Süddeutsche Zeitung

Markt Indersdorf:Dieser kleine Laden ist seit 100 Jahren im Geschäft

Sonja und Johann Moser punkten gegen die große Konkurrenz mit regionalen Waren und besonderer Nähe zu ihren Kunden.

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

Eine Kundin betritt um 12.15 Uhr den Laden, in einer Viertelstunde schließt das Geschäft wegen der Mittagspause. "Jim, jetzt brauch' ich erst einmal eine persönliche Beratung von dir", sagt die Dame um die 40. Kein Problem. Jim hat für die Kunden immer Zeit, auch 15 Minuten bevor zugesperrt wird. Jim heißt eigentlich Johann Moser, der zusammen mit seiner Frau Sonja den Laden "Moser's Lebensmittel" an der Dachauer Straße in Markt Indersdorf führt. Jim ist in der Marktgemeinde ein Begriff, alle kennen seinen Spitznamen. Auch viele Kunden nennen ihn so, zu denen er und seine Frau Sonja ein enges Verhältnis haben. Man kennt sich, schon allein deshalb kauft man gern dort ein. Und weil das Geschäft für die alteingesessenen Indersdorfer etwas Besonderes ist.

"Moser's Lebensmittel" ist in der 10 000-Einwohner-Gemeinde das letzte Lebensmittelgeschäft, das noch in privaten Händen liegt. Hundert Jahre besteht es jetzt, und das soll gebührend gefeiert werden. Als das Geschäft 1916 eröffnet wurde, hieß es "Kolonialwarenladen Hack". Das Haus an der Dachauer Straße wurde 1913 erbaut. Auf historischen Aufnahmen ist gut zu sehen, dass der Ortsteil Karpfhofen damals nur sehr spärlich bebaut war. Rosa Hack, geborene Wachter, verkaufte dort nicht nur Lebensmittel, sondern auch Haushaltsmittel, Grassamen oder Kälberstricke - was der Indersdorfer eben so brauchte. Am 4. Januar 1965 kauften Anna und Gottfried Isemann das Haus inklusive Geschäft auf Leibrente. Als Rosa Hack das Geschäft übergab, existierten noch sieben Lebensmittelläden in Indersdorf: Holdenried, Haschner, Götschl, Regenbogen, Kettl und Isemann, der mit Anna und Gottfried Isemann aber nicht in Verbindung stand. "Alle haben uns von dem Laden abgeraten", blickt Anna Isemann heute zurück. Eine Ladenfläche unter 500 Quadratmetern rentiere sich nicht. Doch die Isemanns ließen sich nicht beirren. Das Geschäft etablierte sich. Während alle anderen Lebensmittelgeschäfte mit der Zeit verschwanden, konnte sich der Laden der Isemanns halten.

Regionale Waren im Sortiment

Rosa Hack wohnte weiter in dem Haus, stellte sich aber zu den Veränderungen der neuen Ladenbetreiber nicht quer. Sie erweiterten das Sortiment um Molkereiprodukte; frisches Gemüse und Salate lieferte die Gärtnerei Limmer aus Pipinsried. Das tut sie übrigens heute noch. Mit einem Anbau stieg die Ladenfläche von 56 auf 140 Quadratmeter. Dann änderten die neuen Ladenbetreiber den Großlieferanten. Das Hauptsortiment liefert jetzt nicht mehr ein Augsburger Großhändler, sondern der Genossenschaftsverband Edeka. Die restlichen Waren können frei eingekauft werden.

Viele davon kommen aus der Region - ein Umstand, den die Kunden zu schätzen wissen. Als Sonja und Jim Moser den Laden am 7. Januar 1999 übernahmen, gingen sie konsequent den Weg ihrer Tante weiter. Ihr Mehl beziehen sie von der Arnbacher Mühle, die Sauerkonserven kaufen sie beim Vierkirchener Landwirt Großmann ein, das Bier liefert die kleine Privatbrauerei "Tobiasbräu" im Indersdorfer Ortsteil Ried. Fleisch- und Wurstwaren kommen aus den Indersdorfer Metzgereien, frische Landeier vom Lachner- und Bumbaur-Hof, der Honig stammt aus der Imkerei Fingerhut. Auch der Kaffee wird von einem örtlichen Unternehmen hergestellt: der Rösterei in Jedenhofen. Auf dieses regionale Angebot legen die Mosers wert. Sie dekorieren liebevoll ihre Schaufenster und schreiben Plakate und Einkaufsgutscheine noch mit der Hand. Sonja Moser macht das gern. Schließlich hat sie Schriftenmalerei gelernt. Jim Moser ist eigentlich Sanitär- und Heizungsbauer und sattelte dann auf Maler um. 20 Jahre lang arbeitete er im Geschäft seines Schwiegervaters. Und jetzt führt er seinen eigenen Laden.

Harte Konkurrenz

Doch es ist ein hartes Geschäft. Die Mosers konkurrieren mit den großen Supermärkten, die ein paar hundert Meter weiter im Gewerbegebiet liegen. Diese haben nicht nur werktags, sondern auch am Samstag bis 20 Uhr geöffnet. Das kann ein kleiner Laden mit seinem überschaubaren Personal nicht leisten. Die Stärke von "Moser's Lebensmittel" liegt aber nicht nur im regionalen Angebot. Ein großer Trumpf ist auch die Nähe zum Kunden. Man kennt und vertraut sich und pflegt das Gespräch. Neuigkeiten aus dem Ort machen hier die Runde. Hundert Gramm Aufschnitt, ein bisschen Tratsch darf es auch noch sein. Ein kleiner Einkauf kann schon mal eine Stunde dauern. "Wenn ich zu dir gehe, brauche ich keinen Psychiater mehr", sagen manche Kunden zu Sonja Moser. Ihre älteste Kundin ist 90 Jahre alt. "Die kauft schon ihr Leben lang hier ein", erzählt die Chefin. Kunden, die nicht mehr selbst einkaufen können, werden frei Haus beliefert. Ein besondere Service sind auch die Geschenkkörbe. In Supermärkten gibt es so etwas nicht. Und für die Veranstaltungsplakate der Vereine ist bei "Moser's Lebensmittel" immer ein Plätzchen frei.

"Moser's Lebensmittel" in Markt Indersdorf feiert sein großes Jubiläum am Samstag, 1. Oktober, von 9 Uhr an vor dem Geschäft an der Dachauer Straße. Für die Gäste gibt's Freibier und eine kostenlose Brotzeit, dazu Musik von der Kapelle "Grod No". Von Donnerstag, 29. September an, sind Jubiläumsangebote erhältlich.

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Quelle:
SZ vom 24.09.2016/gsl
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