Adventskonzert im Schloss Dachau:Frischer Wind weht Qualität weg

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Sänger und Musiker aus Dachau und Wolfratshausen treten beim Adventskonzert im Dachauer Schloss gemeinsam auf, unter der Leitung von Emanuel Schmidt. (Foto: Toni Heigl)

Der Chor der Liedertafel Dachau hat sich in "vocal ampArt" umbenannt und will sich auch musikalisch neu aufstellen. Jedoch ist das traditionelle Publikum noch skeptisch, wie sich beim Adventskonzert im Dachauer Schloss zeigte.

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Mit einer Liedertafel, also einem volkstümlichen Sängerbund, der sich in geselliger Runde vor allem dem Chorlied in einschlägiger Bearbeitung widmet, hatte die Liedertafel Dachau tatsächlich nur noch wenig zu tun. Das neue Konzertprogramm mit Bach-Kantaten und einem adventlichen Chorwerk von Samuel Scheidt (rund 100 Jahre vor Bach) ist meilenweit vom Liedertafel-Repertoire entfernt. Deshalb hat der Chor der Liedertafel Dachau auch einen neuen Namen bekommen: "vocal ampArt" heißt er seit Mai. Daran wird man sich erst gewöhnen müssen.

Das Programm seines Konzerts mit Bach-Kantaten zum ersten und zweiten Adventssonntag ist in gewisser Weise vorbildlich: Es ist nämlich kein Weihnachtskonzert (wie sonst üblich), sondern ein echtes Adventskonzert, das mit Aufführungen in Dachau und Wolfratshausen ins Kirchenjahr passt. Beide Orte wirkten auch beim Singen und Musizieren zusammen: Beim Dachauer Konzert sangen "vocal ampArt" sowie der Kammerchor und der Jugendkammerchor der Musikschule Wolfratshausen mit Orchester, geleitet von Emanuel Schmidt, der an der Musikschule Wolfratshausen wirkt, in München einen Rock-Pop-Jazzchor und in Dachau seit April 2020 den Chor der Liedertafel leitet. Bei der Liedertafel Dachau weht also ein frischer Wind, der allerdings die Spitzenqualität ihrer Konzerte der vergangenen Jahre vorerst hinweg geweht hat.

Der Saal war halbvoll, der Beifall des Publikums aber herzlich

Die Aufführung der Bach-Kantaten "Schwingt freudig euch empor" und "Wachet! Betet! Betet! Wachet!" mit ihren meist sehr barocken Texten war gekonnt, das ganze Konzert hätte aber allein wegen seiner betont kirchlichen Programmgestaltung besser in eine Kirche als in den Saal des Dachauer Schlosses gepasst. In seiner Arie der ersten Adventskantate singt der Sopran etwa: "Auch mit gedämpften, schwachen Stimmen wird Gottes Majestät verehrt. Denn schallet nur der Geist darbei, so ist ihm solches ein Geschrei, das er im Himmel selber hört."

Der in Dachau aufgebotene Chor sang gewiss nicht mit gedämpften, schwachen Stimmen, aber es war auch kein "Geschrei" im barocken Sinne, also nicht strahlend oder stimmgewaltig. Welchen Anteil "vocal ampArt" daran hatte, war bei dem Gemeinschaftsprojekt nicht auszumachen. Die Solistinnen Irina Firouzi (Sopran) und Carolin Ritter (Alt) und die Solisten Jonas Häusler (Tenor) und Lukas Mayr (Bass) waren durchwegs jung, laut Programmheft verfügen sie bereits über reiche Erfahrungen, was aber bei ihrer Gestaltung der Arien und Choräle nicht voll überzeugend zum Tragen kam. Das furiose Rezitativ vom Ende der Zeiten wiederum gelang Lukas Mayr, einem jungen Schulmusiker aus Kaufbeuren, mit dem Orchester eindrucksvoll. Emanuel Schmidt leitete sicher, stilistisch in herkömmlicher Weise, ohne das heute so oft versuchte Barockisieren.

Man ist geneigt, das ganze Konzert auf Musikschul-Niveau zu sehen, aber gerade das Orchester der Musikschule Wolfratshausen musizierte durchaus professionell. Die Solisten an Oboe und Violine sowie die vielbeschäftigte Solistin am Violoncello spielten ausgezeichnet. "Für die Zukunft will der Chor sein Erscheinungsbild modernisieren" schreibt die Liedertafel Dachau. Das traditionelle Publikum macht da vorerst nur zum Teil mit. Der Saal war beim Adventskonzert nur gut halbvoll, der Beifall des verbliebenen Liedertafel-Publikums aber war herzlich.

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