mannheimer, der ein gutes Dutzend Sprachen beherrschte, hatte sich auf die Schnelle auch einige Brocken Japanisch angeeignet.

Nur die strapaziöse Flugreise hielt ihn von einem Japanbesuch ab

Eigentlich wollte Max Mannheimer auf Einladung Otomos selbst nach Japan reisen. Aber die lange, strapaziöse Flugreise durfte er sich in seinem Alter nicht mehr zumuten. Deshalb schickte Mannheimer 2011 die Regisseurin Caroline Otto, die den Dokumentarfilm "Der Weiße Rabe" über Mannheimers Leben gedreht hatte. Nach dem "Späten Tagebuch" fand auch der sensible und bildstarke Kinofilm eine begeisterte Aufnahme. Der Film wurde an sechs Universitäten und Schulen sowie an einem Institut zur Holocaust-Erziehung gezeigt. Aber Schüler und Studenten sahen und hörten Max Mannheimer selbst: In zwei Live-Videokonferenzen sprach er vom Max-Mannheimer-Studienzentrum Dachau aus mit ihnen und mit einem Überlebenden des Atombombenabwurfs auf Hiroshima. Der Mann hatte als 13-Jähriger überlebt. Er solle nicht aufhören, rief er Mannheimer zu, Jugendlichen von seinen Erlebnissen zu erzählen. Mannheimer erklärte dem Publikum: "Wir alle haben die Aufgabe, für Frieden und Menschlichkeit zu arbeiten."

An der Gedenkstätte in Hiroshima pflanzte Carolin Otto im Namen von Max Mannheimer einen japanischen Apfelbaum, der Früchte trägt. 120 Schüler nahmen an der Gedenkveranstaltung teil. Nobuya Otomo erinnert sich heute mit schwerem Herzen an die Zeremonie. Und dann schreibt er noch den hoffnungsvollen Satz, der Max Mannheimer sehr gefreut hätte: "Die Geschichte von Max wird hier, in Japan, über viele Generationen weiter erzählt werden."

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