Lockdown in Dachau:Familien im Ausnahmezustand

Eigentlich sollten die Kitas im Lockdown auf Notbetrieb heruntergefahren werden, doch die meisten Eltern schaffen es nicht, Homeoffice und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bekommen. Auch an den Schulen gibt es Probleme

Von Christiane Bracht

Von den Eltern nahezu überrannt fühlten sich die Leiter manch einer Kindertagesstätte an diesem Montag. Bis Ende Januar sollten die Einrichtungen geschlossen bleiben, so hatte es die Staatsregierung verfügt. Lediglich ein Notbetrieb darf eingerichtet werden für Kinder, deren Eltern partout keine andere Betreuungsmöglichkeit haben. "Bis zu zwei Drittel der Kinder sind in manchen Einrichtungen trotzdem gekommen", sagt Klaus Mayershofer, Geschäftsleiter der Gemeinde Markt Indersdorf. Vier Kitas betreibt die Kommune. "Wir sind schon etwas erschrocken", sagt Mayershofer angesichts des Ansturms. "Im April war die Not geringer." Ähnliches berichtet auch die Caritas, die fünf Kitas im Landkreis betreibt: Durchschnittlich kümmern sich die Erzieher derzeit um etwa 50 Prozent der Kinder, so Heidi Schaitl. Auch in Dachau sind in diesem Lockdown mehr Kinder in der Notbetreuung, so Markus Haberl vom Amt für Schule und Kinderbetreuung. "In der jetzigen Situation hat jeder Bedenken bei der Arbeit zu fehlen", erklärt Mayershofer die starke Resonanz. So seien auch ein Drittel der Hortkinder anwesend. Die Eltern dürfen dieses Mal selbst entscheiden, ob sie in Not sind. Beim ersten Lockdown im Frühjahr mussten sie noch einen Nachweis erbringen, dass sie einen systemrelevanten Beruf haben. Jetzt reicht eine kurze schriftliche Begründung.

Die Verzweiflung einiger Mütter über die Entscheidung der Staatsregierung, auf Distanzunterricht umzustellen, bekommt derzeit auch Andrea Wiesner, Rektorin der Grundschule Augustenfeld, zu spüren. Viele klagten ihr ihr Leid. Sie wüssten nicht wo ihnen der Kopf stehe: zwei, drei Kinder bei ihren Schulaufgaben unterstützen, gleichzeitig mit geschäftlichen Kunden telefonieren oder eine Videokonferenz abhalten, das gehe nicht. 50 der 322 Grundschüler kamen am ersten Tag nach den Ferien zur Notbetreuung. In den nächsten Tagen würden es sicher noch mehr, fürchtet Wiesner. Denn noch immer trudelten Anmeldungen ein. Sie könne die Lage der Eltern zwar verstehen, aber "wir dürfen nicht alle in die Notbetreuung aufnehmen". Lediglich bei Kindern, die nicht so gut deutsch sprechen, setze man sich dafür ein. Für die Schule selbst ist der Distanzunterricht eine Herausforderung. "Die Betreuungslehrer müssen momentan doppelt so viel arbeiten", sagt Wiesner.

´Bauchgrummeln ist dabei" - Kitas in Sachsen vor dem Neustart

Kita-Kinder sitzen beim Mittagessen am Tisch. Die Notbetreuung war als Ausnahme gedacht, wird aber sehr oft in Anspruch genommen.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

An diesem Montag hatten zudem alle Schulen, mit der Technik zu kämpfen. Das Videokonferenzsystem "Big blue button" brach zusammen. "Es war, als hätten wir Lehrer vor dem Klassenzimmer gestanden und wären nicht hineingekommen", sagt Peter Mareis, der Leiter des Josef-Effner-Gymnasiums in Dachau. Ihm gelang es kaum, Kontakt zu seinen Schülern herzustellen. Auch die Schul-Cloud funktionierte offenbar wegen des enormen Andrangs nicht. Nur die Lernplattform Mebis war laut Mareis zwischen 8 und 9 Uhr stabil. Alles in allem: ein schwieriger Schulstart nach den Weihnachtsferien. "Das Landratsamt hat sofort einen Server nachbestellt", sagt Mareis. Er hofft, dass sich die Probleme schnell beheben lassen. Als schlechtes Omen sieht er dies nicht: "Wir sind sehr gut vorbereitet auf diesen zweiten Lockdown", sagt er. Gleiches sagt auch Wiesner. Die Lehrer hätten sich fortgebildet.

Unterdessen atmen die Geschäftsleute angesichts der neuen Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie auf. Seit dieser Woche dürfen sie Click und Collect anbieten. Das heißt, sie dürfen wieder etwas verkaufen. "Das ist auf jeden Fall eine Erleichterung", sagt Isabel Seeber, die Vorsitzende von Dachau handelt. "Ein Schritt in die richtige Richtung, aber eben auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein." Die Dachauer Händler hoffen, dass die Kunden ihren Geschäften nun treu bleiben und nicht mehr alles beim Online-Händler Amazon bestellen. Immerhin könnten sie sich telefonisch beraten lassen. Auf der Homepage von "Dachau handelt" gibt es eine Übersicht über alle Läden, die Click und Collect anbieten.

Lockdown in Dachau: Still und ruhig ist es am sonst so bevölkerten Josef-Effner-Gymnasium. Nur gut fünf Schüler kamen am Montag. Der Rest versuchte, zu Hause zu lernen.

Still und ruhig ist es am sonst so bevölkerten Josef-Effner-Gymnasium. Nur gut fünf Schüler kamen am Montag. Der Rest versuchte, zu Hause zu lernen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Zahl der Coronainfizierten steigt indes steil an. Die Sieben-Tage-Inzidenz für Dachau liegt laut Robert-Koch-Institut bei 117,5. 348 Menschen aus dem Landkreis sind derzeit positiv auf das Virus getestet, 362 in Quarantäne, 92 sind bereits verstorben. "Angesichts dessen ist eine Verlängerung und Verschärfung der Beschränkungen richtig und wichtig", sagt Landrat Stefan Löwl (CSU). Private Treffen sind seit dieser Woche nur noch mit einer weiteren Person zulässig, egal an welchem Ort. Kinder bis drei Jahre werden nicht gezählt. Eine wechselseitige Beaufsichtigung von Kindern unter 14 Jahren in festen familiären oder nachbarschaftlichen Gemeinschaften ist jedoch zulässig. Die Kinder dürfen aber höchstens aus zwei Haushalten sein.

Die örtliche Begrenzung, sich nur noch im Bereich 15 Kilometer vom Wohnort aufhalten zu dürfen, trifft die Bürger aus dem Landkreis Dachau momentan noch nicht. Doch sobald das RKI einen Inzidenzwert von 200 meldet, gilt diese für mindestens sieben Tage, so das Gesundheitsamt. Die Einschränkung bezieht sich jedoch nur auf Freizeitaktivitäten, also Ausflüge. Von 21 Uhr an gilt weiterhin die Ausgangssperre. Warum die Zahl der Coronafälle so stark steigt, ob es an Weihnachten, Silvester oder den Reiserückkehrern liegt, könne man derzeit nicht sagen, so Löwl.

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