Markt Indersdorf/Haimhausen:Bussis und Besenhiebe

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Am Unsinnigen Donnerstag derblecken die Hexen in Indersdorf Franz Obesser vor hundert Schaulustigen. In Haimhausen präsentieren sie Peter Felbermeier eine lustige Nachrichtensendung. Auch in Erdweg und Karlsfeld werden die Rathäuser gestürmt - und die Krawatten der Bürgermeister gestutzt

Von Benjamin Emonts, Markt Indersdorf/Haimhausen

Sie haben keine dunkle Wolken, sondern Sonne und frühlingshafte Temperaturen heraufbeschworen. Die Indersdorfer Hexen reiten mit ihren langen Röcken und modrigen Umhängen um ein Feuer, als Bürgermeister Franz Obesser (CSU) vor Angst bereits bibbert. Oberhexe Gisela zerrt den Bürgermeister nach dem heißen Tanz vorbei an Besen und schaurigen Fratzen in den Großen Sitzungssaal, wo Blasmusik und 100 Schaulustige warten. Die Stimmung im Rathaus ist feucht-fröhlich. Die Meute kann es kaum erwarten, dass dem Bürgermeister so richtig eingeheizt wird.

Seit nunmehr 37 Jahren sind der Marktplatz und das Rathaus am Unsinnigen Donnerstag fest in der Hand der Indersdorfer Hexen. Nur vereinzelt haben sich lebensmüde Männer auf den Weiberfasching gewagt. Obesser aber hat keine Wahl, er muss sich den Hexen stellen. Als sie traditionell seine Krawatte abschneiden wollen, kommt es zum Eklat: Obesser hat einen Draht in seine Krawatte gesteckt, um den diabolischen Akt zu verhindern. Aber nicht mit den Hexen. Der Schlips ist kurz danach ab.

Gründungshexe Sonja ist ganz außer sich vor Wut. Trotz Navi ist sie zu spät, weil sie den vollmundig angekündigten, neuen Indersdorfer Marktplatz partout nicht finden konnte. Drei Bürgermeister habe sie schon verschlissen, von Hans Strixner über Josef Kaspar bis hin zu Josef Kreitmeir, so lautet ihre Drohung. Will Obesser nicht das gleiche Schicksal erleiden, so sollte er schleunigst ein Neubaugebiet für junge Indersdorfer ausweisen: den "Hexen-Acker". Die forsche Hexe Sonja fordert gar den "Hexit" nach britischem Vorbild. Sie will sich künftig nur noch die Rosinen rauspicken, keine Steuern bezahlen und eine eigene Hexen-Währung einführen - zu Kreditverhandlungen mit dem Bürgermeister sei man jederzeit bereit. Pressehexe Chris macht sich über die kläglichen Versuche der Gemeinde lustig, eine Partnerstadt zu finden. Der Indersdorfer wolle grundsätzlich italienischen Wein und Pizza anstatt schlechtem Bier und Gänsefleisch aus Polen. Einer Gemeinde in Südtirol sei Indersdorf zu arm gewesen. Und Altbürgermeister Kreitmeirs Besuch in Ungarn begleitet von nur einem Touri - na ja, daraus konnte sowieso nichts werden.

Der George Clooney von Indersdorf

Doch nicht alle Weiber sind Obesser übel gesonnen. Die naturblonde Hexe Martina steht wirklich krass auf den Bürgermeister - den "George Clooney" der Gemeinde. Mit verliebtem Blick flüstert sie ihm zu: "Den Hexn gfoist du nach wie vor, du bist einfach attraktiv von Zeh bis Ohr." Hexe Claudia sieht das allerdings anders. "Der Bürgermeisterkörper war scho amoi besser in Schuss", hält sie entgegen. Und überhaupt: Obesser sehe man meist nur beim Händeschütteln oder in der Zeitung. In der Gemeinde aber gehe kaum was voran außer dem Breitbandausbau, mit dem sich der Bürgermeister besonders gerne schmückt. "Für die nächste Wahl, do sieg i schwarz", sagt Hexe Claudia. "Täglich flippst du drei Mal aus - und sehnst dich nach dem Irrenhaus."

Am Unsinnigen Donnerstag treiben überall im Landkreis Hexen ihr Unwesen. (Foto: Toni Heigl)

Shuttle-Service zwischen Haimhausen und Hamburg

Den Bürgermeister der Gemeinde Haimhausen, Peter Felbermeier (CSU), hat es nicht ganz so schlimm erwischt. Gut, seine Krawatte ist den Otterhexen - so nennen sich die Haimhausener Weiber - auch zum Opfer gefallen. Aber zumindest der Vergleich mit George Clooney bleibt ihm erspart. Die neun Haimhausener Hexen - und die kleine Nachwuchshexe Lea - gehen stattdessen mit einer originellen Nachrichtenübertragung auf Sendung und haben eine Zeitung produziert: die Haimhausener Fake-Nachrichten. Der Baubeginn des Radwegs von Haimhausen nach Ampermoching und die erforderlichen Baumfällungen im Ottershausener Wald werden sich demnach hinauszögern, bis die dort lebenden Fledermäuse ausgeschlafen haben. Aus der Rückkehr der Haimhausener Kirchenorgel, die in Hamburg seit einem Jahr repariert wird, soll so schnell nichts werden. In der Hansestadt ist der wunderschöne Klang der Orgel offensichtlich so gut angekommen, dass sie nun in der neu gebauten Elbphilharmonie eingesetzt werden soll. Als Trostpflaster stellt die Gemeinde aber einen Shuttle-Service zwischen Haimhausen und Hamburg in Aussicht.

Zu den Top-News zählt der Ausbau der Alleestraße. Etwa 150 Bäume wurden nach einem Bürgerentscheid dort abgeholzt, um die Straße auszubauen. Autofahrer erleben seither immer wieder Schrecksekunden, weil sie sich plötzlich nicht mehr auskennen und planlos umherirren, so verkündet die Nachrichtensprecherin. Die Hexen proklamieren daher den neuen Namen der Alleestraße: den "Alle-Bäume-Weg". Erstaunlich auch, was sportlich in der Gemeinde geboten wird. Die Haimhausener haben zahlreiche Trendsportarten neu erfunden: das winterliche Gehsteig-Eisballett, den olympischen Schlaglochweitsprung, den Mülltonnenslalom (immer donnerstags) oder den Hundehaufenslalom, für den unzählige Trainingsflächen bereit stehen.

Beim Haimhausener Weiberfasching erobern Otterhexen das Rathaus und Bürgermeister Peter Felbermeier. (Foto: Toni Heigl)

Am Nachmittag verbreitete sich die Nachricht, dass auch die Rathäuser in Karlsfeld, Erdweg und Röhrmoos von ortsansässigen Hexen gestürmt und eingenommen wurden. Panische Fluchtversuche der männlichen Mitarbeiter waren vergeblich. "Schnipp, schnapp und die Krawatte war ab", wurde aus dem Karlsfelder Rathaus vermeldet.

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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