Markt Indersdorf:Die Biber sind los

Lesezeit: 3 min

Nager-Alarm in Markt Indersdorf: Am Rothbach nistet eine Biberfamilie - und hinterlässt ihre Spuren an den Bäumen. Doch die Behörden sind weitgehend machtlos.

Robert Stocker

Wildschweine pflügen Vorgärten in Großstädten um, Braunbären durchstöbern Schuppen in Alpendörfern - und mitten in Markt Indersdorf herrscht Biberalarm. An einer Uferböschung des Rothbachs am Philosophenweg, der die beiden Ortsteile Kloster und Markt miteinander verbindet, kaum fünfzig Schritte entfernt von der auch nachts relativ stark befahrenen Dachauer Straße, hat sich eine Biberfamilie eingenistet.

In Markt Indersdorf herrscht Biberalarm. An den Bäumen um den Rothbach herum hinterlassen die Nager ihre Spuren - doch davon sind nicht alle begeistert.   (Foto: Marco Einfeldt)

Die Tiere hinterlassen sichtbare Spuren: In einige dicke Bäume haben sich die stattlichen Nager kräftig verbissen, dünnere, von den Bibern bereits gefällte Stämme, liegen im Wasser des Rothbachs herum, der einige Meter weiter in die Glonn mündet. Ein rund 30 Kilogramm schweres Exemplar des Castors, so die wissenschaftliche Bezeichnung des Bibers, ist neulich einem abendlichen Spaziergänger über den Weg gelaufen. Das scheue Tier ist vermutlich mindestens so erschrocken wie der junge Mann selbst, der ein bisschen panisch wurde, weil er in der Dämmerung das große Nagetier für einen kleinen Bären hielt.

Biber sind extrem scheue, eher ängstliche Tiere, obwohl sie keine natürlichen Feinde haben. Früher hat ihnen der Mensch übel mitgespielt, ihr Fell und ihr Schwanz waren begehrte Trophäen. Warum sie sich doch manchmal in die Nähe von Zweibeinern und ihren Häusern wagen? "Auf jedem Komposthaufen liegen die tollsten Sachen, die Tiere fühlen sich hier wie im Frühstückshotel", sagt Claudia Wagner, die im Wasserwirtschaftsamt Freising für den Landkreis Dachau und dessen Gewässer erster und zweiter Ordnung zuständig ist.

Auch mitten in Freising und an der Münchner Museumsinsel hätten sich Biber niedergelassen. Der Rothbach sei ein Gewässer dritter Ordnung, um das sich die Gemeinde kümmere, somit kenne sie die genauen Gegebenheiten dort nicht. Grundsätzlich sei allerdings eines klar: "Biber stehen unter strengem Naturschutz. Auch ihre Lebensstätten dürfen nicht zerstört werden."

Selbstverständlich ist das auch im Markt Indersdorfer Rathaus bekannt, das für den Rothbach zuständig ist. Gemeindearbeiter haben dort einige dickere Bäume mit Drahtgittern umwickelt, die die Stämme vor dem Biberverbiss schützen sollen. "Eher wertlose Bäume lassen wir ungeschützt, wir müssen ja die Lebensgrundlage der Tiere erhalten", sagt der Indersdorfer Bürgermeister Josef Kreitmeir.

Grundsätzlich sei der Umgang mit Bibern eine Gratwanderung zwischen Ökologie und Ökonomie, wobei der Landwirt im Zentrum des Interessenkonflikts stehe. Von Bibern aufgestaute Gewässer überschwemmen häufig angrenzende Felder, die dann für den Ackerbau unbrauchbar werden. Kreitmeir: "Der Bauer will halt keine nasse Wiese, die keinen Ertrag mehr bringt. Andererseits sind Feuchtgebiete ökologisch wertvoller."

Dass Landwirte die streng geschützten Nagetiere auf ihren Äckern und Wiesen nicht gerade willkommen heißen, bestätigt auch Stefan Allmann. Der ehrenamtliche Naturschutzwächter des Landratsamts ist auch "Biberbeauftragter" für die Gemeinden Markt Indersdorf und Schwabhausen. "Mit Landwirten gibt es immer wieder Probleme, obwohl die Verbissschäden auf den Feldern gering sind.

Doch wenn die Tiere Bäche und Flüsse aufstauen und angrenzende Äcker unter Wasser setzen, kann sie der Landwirt nicht mehr befahren." Den Vorschlag, den von Bibern besiedelten Uferstreifen an den Landkreis abzutreten, lehnen die Bauern in der Regel ab, obwohl sie dafür entschädigt werden.

Allmann, und das liegt in der Natur der Dinge, sieht auch die nützliche Seite des Bibers. Das Tier könne auch zum Helfer des Menschen werden, etwa wenn es Bäume fälle, in deren Schatten wertvolle Pflanzen sich nicht mehr entwickeln konnten. Oder wenn es im Oberlauf eines Flusses Dämme baut, die Areale im Unterlauf des Gewässers vor Hochwasser schützen. Als die Biber die ersten Bäume am Rothbach zerlegten, räumten Mitarbeiter des Bauhofs das Bruchholz schnell auf. Sofort machten sich die Tiere wieder ans Werk und nagten weitere Stämme an. Jetzt lässt die Gemeinde das Gehölz liegen, weil die Biber es nicht nur für den Dammbau brauchen, sondern sich im Winter auch davon ernähren.

Den Bestand der Nager im Landkreis schätzt Allmann auf etwa 300 bis 400 Exemplare. An der Glonn und deren Zuflüssen, wo sie offenbar gute Bedingungen vorfinden, fühlen sie sich besonders wohl. Dass sich die Indersdorfer Biber mitten im Ort niedergelassen haben, habe nichts mit der Nähe der Menschen zu tun, sondern mit der Natur an Glonn und Rothbach. "Das ist ein ideales Revier", sagt Allmann. "Wenn es frei ist, wird es besiedelt. Dass es mitten in einer Ortschaft liegt, ist dem Biber völlig egal."

© SZ vom 17.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: