Süddeutsche Zeitung

Lokalpolitik:Bauantrag des Landratsamts löst Kontroverse aus

Die Behörde muss dringend erweitert werden, doch Stadträte und Anwohner sehen das Vorhaben am Weiherweg kritisch.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Es ist eine eher seltene Konstellation, wenn sich das Landratsamt als Bittsteller an die Große Kreisstadt Dachau wenden muss. Nun braucht das Landratsamt mehr Platz und muss als Bauherr wie andere auch, die Stadtverwaltung und die Stadträte um Erlaubnis bitten. Aber tritt es auch wie andere Bauherren auf und wird es so behandelt? Darüber könnten sich die Stadträte streiten. Die einen mögen eine Vorzugsbehandlung auch wegen gleicher Parteizugehörigkeit erkennen, die anderen bestehen auf strikte Neutralität. Nicht unüblich ist es, dass sich Bauherren mit ihren Anliegen an Stadträte wenden. Ungewöhnlich aber ist es wohl, wenn es der Landrat selbst ist, der sich mit einem Brief an alle Stadträte wendet.

"Das ist mir noch nie passiert", sagt Bürgermeister Kai Kühnel, der den Brief als Einmischung empfindet. Er hat das Schreiben im Blog der Bündnis-Fraktion veröffentlicht und ihn Abschnitt für Abschnitt kommentiert. Kühnel stört, dass sich Stefan Löwl (CSU) auf die Berichterstattung der Presse bezieht. Der Landrat hätte dann schon selbst in die öffentliche Sitzung des Bauausschusses Mitte März kommen sollen, sagt der Stadtrat. Seine Fraktion sieht den Standort am Weiherweg für eine Erweiterung grundsätzlich kritisch. Das Vorhaben erscheint Kühnel zu groß. Es würde eine Vorlage für weitere derart groß dimensionierte Bauten am Zauner-Ring geschaffen. Kühnel fürchtet gar, dass am Ende der Hausherr die Räume nicht alle braucht und teuer vermietet. Vor allem aber sieht Kühnel die Interessen der Anwohner gefährdet. Er verweist auf den Brief eines Anwohners, der sich an ihn und Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) richtet. Der Nachbar des Landratsamtes befürchtet, dass sein Grundstück stark verschattet würde und es vor allem durch die Erweiterung und den zunehmenden Verkehr in der gesamten Nachbarschaft sehr viel lauter werden könnte. Er kündigt an, sich notfalls gemeinsam mit anderen Nachbarn gegen den Vorbescheid zu wehren.

In der Sitzung des Bauausschusses hatte Kühnel kritisiert, dass der Landkreis sein Erweiterungsgrundstück an die Sparkasse verkauft hat. Landrat Löwl entgegnet darauf im Telefongespräch: "Das Geld wurde für Schulen und Infrastruktur ausgegeben." In den vergangenen Jahren hat der Landkreis Millionen etwa in den Neubau des Gymnasiums Markt Indersdorf und in Sanierungen am Josef-Effner-Gymnasium investiert. Als nächstes steht ein Neubau mit Turnhalle für das Ignaz-Taschner-Gymnasium an und ein neues viertes Gymnasium in Karlsfeld. Im Gebäude, das die Sparkasse errichtet hat, seien zudem 2000 Quadratmeter Fläche für Behörden geschaffen worden, sagt Löwl.

Baurecht ohne Bebauungsplan

Derzeit arbeiten etwa 240 Menschen am Standort am Weiherweg. Das neue Gebäude soll für etwa 380 Personen ausgelegt sein. "Wir planen für die nächsten 30 Jahre", erklärt der Landrat. Weiterhin ausgelagert bleiben sollen das Jugendamt, das Gesundheitsamt und die Zulassungsstelle. Heftige Diskussionen unter den Stadträten hatte es um die Frage gegeben, ob dem Landratsamt Baurecht ohne einen Bebauungsplan eingeräumt werden könne. Nach der Rechtsauffassung des Stadtbauamts geht das für einen derzeit vorliegenden Plan nicht. Die CSU und andere Fraktionen tendierten in der Mehrheit dazu, es dennoch zu genehmigen. Schon mehrmals hatten die Stadträte zuvor über solche Entscheidungen gestritten. Während Grüne, SPD und Bündnis der Rechtsauffassung des Bauamts folgen, stimmten CSU, FW und andere häufig dagegen.

Doch der Streit kann möglicherweise zumindest in diesem Fall bald beigelegt werden. Nicht nur im Bauausschuss hatte sich bei allen Wenns und Abers die Mehrheit für einen städtebaulichen Ideenwettbewerb und ein geordnetes Bebauungsplanverfahren ausgesprochen. Und so sieht es auch Landrat Stefan Löwl: "Ich sehe ein Bebauungsplanverfahren als wünschenswertes und besseres an", verglichen mit dem Baurecht ohne Bebauungsplan. Dieses könnte zudem für die Bedürfnisse des Landratsamtes möglicherweise nicht ausreichen, sagt Löwl.

Verschiedene Varianten im Gespräch

Entscheiden muss hierüber allerdings der Kreistag. Der soll im Sommer verschiedene Varianten vorgestellt bekommen, er soll auch dann erst abschließend über den zukünftigen Standort abstimmen. Im Gespräch ist etwa noch ein Grundstück am Stadtbahnhof nahe dem MD-Gelände. Allerdings sieht Löwl die Erreichbarkeit hier nicht als zwangsläufig besser an - trotz direktem S-Bahn-Anschluss. Leicht könnte es zu einer Überlastung der Freisinger Straße kommen, die Lage sei komplexer als am Bürgermeister-Zauner-Ring.

Mit den Nachbarn, so beruhigt Stefan Löwl, sei man im Kontakt. So habe es bereits beim Tag der offenen Tür im Landratsamt Gespräche gegeben. Der Verkehrsreferent des Dachauer Stadtrats Volker Koch (SPD) setzt darauf, dass sich die Stimmung nach der vergangenen, von heftigen Diskussionen geprägten Bauausschusssitzung wieder bessern wird. Immerhin habe sich ein Meinungsbild und allgemeine Zustimmung zu zwei vom Landratsamt vorgeschlagenen Varianten ergeben. Das Landratsamt solle ruhig da bleiben und wachsen, wo es ist, findet Stadtrat Koch. "Wir müssen ein bisschen aufeinander zugehen." In der öffentlichen Bauausschusssitzung am Donnerstag, 6. April, wäre dazu Gelegenheit.

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SZ vom 04.04.2017/gsl
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