Süddeutsche Zeitung

Ludl-Areal in Karlsfeld:Die nächste Ernüchterung

Als markantestes Gebäude auf dem Ludl-Areal ist ein elliptischer Turm vorgesehen. Gekrönt werden sollte er von einer Roof-Top-Bar - doch wie Karlsfelds Gemeinderäte erst jetzt erfahren haben, ist die Idee längst Makulatur

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Insgeheim hatten sich die Gemeinderäte schon hoch über den Dächern Karlsfelds gesehen - sommerlich warme Temperaturen, Sonnenuntergang, einen Cocktail in der Hand, an dem man ab und zu mal nippen kann, etwas Musik im Hintergrund, die ganze Gemeinde im Blick. Doch das bleibt nun ein Traum. Die von den Kommunalpolitikern so heiß ersehnte Roof-Top-Bar auf dem elliptischen Turm, der an der Münchner Straße geplant ist, wird es nun doch nicht geben.

"Es hat sich kein Betreiber gefunden", erklärte Architekt Klaus Kehrbaum, der die Bar auf dem Dach in den Verhandlungen zum Bebauungsplan oft als besonderes Zuckerl angepriesen hatte. Von Investor Lidl ist zu hören, dass die Entscheidung gegen die Bar bereits seit Monaten bekannt gewesen sei - zumindest der Verwaltung und dem Bürgermeister. Die Gemeinderäte haben davon erst jetzt erfahren und sind entsprechend enttäuscht. "Das ist schon das zweite Zuckerl, das nicht kommt", monierte Birgit Piroué (Bündnis für Karlsfeld).

Im Februar war bekannt geworden, dass die Medizintechnikfirma, auf die der gesamte Bebauungsplan abgestimmt worden war, nun doch nicht nach Karlsfeld kommt. Auch das hatten Verwaltung und Bürgermeister vorher gewusst, die Gemeinderäte fielen aus allen Wolken. Dabei schienen die Chancen gut zu stehe. In Passau hatte Architekt Kehrbaum eine solche Roof-Top-Bar realisieren können. "Das wird fantastisch angenommen", sagte er. Der Investor argumentiert jedoch damit, dass Passau viele Touristen habe und Karlsfeld, nun ja, eben Karlsfeld sei.

Natürlich verbreitete sich die Nachricht im Ort in Windeseile. Ein Facebook-Nutzer wusste sofort, dass das Unternehmen 0049 Events durchaus Interesse an einer Roof-Top-Bar gehabt hätte. Geschäftsführer Stefan Schmidl bestätigte dies auf Nachfrage der SZ. Er habe sich aber zu spät von der Option erfahren und deshalb erst vor sechs oder acht Wochen Anstalten gemacht, sich zu bewerben. Der Investor hatte da bereits abgewinkt und teilte ihm mit, dass die Entscheidung bereits gegen eine solche Bar gefallen sei. Mit der Bar auf dem Dach hätte Investor Lidl die Ellipse einen Stock höher bauen dürfen. "Wir hatten gedacht, der Anreiz ist größer", kommentierte CSU-Gemeinderat Bernd Wanka.

Statt mit einer Bar wird das Dach nun mit allerhand Technik zugebaut: Aufzug und Lüftungsanlage brauchen offenbar ziemlich viel Platz. Im Frühjahr soll im Kernbereich des Ludl-Geländes mit dem Aushub angefangen werden, so Architekt Kehrbaum. Dem Bauantrag für die Ellipse, in die Büros einziehen sollen, ein Hotel mit 187 Zimmern dahinter, dem Lidl-Markt, der darunter im Erdgeschoss auf einer Verkaufsfläche von etwa 3000 Quadratmetern sein Sortiment ausbreiten will, sowie Getränkehändler Fristo und einigen kleineren Läden ist jetzt die Genehmigung erteilt worden. Außerdem darf auf 1300 Quadratmetern eine Kindertagesstätte im ersten Stock errichtet werden, die laut Kehrbaum drei Kindergarten- und drei Hortgruppen umfassen wird. Darüber entstehen etwa 40 Wohnungen auf 4000 Quadratmetern. Genehmigt ist auch ein zweigeschossiger Gastronomiebetrieb, der am neuen Muro-Lucano-Platz liegen soll.

Laut Kehrbaum haben sich dafür bereits mehrere Betreiber beworben, unter anderem auch die Bäckerei Ihle. Wer an ein Restaurant oder Eiscafé gedacht hat, wird enttäuscht sein. Der Gastronomiebetrieb wird laut Kehrbaum eher ein "erweitertes Bäckercafé". Aber es wird etwas mehr als das Café, das Ihle bereits an der Münchner Straße betreibt, versichert Bernd Wanka. Es soll bis 22 Uhr geöffnet haben und Mittag- und Abendessen anbieten, allerdings werde es vermutlich kein volles Restaurantkonzept haben, sondern eher Kleingerichte und Snacks offerieren, so Wanka.

Genehmigt hat der Bauausschuss auch eine Tiefgarage mit 240 Stellplätzen und 30 Lademöglichkeiten für Elektroautos. Außerdem wird es unterirdisch 200 Radständer geben und 30 mit Ladegelegenheit für Pedelecs und E-Bikes. Oberirdisch dürfen demnächst 118 Autos geparkt werden und 66 Fahrräder. Zusätzlich gibt es auch hier Lademöglichkeiten für vier E-Autos und 18 E-Bikes.

Sorgen machten sich Franz Trinkl (SPD) und Bernd Wanka (CSU) vor allem wegen der Fassadengestaltung. "Wir haben gelernt, das macht viel aus, wenn es darum geht, ob ein Platz lebt oder nicht, das sieht man ja am Bruno-Danzer-Platz in der Neuen Mitte", sagte Trinkl. Bauamtsleiter Günter Endres wollte dazu in der Sitzung lieber noch nichts sagen. Auf Anfrage erklärte Architekt Kehrbaum jedoch: "Die Ellipse wird eine gläserne Fassade bekommen, das Hotel dahinter wahrscheinlich einen Putz mit Struktur und der Wohntrakt wird Loggias haben." Genaueres müsse noch mit der Gemeinde abgesprochen werden, besonders das Farb- und Materialkonzept. Kehrbaum schwebt ein eierschalenfarbener Putz mit Ornamenten vor und einer horizontalen Kammstruktur. Die Aluminiumteile sollen champagnerfarben werden, die Gläser bräunlich. "In der Neuen Mitte haben wir gelernt, dass knallbunt oder kalt nicht gut ist", erklärt er. Deshalb soll das Ludl-Areal einen "warmen Kubus" bekommen, "changierend von gebrochenem Weiß bis Sandfarben". "Das wird elegant", prophezeit der Architekt. Die ersten Farbmuster sähen die Karlsfelder in etwa zwei Jahren. Das Quartier soll außerdem viel Grün prägen - auch auf den Dächern. 60 Prozent der Dachlandschaft muss laut Bebauungsplan begrünt werden. Der Rest wird wohl Platten bekommen, damit alles leicht gewartet werden kann.

Wenig Begeisterung rief die Idee der Planer hervor, einen großen Trafo an die Ludl-Kapelle zu bauen. Die Gemeinderäte waren sich schnell einig, dass der Freiraum zwischen den Neubauten und der Kapelle auf jeden Fall erhalten werden müsse. Deshalb setzten sie fest, dass der Trafo unterirdisch gebaut werden muss.

Das Bündnis stimmte als einzige Fraktion im Gemeinderat gegen die Baugenehmigung. "Das Baurecht hat sich scheibchenweise immer mehr erhöht", monierte Birgit Piroué. Ursprünglich habe man festgelegt, dass das höchste Haus in Karlsfeld nicht mehr als 24 Meter haben dürfe. Nachdem nun weder die Medizintechnikfirma gekommen sei, noch die Roof-Top-Bar realisiert werde, fühle man sich "über den Tisch gezogen".

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Quelle:
SZ vom 20.07.2020
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