Süddeutsche Zeitung

Markus Lüpertz Ausstellung:Die Kraft des Archaischen

Der Förderverein Wasserturm hat zum zweiten Mal eine große Lüpertz-Ausstellung im Kaufhaus Rübsamen organisiert. Der Malerfürst zeigt großformatige Unikate und Skulpturen, die Gegenständlichkeit und Abstraktion verbinden

Von Gregor Schiegl, Dachau

Das ist schon ein Kontrastgrogramm erster Güte, das Josef Lochner und das Team des Fördervereins Wasserturm mit Dieter Rothe und Gerhard Niedermair dem Dachauer Publikum kredenzt. Erst der Avantgardist Joseph Beuys und nun der altväterliche "Malerfürst" Markus Lüpertz mit Zylinderhut, eine Figur wie aus einem Thomas-Mann-Roman. Josef Lochner sagt: "Das wird jetzt was ganz anderes als davor der Beuys." Aber seine Begeisterung ist mindestens genauso groß, und wenn der Funke auf das Publikum überspringt wie bei der Beuys-Ausstellung, dann ist das wichtigste Ziel schon erreicht.

Gegenständliche Malerei galt nach dem Krieg in Westdeutschland als reaktionär, nicht nur ästhetisch, sondern auch politisch. Und auf einmal kam dieser junge Lüpertz und malte Motive in expressionistischer Manier, malte gar Stahlhelme und Soldatenmantel. Der Mann wusste, wie man seine Zeitgenossen schockiert. 2006 schrieb die Kunstzeitschrift Monopol, Lüpertz sei "mehr noch als Baselitz der Anti-68er". Trotzdem gilt Markus Lüpertz als einer der bedeutendsten deutschen Künstler der Gegenwart und auf internationaler Bühne als wichtigster Vertreter des deutschen Neo-Expressionismus. Wie Beuys polarisiert auch er, wird auch er von der Kunstkritik angefeindet und geschmäht. Ein "gewiefter Selbstdarsteller" sei er, ein "Konsul Weyer der Malerei", der sich prätentiös als Genius inszeniere, mit Gehstock, Zylinder und Spitzbart.

Für Lüpertz hat Lochner schon 2015 eine Ausstellung im Untergeschoss des Dachauer Kaufhauses Rübsamen organisiert. Damals kam der Malerfürst persönlich vorbei, spielte ein Free-Jazz-Konzert, er hielt sogar eine kleine Rede, wozu er sich normalerweise nicht herablässt. Dachau und der "Meister", wie er sich anreden lässt, haben anscheinend auf Anhieb einen guten Draht zu einander gefunden, und hätte es sein Terminplan zugelassen, wäre er wohl auch diesmal wieder nach Dachau gekommen, um vor der Ausstellungseröffnung durch die Altstadt zu flanieren und danach bei einem Bier in der Sonne zu sitzen.

Vor drei Jahren zeigte die Lüpertz-Ausstellung in Dachau dessen Musikplakate: interessante und ansehnliche Arbeiten, aber doch von eher randständiger Bedeutung in seinem Werk. Der Fokus der neuen Ausstellung liegt auf jüngeren und aktuelleren Arbeiten, von Auflageobjekten bis zu großformatigen Unikaten, die (wie auch schon zuvor in der Beuys-Ausstellung) erworben werden können. Entsprechende Mittel natürlich vorausgesetzt. Zu sehen sind Lithografien, Siebdrucke, Linol- und Holzschnitte, des weiteren Radierungen, druckbasierte Unikate mit farbigen Übermalungen, die Lüpertz in eindringlichen, oft expressiv anmutenden Bildern perfektioniert hat, bis hin zu klein- und mittelformatigen Skulpturen. Oft sind es griechische Helden, Odysseus oder Herkules, und auf Sternbildern basierende Motive: "Löwe'"' "Widder" und "Zwilling".

Lüpertz' Œuvre orientiert sich stark an philosophischen, geschichtlichen, mythologischen und literarischen Themen und hat dabei eine ganz eigene Bildsprache gefunden. In gewisser Weise bricht Lüpertz die Genregrenzen auf, kombiniert Elemente von Bildhauerei, des Grafischen und der Malerei. Seine grob geformten, bisweilen nur skizzenhaft ausgearbeiteten Skulpturen werden farbig bemalt, was einerseits guter alter Tradition entspricht, denn die Werke der Antike, die Tempel und steinernen Figuren strahlten früher keineswegs in zeitlosem Weiß, wie man das aus dem Museum kennt, sondern waren bunt angemalt. Andererseits ist die Farbgestaltung bei Lüpertz doch ganz anders als bei den alten Griechen. Er kleidet seine Figuren nicht in Farbe, er kleckst sie an mit grellem Gelb, Rot und Blau, wie auf einer Leinwand, wodurch sie einen modernen, geradezu frechen Touch erhalten; das Archaische der Form bleibt davon jedoch unberührt. Und das ist das Spannende: Er verbindet die Gegensätze von Gegenständlichkeit und Abstraktion zu einer Synthese, zu etwas Neuem.

Auch die Auseinandersetzung des "Meisters" mit dem großen Renaissance-Künstler Michelangelo ist höchst sehenwert. Eine Serie von Lithografien mit dem deutschtümlichen Titel "Michael Engel" zeigt, wie verdichtet Lüpertz Körperlichkeit und Kraft, Sinnlichkeit und Schönheit darzustellen weiß, auch oder gerade wenn es "nur" ein mit eckigem Strich gemalter Torso auf weißem Papier ist.

"Vollendete Form bedeutet das kalte Grauen, totes Angekommensein", sagt Markus Lüpertz. In Dachau kann man ein höchst lebendiges Werk bewundern, das Lochner und sein Team gekonnt in Szene setzen. Für jede Skulptur haben sie einen Sockel aus Holz und Metall gefertigt, die die einzelnen Arbeiten schön zur Geltung bringen, darunter auch den "Maler Genius". Es handelt sich nicht um eine Selbstdarstellung Lüpertz', wie man unterstellen könnte, sondern um eine Skulptur des begnadeten Zeichners Wilhelm Busch. Von ihm heißt es, er sei lebenslang von Selbstzweifeln gequält gewesen.

Markus Lüpertz: "Maler Genius", Kaufhaus Rübsamen Tiefgeschoss, Dachau. Von 22. März bis 15. April. Am Mittwoch, 28. März, findet um 19 Uhr ein "Kunstempfang" statt. Öffnungszeiten täglich 14 bis 19 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr, Samstag bereits ab 11 Uhr. Eintritt frei.

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Quelle:
SZ vom 22.03.2018
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