Malerei:Goldene Inspiration

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Der Odelzhausener Künstler Reinhard Kawan setzt sich intensiv mit der österreichischen Jugendstil-Ikone Gustav Klimt auseinander. Dessen Werke werden aber nicht bloß kopiert, Kawan möchte auch seine eigene künstlerische Botschaft aussenden

Von Christiane Bracht, Odelzhausen

Gold lockt - auch Reinhard Kawan ist verzaubert von dem warmen, weichen Glanz. "Diesen Schimmer kann keine andere Farbe erzeugen", schwärmt er. Und so haben es ihm vor allem die üppig mit Gold belegten Bilder von Gustav Klimt angetan. Zweieinhalb Jahre hat der Odelzhausener Künstler sich nun intensiv mit Leben und Werk der österreichischen Jugendstil-Ikone beschäftigt. Aber keineswegs nur in Museen, Büchern oder dem Internet. Kawan ist so tief eingetaucht, dass er quasi schon in Klimts Haut gekrochen ist.

Drei Gemälde des berühmten Malers hat der 58-Jährige nun wieder auferstehen lassen: Die Fakultätsbilder "Medizin", "Philosophie" und "Jurisprudenz". Am 8. Mai 1945 sind sie auf Schloss Immenhof verbrannt. Die abziehenden SS-Einheiten steckten sie seinerzeit an, um den nahenden sowjetischen Truppen keine Kunstwerke zu hinterlassen. Überliefert sind lediglich Schwarz-weiß-Bilder. "Eine Herausforderung", sagt Kawan. Zu guter Letzt wagte sich der Odelzhausener sogar an Klimts berühmtestes Werk: den Kuss.

"Diese feinsinnige Art, die Klimt hatte, hat mich angezogen", sagt Kawan. Statt nüchterner Sachlichkeit, wie sie heute modern ist, zelebriert der Jugendstil feine Verzierungen, geschwungene Linien und Ornamente sowie organische Strukturen. "Das imponiert mir sehr. Es ist eine Zeit, in der man sich noch Schnörkel gegönnt hat", schwärmt der Künstler. "Es erinnert mich an Romantik." Diese Begeisterung für Klimt und Jugendstil teilen viele. Doch nicht jeder nimmt gleich den Pinsel in die Hand und malt alles nach. Klar, Klimts Werke sind sehr begehrt. Schon zu Lebzeiten verdiente der Österreicher sehr viel Geld mit seiner Malerei. War das womöglich der Grund, warum Kawan in die Fußstapfen des berühmten Künstlers getreten ist? So manch einer hat sich schon eine goldene Nase verdient an diesen mehr oder weniger guten Kopien - freilich nicht immer legal. Der Odelzhausener weist Derartiges weit von sich. Zwar seien die Gemälde "Auftragsarbeiten" gewesen, so Kawan. Aber er legt großen Wert darauf, dass es keine Kopien sind, sondern "Interpretationen" der berühmten Bilder. "Ich habe mich von Klimt inspirieren lassen."

Aber warum setzt er nicht seine eigenen Ideen um? Den meisten Künstlern ist gerade das besonders wichtig - ebenso wie eine eigene Ausdrucksform zu finden. "Das steht für mich schon auch im Vordergrund", sagt Kawan und zeigt ein paar seiner Werke. Sie sind ganz anders: Er liebt intensive Farben, malt impressionistisch, auch mal abstrakt, aber doch meist im Gegenständlichen verhaftet. Fast immer wählt er weiche Farbübergänge, geschwungene Formen, neuere Arbeiten sind mit Tusche angefertigt. Vieles erinnert an Franz Marc. Vor etwa vier Jahren hatte Kawan sich intensiv mit dem "Blaue-Reiter"-Künstler beschäftigt. Damals malte er den "Turm der blauen Pferde" nach. Auch dieses Bild ist seit dem Krieg verschollen. "Ich habe mich auf die Suche gemacht und es wieder ins Leben gerufen", sagt der Odelzhausener. 2016 stellte er sein Werk unter dem Titel 'Hommage an Franz Marc' im Rathaus aus. "Mir hat die Art der Darstellung gefallen. Es war die Suche nach Ausdruck", erzählt er.

Inzwischen gibt es auch Werke, die an Klimt erinnern. "Ich spüre schon eine tiefe Sehnsucht nach einer Botschaft, die ich ausdrücken will", sagt Kawan. Aber als Künstler habe er auch einen Forscherdrang. "Es macht mir Freude zu experimentieren." Klimt künstlerisch nachzuvollziehen sei schon eine Herausforderung gewesen, erklärt er: "Ich habe sehr viel dabei gelernt - technisch und im Umgang mit den Farben." Vor allem das Gold habe ihn angezogen. "Das Blattgold ist so hauchzart, dass es davon fliegt, wenn nur ein winziger Luftzug zu spüren ist. Es war diffizil, aber auch interessant", schwärmt er. Mehrfach war Kawan in Wien, um den "Kuss" genau zu studieren. "Das war gar nicht so leicht." Das Bild ist ein Magnet vor allem für asiatische Touristen - und meist dicht umlagert. "Der große Meister hat erst die Leinwand mit Gold überzogen und dann darauf gemalt, damit es durch die Farbe durchschimmert, eine lasierende Technik", erklärt der Odelzhausener begeistert. "Es macht Spaß sich auf neues Terrain zu begeben, den Reiz des Unerwarteten auszukosten." So komme man auch auf neue Ideen.

Die "Medizin" war das erste Bild, was ihn in den Bann zog - noch bevor er den Auftrag seines Bekannten bekam. Kawans erste Arbeit mit Gold. Für "Philosophie" und "Jurisprudenz" gab es keine farblichen Überlieferungen, das ließ dem Künstler gewisse Freiheiten. Aber auch in den Details wich er ab. "Die Gesichter im Hintergrund des Originals sind nur angedeutet. Sie sollen Mysterien darstellen", erklärt Kawan. "Ich habe sie konkreter gemalt. Nach 100 Jahren haben wir mehr Klarheit, da kann man sie konkreter fassen." Aber nicht nur die farbliche Gestaltung, auch die Geschichte der Fakultätsbilder, die ja ursprünglich Auftragsarbeiten der Wiener Universität waren, begeistert Kawan. Sie waren sehr umstritten und sollten im großen Festsaal aufgehängt werden. Doch es kam zum Konflikt mit dem Auftraggeber. Klimt malte mehrere Entwürfe, die Kritik der Professoren nahm zu, weil sie die Werke als nicht deckungsgleich mit ihren wissenschaftlichen Errungenschaften erachteten. Vor allem aber stießen sich die Gelehrten an der Nacktheit. Die Gesellschaft vor 100 Jahren war eben bei weitem nicht so freizügig wie die heutige. "Die Zeit vor den Weltkriegen war viel unschuldiger", sagt Kawan und schaut in die Ferne, als wünschte er sich dies zurück. Dann deutet auf den armen Sünder in der "Jurisprudenz", den die drei Rachegöttinnen umlagern fest im Griff der Krake ist. "Sehen Sie, er hat sich selbst als Sünder dargestellt - als Opfer der Kritik", lacht Kawan. "Klimt hatte Humor."

Wenn man sich monatelang mit Marc und Klimt beschäftigt, dann entwickle man "eine gewisse Achtsamkeit, ja Wertschätzung für die Künstler", sagt Kawan. Bei ihm ging das Eintauchen in Leben und Werk Klimts sogar so weit, dass er sich sogar einen Kittel anfertigen ließ, der genauso aussieht wie das Maleroutfit seines berühmten Vorbilds. "Ein Spaß", lacht der Odelzhausener. Aber irgendwie schwingt schon auch ein wenig Stolz mit, wenn er davon erzählt. Seine Augen glänzen und er ist ein Stück gewachsen. Seine Frau sei weniger davon überzeugt, gibt Kawan zu. Sieht der Kittel doch eher aus wie ein langes wallendes Nachthemd. Sogar ein altes Schwarz-weiß-Foto von Klimt hat der Odelzhausener nachgestellt. Darauf steht der Österreicher im Malerkittel mit Katze auf dem Arm vor seinem Haus. Kawan, ebenfalls im Kittel, mit seinem kleinen Yorkshire Terrier "Kiano" im Arm - eben eine Interpretation des Originals.

Und was kommt als Nächstes? Ein Arbeitskollege habe sich für ein Werk von Emil Nolde interessiert, sagt Kawan, der in seinem bürgerlichen Beruf Bautechniker ist. Aber das lehnt den wegen seiner NS-Vergangenheit in Verruf geratenen Künstler strikt ab: "Damit kann ich mich nicht anfreunden", sagt Kawan. Kunst brauche "Freiheit", denn die Muse sei "ein zartes Pflänzchen, ein scheues Wesen, die flieht, wenn man sie einfangen will." Kawan will sich nicht vor den Karren von Auftraggebern spannen lassen. Er sagt: "Die Seele muss es spüren."

© SZ vom 20.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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