Markt Indersdorf:Ein bisschen Weihnachten

50 Asylbewerber und etwa hundert Helfer feiern in Markt Indersdorf ein großes Fest - eingeladen von der Metzgerei Forche. Sie essen und tanzen miteinander und wirken dabei wie eine große Familie.

Von Robert Stocker

Markt Indersdorf: Reggae tanzen ist keine Frage des Alters: Susanne Kersten nimmt einen ihrer Schützlinge an die Hand und zeigt den Jungen, was eine Harke ist. Die anderen Gäste schauen mit Vergnügen zu.

Reggae tanzen ist keine Frage des Alters: Susanne Kersten nimmt einen ihrer Schützlinge an die Hand und zeigt den Jungen, was eine Harke ist. Die anderen Gäste schauen mit Vergnügen zu.

(Foto: Toni Heigl)

Osman strahlt wieder über das ganze Gesicht. Ausgelassen tanzt er am Freitagabend mit seinen Freunden zur Reggae-Musik. Jetzt sieht für ihn die Welt wieder freundlicher aus. Zwei Tage vorher saß der 27-Jährige noch im Gefängnis in Aichach. Die Polizei hatte den jungen Flüchtling aus Sierra Leone aus dem Jugendfreizeitgelände in Ainhofen mitgenommen. Es dient derzeit für 15 afrikanische Asylbewerber als Unterkunft. "Illegale Einwanderung" lautet das Delikt, das die Polizei ihm vorwarf. 400 Euro Strafe kostet das, oder er sitzt 40 Tage im Gefängnis ab. Auch Osman gehört zu den "Boat People", die von Afrika nach Lampedusa übersetzten, eine abenteuerliche und lebensgefährliche Fahrt. Er schaffte es und wanderte nach Italien ein. Vergangenes Jahr kam er von dort nach Deutschland und wurde wieder abgeschoben. Dennoch kehrte er zurück, um hier einen Asylantrag zu stellen. Ein Illegaler also, so ist das Gesetz. Die 400 Euro konnte Osman freilich nicht bezahlen. Das übernahm dann Georg Weigl. Dank des Geldes - einen Großteil spendeten die Helfer und Betreuer aus der freien evangelischen Gemeinde in Indersdorf - kam der junge Afrikaner wieder in Freiheit. Freudestrahlend kam er aus dem Gefängnis heraus, als ihn sein Mentor dort abholte. "Osman war wieder happy", beschreibt es Weigl.

Der Indersdorfer Gemeinderat setzt sich wie viele andere im Ort für die Asylbewerber ein, die seit Monaten in der Tennishalle und seit einer Woche im Jugendfreizeitgelände Ainhofen leben. Als sich die Helfer wieder einmal in der Halle zu einer Besprechung trafen, kam zufällig Herbert Forche vorbei. Der Inhaber eines Metzgereibetriebs in der Nachbarschaft wollte einen Schreibtisch zur Verfügung stellen. Zwar gab es für diesen keine Verwendung, doch Forche machte ein anderes Angebot: Er lud alle Asylbewerber und ihre Betreuer zu einem kostenlosen Essen ein. Das wurde mit Freuden angenommen.

Im Veranstaltungssaal des Metzgerei- und Gastrobetriebs gibt es am Freitagabend ein großes Hallo: 50 Flüchtlinge aus Nigeria, Senegal, Sierra Leone, Mali und Kongo sind gekommen, dazu etwa hundert Betreuer und Helfer, die sich intensiv um ihre Schützlinge kümmern. "Nur ein Asylbewerber fehlt, weil er Zahnweh hat", erklärt Weigl schmunzelnd. Einige haben auch Freunde mitgebracht, die in anderen Orten untergebracht sind. Auf dem Speisezettel stehen Huhn mit Nudeln und Reis, Essen, mit dem auch die muslimischen Gäste keine Probleme haben. Die Helfer haben Trommeln organisiert, mit denen die Afrikaner virtuos umgehen können. Nach dem Essen spielen sie, später gibt es noch eine kleine Theateraufführung, die Heinrich Fitker simultan ins Französische übersetzt.

Heinrich Fitker aus Weichs gehört zu jenen Helfern, die den Flüchtlingen Deutschunterricht geben. Zweimal pro Woche kommt er in die Tennishalle. Das hat auch die Gymnasiallehrerin Jutta Lechtenberg-Diehl gemacht, die jetzt vorwiegend organisatorische Aufgaben übernimmt. Alle Helfer arbeiten ehrenamtlich und mit großem Einsatz. "Es gibt auch einen Kurs für Analphabeten", sagt die Gymnasiallehrerin, die trotz Berufstätigkeit und fünf Kindern Zeit für die Betreuung findet. Die Hilfe für die Asylbewerber sieht sie als "eine Art der Ortsentwicklung": Durch diesen Einsatz lernen sich viele Leute kennen, sie entwickeln ein Miteinander und schauen über den eigenen Tellerrand. Das gilt auch für die Indersdorfer Mittelschüler, die ein Radioprojekt an der Schule betreiben. Auch sie sind am Freitagabend da, weil sie über die Asylbewerber und das Fest am Freitag berichten wollen.

Auch einige Asylbewerber sind inzwischen miteinander befreundet, obwohl sie Muslime und Christen sind - in ihrer Heimat ist das keine Selbstverständlichkeit. "Die sind in Indersdorf und Ainhofen so glücklich, dass sie gar nicht mehr weg wollen", sagt Lechtenberg-Diehl. Doch die Zeit ihres Aufenthalts ist begrenzt. In einigen Wochen werden viele vielleicht schon woanders leben.

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