Lesung im Museumsforum:Anekdoten eines Lebenskünstlers

Hartmut Riederer

Hartmut Riederer liest und spielt seine Texte.

(Foto: Museumsforum)

Hartmut Riederer liest und spielt literarische Texte

Von Sonja Siegmund, Altomünster

"Der Teufel in der Klosterkuchl" lautete der Titel einer Lesung mit dem vielseitigen Künstler Hartmut Riederer im Museumsforum. Diese Veranstaltung von Dachauer Forum, Volkshochschule und Museumsverein kündigte Wilhelm Liebhart, Vorstand des Museums- und Heimatvereins, den Besuchern am Freitagabend als Experiment an. Ein Experiment insofern, als dass ein Kunstschaffender seine Bildwerke im Museum Altomünster zeigt und zugleich sein literarisches Schaffen und seine Schauspielkunst vorstellt.

Hartmut Riederer, dessen Ausstellung "Kosmos" noch bis 5. November im Klostermuseum zu sehen ist, bezeichnet sich selbst als Lebenskünstler. Der studierte Germanist und Philosoph malt nicht nur, schauspielert und philosophiert, er dichtet und schreibt Theaterstücke, Essays und Romane. Zunächst las Riederer, von dem Liebhart sagte, dass er "durch und durch philosophisch und literarisch angehaucht" sei, kurze Texte von Robert Walser und Kardinal Joseph Ratzinger. So gelang es dem eigenwilligen Künstler, Einblicke in barocke Traditionen aufzuzeigen, die in Bayern noch bis über das Zweite Vatikanische Konzil hinaus gelebt wurden. Dieses Vaticanum II, das von der römisch-katholischen Kirche als das 21. Ökumenische Konzil angesehen wird, tagte von Oktober 1962 bis zum Dezember 1965. Es wurde von Papst Johannes XXIII. mit dem Auftrag zu pastoraler und ökumenischer Erneuerung einberufen.

Mit Betrachtungen über die barocke Vorstellungswelt unserer Vorfahren leitete der 75-jährige Autor zu seinem autobiografisch geprägten Roman "Knabenspielzeug" über, der seine Kinder- und Jugendjahre beschreibt. Thematisiert sind Erinnerungen an Riederers niederbayerisch-katholische Heimat mit einer überaus frommen Großmutter, einem Jahr als Schüler im Benediktinerstift Sankt Veit im Kloster Rohr, an lateinisch gesungene Choräle in der berühmten Asamkirche, an barocke Pracht zu den Hochfesten des Kirchenjahres, an Geborgenheit im Gleichklang der Stunden, an fest geregelte Mahlzeiten im Refektorium mit Lesungen aus dem Neuen Testament und an den gelehrten Pater Gabriel. In seinem Roman erinnert Riederer auch an seinen Schulfreund Schichtl im Benediktinerkloster, der überzeugt war, dass anstatt eines Pfarrers eine Hörmuschel im Beichtstuhl installiert ist, die Patres mit dem Teufel im Bund stehen, der Höllenfürst Fliegen röstet, während er vom Himmel stürzt und im Kloster verbotenen Lüsten gefrönt wird. Da wird von heimlichen Unzuchttaten der Benediktiner erzählt, die Zigarren rauchen, am Marienlikör nippen und von der wilden Oberköchin Hadscheps, die den Patres allerlei Schmankerln kocht. Da werden auch 27 Variationen von Rausch vorgestellt, teilweise von Riederer temperamentvoll in Szene gesetzt, vom harmlosen "Spitzl", über den "Aff'n und Dusel" bis hin zum "Räuscherl" und einem kapitalen "Mordsrausch". In einem anderen Text werden frühe Bilder aus dem Unterbewusstsein beschrieben, die für ungeborene Kinder möglicherweise noch deutlich sind.

In der Lesung konnte der Autor seine langjährige Erfahrung als Schauspieler im Theater und in Spielfilmen einbringen. Riederer liest seine Texte nicht nur: Er spielt sie und verleiht ihnen damit Lebendigkeit und Unmittelbarkeit. Andererseits hat es der Künstlerdichter den Zuhörern nicht gerade leicht gemacht: In einem Radiovideo hatte Riederer einmal erklärt, dass er gerne ein Mensch des 17. oder 18. Jahrhunderts wäre. Zu seinen Wahlverwandten zählt er deshalb auch den Schriftsteller Jean Paul, von dem der Dichterfürst Friedrich Schiller einmal gesagt hat, dass er ihm fremd sei "wie einer, der aus dem Mond gefallen ist". Hartmut Riederer scheint so manchem Zuhörer in Altomünster ebenfalls nicht Teil dieser Welt und ein bisschen aus dem Mond gefallen zu sein.

Im Museumsforum Altomünster wäre für die Gäste sicherlich eine Gegenüberstellung von Riederers Texten mit Bildern seiner "Kosmos"-Ausstellung hilfreich gewesen. Zum besseren Verständnis seiner literarischen Werke hätten sich die Zuhörer inklusive der SZ-Berichterstatterin zumindest einige erklärende Worte gewünscht. Auch über eine musikalische Begleitung wäre das etwas verunsicherte Publikum bestimmt erfreut gewesen. So scheint es also, als hätte der Teufel diesmal auch ein bisschen im Museumsforum sein Unwesen getrieben. Am Donnerstag, 2. November, von 19.30 Uhr an wird Hartmut Riederer im Museumsforum aus Jean Pauls Roman "Siebenkäs" vorlesen.

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