Markt Indersdorf:Maloche statt Mathe

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Die Gemeinde Markt Indersdorf wollte das ehemalige Lehrerhaus in Niederroth verkaufen. Jetzt sanieren Schüler das marode Gebäude, das zu einem Kulturzentrum werden soll - von dem Projekt profitieren auch die Bürger

Robert Stocker

Arbeiten können sie, die Burschen. Ruckzuck haben sie am Gebäude das Gerüst aufgestellt. Der Auftrag lautet Dachsanierung. Marode Platten herunterholen, auflatten und alles neu eindecken. Unter sengender Sonne wuseln sie auf dem Satteldach des alten Hauses in Niederroth herum. "Ich brauch' noch ein paar Platten", ruft einer seinem Schulkameraden zu. "Die haben einen Wettbewerb daraus gemacht, wer mit seiner Dachseite schneller fertig ist", freut sich Bauleiter Paul Böller, der auch Jugendreferent der Gemeinde ist und mit solchen Projekten Erfahrung hat. Er führt ein kleines Bauunternehmen und kennt sich mit Sanierungen aus. Sein jovialer Umgangston gefällt den Jugendlichen. "Ein begnadeter Anschaffer", sagt Schulleiter Thomas Frey mit einem Augenzwinkern.

Für die pädagogischen Aspekte des Projekts ist Stefan Allmann zuständig. Der freischaffende Künstler und handwerkliche Allrounder arbeitet schon seit Jahren mit der Mittelschule Indersdorf zusammen. Er betreut die "Schulwerker" in der achten Jahrgangsstufe, die lieber hämmern und sägen als Mathe büffeln. Praktisches Arbeiten ist ihr Ding. Still sitzen und zuhören weniger. Wenn sie sich später um einen Job bewerben, werden sie nicht mit ihren Noten glänzen. Aber sie wissen, wie man mit Wasserwaage und Schraubstock umgeht. Handwerksbetriebe zum Beispiel schätzen das. Diese Jugendlichen werkeln in Niederroth begeistert mit. "Erweiterte vertiefte Berufsorientierung" heißt das im Beamtendeutsch, was die Indersdorfer Schüler hier treiben. Sie absolvieren Praktika und erhalten Einblicke ins Berufsleben - in das, was sie später draußen erwartet.

Das Projekt in Niederroth ist dafür bestens geeignet. Es geht um die Sanierung des alten Lehrerhauses, das seit etwa zehn Jahren leer steht. In dem gemeindeeigenen Gebäude mitten im Indersdorfer Ortsteil Niederroth wohnten früher die Pädagogen, die in der Dorfschule unterrichteten. Als die große Verbandsschule in Markt Indersdorf eröffnet wurde, war die Niederrother Dorfschule überflüssig. Auch das Lehrerhaus verlor seine Funktion. Zuletzt wohnte hier ein älteres Ehepaar, das in dem Haus eine günstige Bleibe fand. Dann stand das in den Jahren 1927/28 erbaute Anwesen lange Zeit leer. Um ein Haar hätte es die Gemeinde gewinnbringend verkauft. "Auf dem großen Grundstück könnte jetzt ein Mehrspänner stehen", sagt Andreas Geier. Er sitzt für den Niederrother Bürgerblock im Gemeinderat und leitet den Förderverein der Mittelschule Indersdorf. Besonders die Niederrother wehrten sich gegen einen Verkauf und führten im Gemeinderat einen Umschwung herbei. Schließlich verständigten sich alle Fraktionen darauf, das Lehrerhaus nicht zu verkaufen und es für öffentliche Zwecke zu nutzen. Es soll sich in ein kleines kulturelles Zentrum verwandeln, in dem Vorträge und Seminare gehalten werden. Auch Vereine oder Senioren könnten die Räume für Treffen nutzen. Und natürlich die Schule selbst, etwa für Workshops und Arbeitsgemeinschaften.

"Lebensraum Lehrerhaus - Bildung und Kommunikation" heißt das Projekt, das Schule und Gemeinde jetzt gemeinsam schultern. Kultusministerium und Agentur für Arbeit teilen sich die Personalkosten für die Berufsorientierung von 40 000 Euro; die Gemeinde bezahlt das Material und übernimmt die Kosten für die Handwerker, die den Schülern zur Seite stehen. Die Gemeinde wird voraussichtlich 120 000 Euro für das Projekt aufbringen müssen. Der Verkauf des Anwesens in zentraler Lage dagegen hätte der Gemeinde eine hübsche Summe gebracht. Den Antrag von Schulleiter Thomas Frey, Schüler für die Sanierung des Gebäudes einzusetzen, sieht Bürgermeister Josef Kreitmeir heute als "tolle Idee". "Die Schüler kommen aus der Theorie heraus und wissen dann, was sie draußen erwartet", sagte er bei der Vorstellung des Projekts. "Das verlangt Durchhaltevermögen, aber es flutscht."

Auch für Rektor Frey ist es "ein lange angelegtes Projekt", das bis zum Jahr 2016 dauern wird. Nach dem Eindecken des Daches, bei dem gerade die Weichser Zimmerei Rottmair hilft (einige Schüler machen dort ein Praktikum) folgen die Installationen und die Putzarbeiten. So erhalten die Schüler Einblicke in mehrere Handwerksberufe wie Zimmerer, Installateur, Fliesenleger oder Maler. Sie erwerben sich fachliche und soziale Kompetenzen, übernehmen Verantwortung und haben das Gefühl gebraucht zu werden. Andererseits schaffen sie einen Wert für die Allgemeinheit, weil das Haus nach seiner Sanierung allen Bürgern offensteht. "Das ist eine echte Win-Win-Situation", ist Andreas Geier überzeugt.

Dass das überregional bedeutende Projekt zustande kam, ist laut Schulleiter Thomas Frey der Tatsache zu verdanken, "dass Herr Allmann verheiratet ist." Dessen Frau sei auf die Idee gekommen, das leer stehende Haus von den Schülern sanieren zu lassen. Frey: "Das ist eine wunderbare Aufgabe für uns."

© SZ vom 27.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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