Markt Indersdorf:Nur der Pfarrer protestiert

Zur launigen Eröffnung der Ausstellung "Wer's glaubt - Glaube trifft Aberglaube" haben Besucher viel zu staunen und zu erzählen.

Von Petra Neumaier, Markt Indersdorf

Kalt weht der Wind die letzten müden Sonnenstrahlen um die mächtigen Klostermauern. Totenstill ruht der Friedhof am frühen Abend der Walpurgisnacht. Bis sich das schmiedeeiserne Tor öffnet und der Kies unter ungezählten Sohlen knirscht. Zwischen Gräbern versammeln sie sich: schwarz gekleidete Frauen mit schaurig bemalten Gesichtern. Spitz und zerknautscht sind ihre Hüte, zottelig und mit allerlei Tand geschmückt ihre Reisigbesen, die sie jetzt schwingen, in stillem Rhythmus um sich drehend. Für Pfarrer Stefan Hauptmann ist der Anblick wohl zu viel: Aus dem geöffneten Fenster seiner Wohnung jagt er die Horde lautstark davon - zurück auf den Vorplatz, wo sich zur Ausstellungseröffnung "Wer's glaubt ... Glaube trifft Aberglaube" vor dem Augustiner Chorherrenmuseum bereits eine große Gästeschar niederlässt.

Die geplante Probe der Indersdorfer Hexengilde, die mit einem Tanz um die hoch lodernden Flammen des Feuerkessels die Veranstaltung einleitet, fällt also aus. Bemerkt hat das niemand. Und der Stimmung bei belegten Broten und kühlen Getränken schadet es auch nicht. Hat doch ein jeder etwas an den Biertischen zu erzählen: von Ringen, Kerzen, Heiligenbildchen und weiteren Glücks- und Heilsbringern im Haus der Großeltern. Nur kurz ist die Scham zuzugeben, dass auch in den eigenen Taschen der eine oder andere Talisman ruht. Fast wie im Wettstreit lehren schließlich Männer wie Frauen ihre Geldbeutel aus. Zum Teil bringen sie so viele Amulette, Schweinchen, Mini-Schornsteinfeger und Glückspfennige zu Tage, dass man sich wundert, ob im Portemonnaie überhaupt noch Geld Platz findet. Darum ist auch anzunehmen, dass nicht wenige der Besucher und Ehrengäste, darunter stellvertretende Landräte, Bürgermeister und Gemeinderäte sowie der CSU-Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath, nicht aus Pflichtgefühl bei der Eröffnung anwesend sind, sondern aus persönlichem Interesse.

Markt Indersdorf: Mit einem Tanz um die lodernden Flammen des Feuerkessels auf dem Museumsvorplatz leiten die Indersdorfer Hexen die Ausstellungseröffnung ein.

Mit einem Tanz um die lodernden Flammen des Feuerkessels auf dem Museumsvorplatz leiten die Indersdorfer Hexen die Ausstellungseröffnung ein.

(Foto: Toni Heigl)

Denn so alt der Aberglaube auch ist, so wenig hat er im Laufe der Jahrhunderte verloren. Deshalb ist es auch gar nicht nötig, dass der Vorsitzende des Heimatvereins, Anton Wagatha, um Verständnis für die Vorfahren bittet, die sich aus Unwissenheit über Naturgewalten und Krankheiten nicht anders als mit Amuletten und Ritualen zu helfen wussten - was der Albersbacher Dreigesang (diesmal zu zweit) mit seinem alten Lied über Hausgeister und Dämonen unterstreicht.

Kurz und bündig ist die Ansprache von Bürgermeister Franz Obesser ("Ich freue mich, dass der Platz so gut genutzt wird"). Ausführlich sind die der Festredner. So lobt Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter das Engagement, die Qualität und Bedeutung des ehrenamtlich geführten Museums und lädt gleich zum internationalen Museumstag am 22. Mai ein. Katharina Osterauer geht inhaltlich auf das Thema der Ausstellung ein. Die Buchwissenschaftlerin hat für das hochinteressante Begleitbuch zu den Exponaten auch das Vorwort geschrieben. Für sie ist Aberglaube ein universelles Phänomen und der Kollateralschaden beim Bemühen, die Welt berechenbar zu machen. "Magisches Denken", sagt sie schließlich angesichts des steigenden Esoterikmarktes, "lässt sich auch heute noch leicht provozieren."

Markt Indersdorf: Anton Wagatha, der Vorsitzender des Heimatvereins, bittet die Ausstellungsbesucher um Verständnis für die abergläubischen Vorfahren.

Anton Wagatha, der Vorsitzender des Heimatvereins, bittet die Ausstellungsbesucher um Verständnis für die abergläubischen Vorfahren.

(Foto: Toni Heigl)

Für Alexander Wandinger, Leiter des Trachten Informationszentrums des Bezirks Oberbayern, stellt sich außerdem nicht die Frage, ob man an Glücksbringer und Unheil-Abwender glaubt oder nicht. "Früher hatte man gar keine andere Möglichkeit." Darum bittet auch er nicht über die Exponate zu lächeln, sondern sich vielmehr in die damalige Zeit zurückzuversetzen - "anders funktioniert die Ausstellung nicht".

Die Besucher sind auch nicht belustigt. Vielmehr bestaunen sie die liebevoll von Brauchtumsreferent Robert Gasteiger und Hans Kornprobst, Experte für das Indersdorfer Chorherrenstift, bestückten und beschrifteten Vitrinen. Der überwiegende Teil der Exponate stammt sogar aus dem Landkreis, wie die herrlichen Dachauer Trachtenbrautkronen (sollen böse Geister abwenden), Gebärflascherl und Wehenkreuze (zwecks weniger Schmerzen) sowie Ringe für allerlei Heil und Glück. Sogar ein Bauopfer ist zu sehen - eine einst im Kamin eingemauerte Katze zur Abwehr von Hexen. Sie wurde beim Umbau eines Hauses in der Kreisstadt gefunden. "Das Drudenmesser kenn' ich noch vom Großvater", "Meine Mutter trug auch so ein Medaillon" und ähnliches ist immer wieder beim Schlendern durch die Ausstellung zu hören. Ebenfalls das Geständnis, dass man selbst dieses und jenes noch besitze. Aber natürlich nur als Erinnerung und nicht, weil... Wer's glaubt!

Die Ausstellung "Wer's glaubt - Glaube trifft Aberglaube" im Indersdorfer Augustiner Chorherren Museum ist bis Sonntag, 11. September, zu sehen. Öffnungszeiten: Freitag und Samstag, 13 bis 16 Uhr. Sonntag von 13 bis 17 Uhr. Führung sonntags, 14 Uhr, mit Robert Gasteiger. Weitere Termine nach telefonischer Anmeldung (08131/817 65 oder 08136/80 19 38).

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