"Liederstrauß" in der Dachauer Volksbank:Opern im Mini-Format

Liederstrauß

Bassbariton Oliver Munique (rechts) und Gitarrist Oliver Thedieck bei ihrem Auftritt im Vortragssaal der Volksbank Raiffeisenbank Dachau.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Bei der Uraufführung vertonter Gedichte von Hermann Hesse und Wilhelm Busch in der Volksbank Dachau singt Bassbariton Oliver Munique mit vollem Körpereinsatz - und viel Vibrato

Von D0rothea Friedrich, Dachau

Vibrato? Ist ja so was von out. Behaupten zumindest Besserwisser in Sachen Gesang und Instrumentalmusik. Bassbariton Oliver Munique kümmert sich jedoch wenig um den Mainstream. Statt des gewohnten Pianisten und dessen Flügel hatte er sich Oliver Thedieck und dessen Gitarre als Begleiter ausgesucht und mit ihm einen "Liederstrauß" arrangiert - so der Titel seines Konzerts der speziellen Art. Speziell war dieser Liederabend in mehrfacher Hinsicht. Standen doch - neben Werken von Johannes Brahms und Franz Schubert - gleich zwei Uraufführungen auf dem Programm: "Four Poems of Wilhelm Busch" (op. 82), vertont vom amerikanischen Komponisten Victor Frost, und sieben Hesse-Lieder, komponiert von Florian Malecki, der dieses Konzert zudem organisiert hatte. Ort des Geschehens - auch das ein Novum - war der ausverkaufte Vortragssaal der Volksbank Raiffeisenbank Dachau in der Augsburger Straße.

Der Opern-, Oratorien- und Liedsänger Munique hat eine ausgesprochene Vorliebe fürs Vibrato. Diese gesanglichen Arabesken sind mittlerweile jedoch eine echte Herausforderung für so manches auf musikalischen Purismus konditionierte Ohr. Also hieß es, alte Hörgewohnheiten beiseite zu schieben und sich auf Brahms nach Munique-Art einzulassen. Das war partiell kein ganz leichtes Unterfangen. Aus dem gerne mit gehörigem Pathos und vor Schicksalsschwere triefender Stimme gesungenen "Soll sich der Mond nicht heller scheinen" machte der Bassbariton ein leichtfüßiges Schelmenstückchen. Die abgründige Ballade vom "Schwesterlein" dagegen verlor einiges von ihrem Gruseleffekt, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Ähnlich erginge es Franz Schuberts "Der Tod und das Mädchen". Wo selbst vibratoverliebte Countertenöre bei der musikalischen Version von Matthias Claudius traurig-tröstlichem Gedicht auf jeden Schnickschnack verzichten, ließ Munique seiner Stimme freiesten Lauf. Dem beliebten "Ständchen" und der unvergänglichen Hymne auf die Kunst der Töne "An die Musik" dagegen gab italienisches Canzone-Flair einen ungewohnten, aber durchaus spannenden Anstrich. Gitarrist Thedieck war ein dezenter, unaufdringlicher, unüberhörbar guter, empathischer und sensibler Begleiter.

Das galt auch für die beiden Uraufführungen. Diese haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind im Stil der sogenannten New Classic komponiert und erwiesen sich als spannende Entdeckungen. Hermann Hesse begleite ihn schon sein ganzes Leben, hatte Florian Malecki im Gespräch mit der SZ Dachau gesagt. Vor allem zu den Gedichten des nach dem "Steppenwolf"- und "Siddharta"-Hype der Sechziger- und Siebzigerjahre etwas ins Abseits geratenen Literaturnobelpreisträgers habe er eine tiefe persönliche Bindung. "Deshalb wollte ich ihnen eine musikalische Form geben." Das ist Malecki gut gelungen. Weil Malecki seine Eigenkompositionen gerne auch visuell erfahrbar macht, wie beispielsweise mit "Music and Visual Arts" vor fünf Jahren hatte bei der Uraufführung der Hesse-Vertonungen Bassbariton Munique auch noch den Visualisierungspart übernommen - und war ausdrucksvoll gestikulierend ganz in seinem Element. Er lebte Text und Musik voll aus. So wurden die etwas spröden Gedichte zu Opern im Miniformat. Und zeigten sehr viel höhere Qualitäten als die seinerzeit angesagten Auftritte diverser Bands in Hesses Geburtsstadt Calw mit Hesse-Vertonungen.

So amüsant wie ein Gedicht von Wilhelm Busch ist auch die Geschichte der zweiten Uraufführung. Die Idee, eher weniger Bekanntes des großen Spötters und Karikaturisten in eine musikalische Form zu gießen, stammt von Gitarrist Thedieck. Doch wer sollte diese heikle Aufgabe übernehmen? Komponist Frost erklärte sich umgehend bereit, lieferte schnell - und war bei der Premiere selbstredend dabei. Die vier Busch-Lieder "Im Sommmer", "Seid mir nur nicht gar so traurig", "Ärgerlich" und "Wenn ich dereinst ganz alt und schwach" waren gewissermaßen die Rosen im "Liederstrauß": witzig, fröhlich und gefühlvoll geschrieben, in Töne gesetzt und mit Gitarre und Stimme kongenial umgesetzt. Da passte "Vibratissimo" perfekt ins Geschehen.

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