Süddeutsche Zeitung

Markt Indersdorf:Ein Gefühl von Ohnmacht

In der Indersdorfer Notunterkunft für Asylbewerber ist Ruhe eingekehrt. Die Flüchtlinge wollten sich in ihrer Unzufriedenheit Gehör verschaffen - das Landratsamt will jetzt Verpflegung und sanitäre Anlagen verbessern

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

Die Lage in der Indersdorfer Notunterkunft Tennishalle hat sich nach dem Tumult von Asylbewerbern wieder entspannt. Die Flüchtlinge aus Afrika hatten am Donnerstagnachmittag einen Großeinsatz der Polizei ausgelöst, weil sie auf dem Gelände der Tennishalle protestierten. Grund für den Aufruhr waren Unzufriedenheit mit der Verpflegung und der sanitären Versorgung. Der Landkreis versucht nun im Rahmen seiner Möglichkeiten, auf die Forderungen der Flüchtlinge einzugehen. Eine defekte Dusche wird schnellstmöglich repariert. Isabell Sittner, Asylkoordinatorin im Landratsamt, traf sich noch am Freitag mit dem Caterer, der das Essen nach Indersdorf liefert. Sie wollte klären, inwieweit die Änderungswünsche beim Essen berücksichtigt werden können.

Die Lage in der Indersdorfer Notunterkunft sah am Donnerstagnachmittag zunächst bedrohlich aus. Viele der derzeit 77 Bewohner rüttelten am Zaun und schmissen Bänke und Betten über die Absperrung, wie Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes berichteten. Diese alarmierten die Dachauer Polizei, die wegen der großen Zahl der Protestierenden Einsatzkräfte aus benachbarten Inspektionen um Hilfe bat. Als die Beamten an der Halle eintrafen, befanden sich noch 30 bis 40 Männer am Zaun. Doch die Lage entspannte sich, als Mitarbeiter des Landratsamts zur Halle kamen. Zu tätlichen Auseinandersetzungen kam es nicht. "Wir konnten sie schnell beruhigen", sagt Asylkoordinatorin Isabell Sittner.

Anlass für den Aufstand der Flüchtlinge ist ihr angestauter Unmut über die Verpflegung. Das Essen liefert ein Caterer, der auch in der Münchner Erstaufnahmeeinrichtung Bayernkaserne und im Landkreis Fürstenfeldbruck die Verpflegung der Asylbewerber übernimmt. Das Essen richtet sich nach den Anforderungen der Menschen muslimischen Glaubens, dem fast alle Flüchtlinge in der Tennishalle angehören. Die 77 Männer stammen aus afrikanischen Ländern wie Senegal, Mali oder Eritrea. Mittags erhalten sie eine warme Mahlzeit, am Abend gibt es eine kalte Brotzeit. Doch die Flüchtlinge wollen täglich zwei warme Essen. "Am liebsten jeden Tag Huhn, Reis und Kartoffeln", sagt Alexander Krug, Stellvertreter des Landrats im Amt und stellvertretender Pressesprecher des Landratsamts. "Wir haben auch beim Essen unsere Vorgaben", erläutert Krug. Das gilt für die Zusammensetzung und die Kosten. "Wir müssen auch auf abwechslungsreiche Kost achten." Asylkoordinatorin Isabell Sittner wollte am Freitag mit dem Caterer klären, inwieweit die Wünsche der Flüchtlinge erfüllt werden können. "Es gibt aber Grenzen", unterstreicht Krug.

Auf dem Gelände der Tennishalle sind vier Sanitärzellen mit Duschen aufgestellt. Seit zwei Wochen läuft in einer Dusche kein warmes Wasser mehr. Der Heizstab in der Dusche ist defekt. Dem Landratsamt ist das Problem bekannt. Seit Tagen versuchen die Betreuer ein Ersatzteil zu bekommen. Doch das scheint nicht leicht zu sein. "Wir arbeiten daran", sagt Alexander Krug. Im Übrigen sei es nicht so gewesen, dass die Asylbewerber wegen der einen defekten Dusche in langen Schlangen vor den Sanitärzellen standen. Krug verweist darauf, dass die intakten Duschen noch ausreichend waren. Seiner Ansicht nach kam es zu dem Aufruhr, weil die Asylbewerber den Eindruck hatten, dass ihnen keiner wirklich zuhört. Fast täglich sind aber Betreuer der Caritas da, die sich um die Sorgen und Nöte der Bewohner kümmern. "Wir helfen und organisieren viele Dinge, ohne dass es die Flüchtlinge mitbekommen", erklärt Asylkoordinatorin Sittner. Krug: "Offenbar hatten die Asylbewerber ein Gefühl der Ohnmacht. Das hat sich in der Gruppendynamik hochgeschaukelt."

Die Indersdorfer Tennishalle ist eine Notunterkunft. Geplant ist, dass die Bewohner sie verlassen, sobald andere Unterkünfte zur Verfügung stehen. So wird demnächst eine Containeranlage für 50 Personen in Vierkirchen fertig; weitere werden bis zum Sommer in Weichs, Petershausen und Altomünster folgen, die teilweise für 75 Menschen ausgelegt sind. In der Tennishalle stehen die Betten der Bewohner dicht gedrängt, Privatsphäre gibt es nicht. "Ich habe schon seit zwei Wochen nicht mehr geschlafen", klagt ein Mann aus Senegal. Ein anderer Bewohner beschwert sich über die schlechte Heizung. Ständig stünden die Oberlichte in der Halle offen. Auch er wird sich freuen, wenn er in einen Container umziehen darf. Doch wenn die derzeitigen Bewohner weg sind, wird sich die Halle wieder füllen. Pro Woche werden dem Landkreis 20 Flüchtlinge zugewiesen.

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SZ vom 30.05.2015
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