Markt Indersdorf:Der Humor des Sadisten

Michael Lerchenberg bietet überraschende Einblicke in die Abgründe des Komikers Karl Valentin

Von Johannes Korsche, Markt Indersdorf

Karl Valentin - ein Sadist? Das ist eine der überraschenden Einblicke, die Michael Lerchenberg am Sonntagabend in das Leben des Münchner Komikers bietet - und anekdotenreich belegt. Lerchenberg, unter anderem bekannt durch seine langjährige Rolle als Fastenprediger Bruder Barnabas und als Edmund Stoiber beim Singspiel auf dem Münchner Nockherberg, erzählt aus dem Leben Valentins, singt und spielt dessen Dialoge. Der Cellist Jost-H. Hecker und seine Ausflüge in das Werk des "Volkssängers Karl Valentin" runden den gelungenen Abend ab. Lerchenbergs Programm "Karl Valentin - Abgründe eines Komikers" zeigt dabei nicht nur die komische Seite des Humoristen, sondern auch die teils unsympathische Seite des Privatmanns. Lerchenberg hält sein Versprechen zu Beginn: "Viele von Ihnen werden heute einen neuen Karl Valentin kennenlernen."

Lerchenberg überrascht in den folgenden zwei Stunden die 125 Besuchern in der Aula der Mittelschule Indersdorf mit einigen Geschichten aus dem Leben des Münchner Komikers: Valentin habe eine echte Guillotine in seinem Garten stehen gehabt, sei ein überaus erotischer Mensch gewesen, und habe seinen besonderen Sadismus zum Arbeitsprinzip erhoben. All das belegt Lerchenberg mit Auszügen aus Valentins Leben und Werk.

Lerchenberg erzählt von Valentins Lieblingsspiel als Kind, dem "Sanitäterspiel". Der junge Valentin will unbedingt verletzte Altersgenossen versorgen, doch mit Kunstblut und schauspielenden Kindern gibt er sich nicht zufrieden. Es "braucht schon richtige Verletzte, echtes Blut", sagt Lerchenberg. Daher streut der Junge im Sommer Glasscherben aus, so dass sich die barfußlaufenden Kinder die Füße blutig schneiden. Voller Freude stellt Valentin fest, dass von nun an kaum ein Tag vergeht, an dem er auf sein Lieblingsspiel verzichten muss. Als Valentins Mutter davon hört, dass ihr Sohn bereits voller Tatendrang auf eine Totenbahre schielt, bremst sie ihren Jungen schließlich doch aus: "Das geht aber doch zu weit."

Bevor Hecker ein Stück auf dem Cello spielt, kündigt Lerchenberg ein weiteres Beispiel für Valentins "Sadismus auf der Bühne" an. Hecker spielt und singt in der Folge ein Stück, das stetig schneller wird. Wie Valentin scheint auch Lerchenberg Freude an dem sadistischen Arbeitsprinzip zu finden und stellt ein Metronom vor sich: "Schauen wir mal, wer gewinnt." Bei 192 Schlägen pro Minute endet Heckers Ritt über das Griffbrett, was begeisterte "Bravo"-Rufe aus dem Publikum nach sich zieht.

Einen großen Teil des Abends widmet Lerchenberg "Valentin und den Frauen". Die Ehe mit Gisela Royes, einst Dienstmädchen bei Valentins Eltern, sei für Valentin ein "ständiges Drama" gewesen, voller alltäglicher Probleme, die Valentin als "erster deutscher Autor auf die Bühne bringt", sagt Lerchenberg. Auch seine Tochter Gisela erinnert sich an eine schwierige Beziehung: "Als glückliche Ehe kann man sie nicht bezeichnen." Vielleicht liegt das auch an dem Umgangston zwischen dem Ehepaar. Valentin nennt sie schlicht, wenig liebevoll "Frau". Auch hierzu erheitert Lerchenberg die Indersdorfer mit einer kleinen Geschichte. Als Valentins Privatsekretär seinen Klienten besucht, wendet sich der Komiker mit einer Bitte an ihn: "Sagen Sie doch bitte der Frau, die bei mir wohnt, sie möchte mir eine Limonade bringen."

Dabei ist Valentin dem weiblichen Geschlecht grundsätzlich nicht abgeneigt. Im Gegenteil, er habe immer eine große Faszination für Frauen gehabt, besonders für dickere, sagt Lerchenberg. Er sei immer wieder außereheliche Beziehungen eingegangen. Zum Beispiel mit Annemarie Fischer, die später Liesl Karlstadt als Bühnenpartnerin ablösen sollte. Fischer erinnert sich gar an das "Naturereignis" Karl Valentin; an einen Liebhaber mit "viel Spaß in der Sache". Wie wichtig Valentin der Spaß seiner Zuschauer ist, verdeutlicht Lerchenberg anhand eines Zitats des Münchner Komikers: "Wenn die Leute wüssten, wie ernst es mir ist, dass sie lachen." Der Sonntagabend hätte Karl Valentin daher bestimmt sehr gut gefallen; bei so vielen lachenden und begeisterten Zuschauern.

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