Löwls Heimspiel:"Karlsfelder wählen Karlsfelder"

Warum der CSU-Landratskandidat Stefan Löwl in der einst roten Hochburg so gut abgeschnitten hat.

Von Gregor SchiegL

Löwls Heimspiel: Einer von uns: Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe beim TSV-Starkbierfest mit dem CSU-Landratskandidaten Stefan Löwl.

Einer von uns: Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe beim TSV-Starkbierfest mit dem CSU-Landratskandidaten Stefan Löwl.

(Foto: Toni Heigl)

Wenige Tage vor der Stichwahl stattete Stefan Löwl dem traditionellen Starkbierfest des TSV Eintracht Karlsfeld noch einen Besuch ab. Dort saß er Seit' an Seit' mit dem triumphal wiedergewählten CSU-Bürgermeister Stefan Kolbe. 460 Besucher und die örtliche Presse konnten den Schulterschluss sehen: Seht her, so war die Botschaft, hier sitzen zwei Gewinner. Löwl zitterte sich zwar erst in der Stichwahl mit einem hauchdünnen Vorsprung von 185 Stimmen zum Sieg. Wäre es aber allein nach dem Votum der Karlsfelder gegangen, Löwl hätte klar gewonnen. Mehr als 57 Prozent der Wähler machten ihr Kreuzchen bei dem CSU-Bewerber.

War da nicht mal was mit der roten Hochburg Karlsfeld? "Das hat sich extrem gewandelt", sagt Hiltraud Schmidt-Kroll. Sie sitzt seit 30 Jahren im Karlsfelder Gemeinderat. Früher waren 16 der 24 Räte von der SPD, in der neuen Wahlperiode werden es nur mehr fünf sein, die CSU stellt die absolute Mehrheit. Die lokalen politischen Verhältnisse färben ab. "Es spielt auch eine Rolle, dass wir jetzt einen CSU-Bürgermeister haben", sagt sie.

Diese Einschätzung teilen auch die Vertreter der CSU. Die Partei habe in Karlsfeld nun eine "gewisse Stabilität", analysiert der Zweite Bürgermeister Wolfgang Offenbeck (CSU). Auch CSU-Fraktionschef Stefan Handl sieht seine Partei in einer starken Position. Schlagworte wie "schwarze Hochburg" will er aber bewusst nicht verwenden. Die Arroganz der Macht ist schon zu vielen CSU-Gliederungen zum Verhängnis geworden. Auch die mächtige SPD, die jahrzehntelang in Karlsfeld regierte, wurde am Ende für ihre Hybris bestraft.

Das ist nicht der einzige Grund, warum Löwl in Karlsfeld ein Heimspiel hatte. Löwl hat seinen Wohnsitz in Karlsfeld. Damit ging er zwar nicht hausieren, aber es stand auf dem Wahlzettel. "Karlsfelder wählen Karlsfelder", sagt Hiltraud Schmidt-Kroll. Dass Stefan Löwl eigentlich in Hof wohnt, also "ein Zuagroaster" ist, tut dem wenig Abbruch. "Die Karlsfelder sind traditionell sehr offen", sagt CSU-Fraktionschef Stefan Handl. Das liegt auch an der Geschichte des Ortes, der erst durch den massiven Zuzug von Flüchtlingen nach dem Krieg und durch Gastarbeiter so groß geworden ist. Löwls öffentliche Auftritte in Karlsfeld wie auf dem Starkbierfest waren auch ein Signal: Ich bin einer von euch.

Möglicherweise spielt auch das Thema viertes Gymnasium eine Rolle. "Während Löwl sich klar für ein viertes Gymnasium in Karlsfeld ausgesprochen hat, gab es Aussagen von Güll, die man auch anders interpretieren kann", sagt Karlsfelds CSU-Fraktionssprecher Stefan Handl über den Mitbewerber der SPD. Karlsfelds SPD-Fraktionschef Pobel weiß, dass solche Geschichten kolportiert wurden, er verweist sie aber "ins Reich der Fabel". Güll habe sich nie gegen ein viertes Gymnasium in Karlsfeld ausgesprochen.

Die zwischen der Landeshauptstadt München und der Großen Kreisstadt Dachau eingeklemmte Randgemeinde fühlt sich seit Jahrzehnten zu kurz gekommen - nicht zuletzt bei der Ansiedlung weiterführender Schulen. Das vierte Gymnasium ist für viele Karlsfelder der Prüfstein, ob der Landkreis (und der Landrat) sie für voll nimmt. Lange Jahre mussten sich die Nachkommen der Siedler im Karlsfelder Moos als "Mösler" verspotten lassen. Diese Kränkung sitzt tief im kollektiven Gedächtnis.

Das Wahlergebnis könnte aber auch "von Zufällen beeinflusst sein", merkt Wolfgang Offenbeck (CSU) vorsichtig an. Denn nur 26,69 Prozent - also etwas mehr als ein Viertel - der Karlsfelder machte am Sonntag überhaupt von seinem Stimmrecht Gebrauch. Das weit verbreitete Desinteresse der Karlsfelder an der Kreispolitik stößt bei den örtlichen Politikern auf Ratlosigkeit und Bestürzung. Reinhard Pobel zeigt sich über die geringe Wahlbeteiligung schlichtweg "entsetzt".

Die Folgen sind auch für die CSU unerfreulich: Fraktionschef Stefan Handl flog aus dem Kreistag, wichtige Karlsfelder Kreisräte wie Bürgermeister Stefan Kolbe oder Kreis-Fraktionssprecher Wolfgang Offenbeck wurden auf den Listenplätzen nach hinten durchgereicht. "Der Kreistag scheint für viele Menschen in Karlsfeld weit weg zu sein", sagt Offenbeck. Viele Bürger schlafen nur in Karlsfeld, ihre Arbeit und Freizeit spielt sich in München ab. Was kümmert sie der Dachauer Landrat? Das gilt offenbar besonders für die wahlberechtigten Ausländer in der Gemeinde. Hiltraud Schmidt Kroll stand als Wahlhelferin den ganzen Tag im Wahllokal. Sie sagt, sie habe an den Wahlurnen "höchstens zwei oder drei EU-Ausländer" gesehen.

In einer städtischen Gemeinde wie Karlsfeld mag die neue Dominanz der CSU eigenartig anmuten. Aber in Karlsfeld war die SPD immer stramm-konservativ, die CSU vergleichsweise liberal. Fast könnte man von einem Linksruck in Karlsfeld sprechen - wäre Löwl nicht ein ausgesprochen konservativ gestrickter Kandidat.

Aber vielleicht wussten das auch viele Wähler gar nicht.

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