Markt Indersdorf:Das Papiertheater modernisiert Jacques Offenbach

Räuber, die sich als Spanier ausgeben, um die Griechen um drei Millionen zu erleichtern - welche die Griechen freilich nicht haben.

Von Deborah Portejoie, Markt Indersdorf

Auch Räuber müssen essen, und das Trinken sei auch nicht zu vergessen. Die Banditen sind knapp bei Kasse und brauchen "ein neues Geschäftsmodell", wie ein Mitglied der Bande sagt. Sie verlangen nach einer "außerordentlichen Betriebsversammlung" mit dem Räuberhauptmann Falsacappa, gesprochen von Gerhard Einhäuser, um zu besprechen, wie es weitergehen soll.

Es hat etwas kindliches, spielerisches, wie die Papierfiguren über die Bühne huschen. Nach rechts, nach links, einige Figuren können sich durch filigrane Technik sogar um die eigene Achse drehen. Wenn die Figuren "singen", wackeln sie hin und her. Szenenapplaus gibt es, als die Papierdamen zu Georges Bizets "Les Toreadors" tanzen und dabei im Takt ihre dünnen Beine heben oder als Reiter auf Pferden vom einen Ende der kleinen Bühne zum anderen galoppieren, dabei kräftig wippend. Das Papiertheater feierte im Biedermeier seine größten Erfolge. Eine kleine Bühne wurde in einem Salon aufgebaut, was Opern- oder Theaterbesuche ersetzte. Das Papiertheater sollte unterhalten und informieren, man könnte sagen, das Papiertheater war das Fernsehen der damaligen Zeit.

Markt Indersdorf: Im neuen Stück "Die Banditen" nach der Operette von Jacques Offenbach geht es ziemlich zur Sache: Es wird getrickst, ergaunert, geblendet und bestochen. Allzu schwer fiel es dem Ensemble des Papiertheaters im Augustiner Chorherren Museum nicht, einen Bezug zur Gegenwart herzustellen.

Im neuen Stück "Die Banditen" nach der Operette von Jacques Offenbach geht es ziemlich zur Sache: Es wird getrickst, ergaunert, geblendet und bestochen. Allzu schwer fiel es dem Ensemble des Papiertheaters im Augustiner Chorherren Museum nicht, einen Bezug zur Gegenwart herzustellen.

(Foto: Toni Heigl)

Eine ähnliche Größe wie ein Fernseher hat die Bühne des Papiertheaters des Theatrum Augustinum in Indersdorf auf jeden Fall. Kein Wunder, dass Besuchern empfohlen wird, ein Opernglas mitzunehmen, um die kleinen Figuren auch aus den hinteren Reihen gut sehen zu können. Der Aufführungsraum im Augustiner Chorherren Museum ist bei der Premiere des neuen Stücks "Die Banditen" so voll, dass einige Zuschauer auf Tischen an der Wand sitzen.

Auch die Maut wurde in das bald 150 Jahre alte Stück eingearbeitet

Gar nicht kindlich ist das Thema der Operette: Eine Räuberbande möchte drei Millionen Euro ergaunern und überlegt sich dazu einen listigen Plan. Sie stiehlt die Kleidung einer spanischen Delegation, die auf dem Weg nach Griechenland ist, um Schulden einzutreiben. Einen Schuldenerlass hat es gegeben, da der griechische Prinz Diamanti, gesprochen von Klaus Hochgesand, sich einverstanden erklärt hat, die spanische Prinzessin Flamenca, gesprochen von Barbara Kaut, zu heiraten. Die Räuber wollen sich als die Spanier ausgeben und so die drei Millionen Euro selbst einsacken.

Markt Indersdorf: Indersdorfer Ensemble: Klaus Hochgesand, Wibke von Beust, Gerhard Einhäuser, Barbara Kaut, Christl und Hans Haschner Sybille Schiller und Rasso Kaut.

Indersdorfer Ensemble: Klaus Hochgesand, Wibke von Beust, Gerhard Einhäuser, Barbara Kaut, Christl und Hans Haschner Sybille Schiller und Rasso Kaut.

(Foto: Toni Heigl)

Die Originalversion der Operette von Jacques Offenbach, 1869 in Paris zum ersten Mal aufgeführt, wurde ein wenig abgeändert. Begriffe, Menschen und Ereignisse der heutigen Zeit werden in das oft satirische, lustige Stück eingewebt. "Ich als Boss komm als Schäuble daher", denn das würde die Griechen ärgern, sagt Falsacappa. Auch die Dobrindt-Maut wird in das bald 150 Jahre alte Stück eingearbeitet. Der gesamte Teil der Operette, der in Griechenland spielt, nimmt die griechische Finanzkrise der letzten Jahre auf und ist mit vielen Vergleichen und Anspielungen versehen. Auch die Griechen in "Die Banditen" haben finanzielle Probleme. Nur noch knapp über 1000 Euro besitzen sie, viel zu wenig, um ihre großen Schulden zu begleichen, und ein Großteil des restlichen Vermögens soll dazu verwendet werden, den spanischen Schatzmeister Graf Cassis, gesprochen von Rasso Kaut, zu bestechen. Dass es sich bei dem spanischen Schatzmeister, der dem griechischen Finanzminister, gesprochen von Wibke von Beust, gegenübersteht, aber um den Räuberhauptmann Falsacappa handelt, finden die Griechen erst zum Schluss heraus.

Politische Satire in Offenbachs Werken

Wibke von Beust spricht als Conferencier auch erklärende Worte zwischen den Akten. Mit einem charmanten französischen Akzent gibt sie dem Publikum Hintergrundinformationen zu Jacques Offenbach und der damaligen Zeit. So sei Offenbach nach dem Ausbrechen des Deutsch-Französischen Krieges 1870 von den Franzosen als Spion von Bismarck beschimpft worden, in Deutschland sah man in ihm einen Landesverräter. Erfolgreiche Tourneen durch England und Amerika, die ihm viel Geld einbrachten, seien sein Trost gewesen, da er davon bei seiner Rückkehr nach Paris seine Schulden abbezahlen konnte. Auch betont sie die politische Satire, die in Offenbachs Werken durchscheine. "Jacques hätte sich Brexit-Johnson, Le Pen oder das blonde niederländische Fallbeil vorgenommen", sagt sie.

Viele der am Papiertheater des Theatrum Augustinum Mitwirkenden stammen aus Indersdorf. Das Ehepaar Barbara und Rasso Kaut bemüht sich, die Tradition des Papiertheaters am Leben zu halten. Gerhard Einhäuser war früher Chefarzt am Krankenhaus, und auch der Indersdorfer Schreiner Hans Haschner, der die Bühne gezimmert hat, spricht die Rolle eines Räubers. Ein wahres "Indersdorfer Gesamtkunstwerk" also, wie Rasso Kaut sagt.

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