Manfred Moosauer:Der Zeitreisende

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Manfred Moosauer entdeckt das 3500 Jahre alte Troja im Ampertal, baut ein "Bronzezeit Bayern Museum" und ist auch mit 70 noch auf der Jagd nach den Geheimnissen der Menschheitsgeschichte.

Von Helmut Zeller

Unter der Sonne Griechenlands hockt ein 69-jähriger Mann vor einem Holzstoß im Garten seines Hauses und beobachtet einen Großen Eisvogel. Der Schmetterling verharrt reglos auf einem Holzscheit. Zwei Tage lang studiert Manfred Moosauer das Insekt. Er schießt beeindruckende Fotos von dem Edelfalter mit orangefarbenen, sichelmondförmigen Flecken am Flügelrand. Diese Szene führt zu einer ersten Annäherung an den Menschen Moosauer: Von Kindesbeinen an treibt den Arzt aus Haimhausen die Neugierde des Forschers und Entdeckers um. Mit der Geduld des Jägers spürt er den Geheimnissen der Menschheitsgeschichte nach - und sein Name wird heute in einem Atemzug mit dem legendären Troja-Ausgräber Heinrich Schliemann genannt.

Im Jahr 1998 bringt Manfred Moosauer die Fachwelt zum Staunen: Zusammen mit seiner Mitstreiterin Traudl Bachmaier entdeckt er bei Bernstorf im Landkreis Freising die vermutlich bedeutendste Siedlung der Bronzezeit nördlich der Alpen. Eigentlich sucht er Spuren der frühgeschichtlichen Eisenverhüttung. Doch gibt es da die Sage von einer versunkenen Stadt in diesem Gebiet - und Moosauer glaubt an die Kraft von Träumen. Bei Ausgrabungen werden die Reste einer Stadt freigelegt und sensationelle Relikte gefunden - darunter Bernstein mit einem eingeritzten Gesicht und mykenischen Schriftzeichen, ein Kronendiadem Anhänger, Nadeln aus ägyptischem Gold.

Das "Troja im Ampertal" ist mit 14 Hektar Fläche fast so groß wie das Troja des Kaufmanns Schliemann und war ein Zentrum der Welt vor 3500 Jahren mit merkantilen, kulturellen und religiösen Verbindungen bis zur Ostsee und dem Niltal. Für renommierte Wissenschaftler ist der Fund Moosauers bedeutend wie Himmelscheibe von Nebra, die früheste bekannte Himmelsdarstellung der Menschheitsgeschichte. Doch Manfred Moosauer sah sich heftigen Anfeindungen von Berufsarchäologen ausgesetzt. Dilettantismus und gar Fälschung wurden ihm vorgeworfen - doch inzwischen sind die gehässigen Stimmen der Neider aus der akademischen Konkurrenz-Arena verstummt. Moosauer, ein Vertreter der eher selten gewordenen Spezies der Freigeister, ließ sich nicht beirren und entmutigen.

Apropos Hobbyarchäologe: Gerade auch in der Geschichte dieses Fachs kamen Anstöße und Fortschritte von Autodidakten, die den Mut hatten, Konventionen und Grenzen zu überschreiten. Was bleibt ist das "Troja im Ampertal" und der Name seines Entdeckers und Erforschers, der am 13. November 1943 bei Landshut als Sohn eines Landlehrers geboren wurde - und sich heute, an seinem 70. Geburtstag, auf den zweiten Schritt freut. Im Frühjahr 2014 wird sein "Bronzezeit Bayern Museum" in der Gemeinde Kranzberg eröffnet werden. In dem Museum wird in einem 3-D-Kino-Medienraum sowie durch dreidimensionale Idealrekonstruktionen und realen Exponaten die Welt vor 3500 Jahren auferstehen. Dazu kommt im ehemaligen Kindergartengebäude ein Museum herkömmlicher Art aus den Beständen der schon bestehenden Sammlung. Die Kinder werden unter der Obhut des Museumspädagogischen Zentrums München durch die Bronzezeit und alle Epochen der Menschheitsgeschichte geführt.

Zugute kam der Sache Moosauers nicht gering ausgeprägte Geschicklichkeit, wenn es darum geht, Sponsoren und staatliche Zuschüsse zu gewinnen. Die Finanzierung des Museums, das um die 600 000 Euro kosten wird, ist gesichert. Staatsminister Ludwig Spaenle und sein früherer Kabinettskollege Wolfgang Heubisch nehmen persönlich großen Anteil an den Plänen Moosauers. Nicht etwa weil sie den Parteifreund unterstützen wollen. Moosauer sitzt für die CSU im Haimhausener Gemeinderat, rückt aber der Obrigkeit auf den Pelz, wenn er es für nötig hält. Wie 1981 für den Umweltschutz. Der langjährige Ortsvorsitzende des Bundes Naturschutz verhinderte den Bau einer gigantischen Mülldeponie nur einen Kilometer östlich von Haimhausen. Um den natürlichen Flusslauf der Amper wieder herzustellen, bearbeitete er die Grundstückseigentümer so lange, bis sie zum Verkauf von 61 Hektar Flusswiesen bereit waren. Kaum jemand, Geschäftsmann oder Politiker, kann sich dem Werben Moosauers entziehen.

Das kommt von seiner Leidenschaft und Überzeugungskraft - die wurzeln, um das Bild seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit zu vervollständigen, in einer besonderen Gabe. Manfred Moosauer handelt aus einer tiefen Ehrfurcht vor der Schöpfung. Das ist keine Attitüde. Davon ist sein Denken und Fühlen durchdrungen. Einer wie Moosauer vermisst schmerzhaft den verloren gegangenen Gleichklang von Mensch, Tier und Natur. So einer will in unbändiger Begeisterung die ganze Welt umarmen - und findet sie auch in der Betrachtung eines Eisvogels. Nicht von ungefähr. In der griechischen Antike war der Schmetterling Sinnbild der Seele und des Lebens.

© SZ vom 13.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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