Leierkasten:Harmonische Experimente

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Sänger Rabih Lahoud singt in verschiedenen Sprachen, begleitet wird er von Trompeter Marcus Rust und zwei weiteren Musikern. (Foto: Toni Heigl)

Die arabisch-deutsche Jazz-Band "Masaa" macht das Publikum in der Friedenskirche glücklich

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

"Ich empfinde eine große Sympathie in diesem Raum", sagt lächelnd Sänger Rabi Lahoud. Das klingt ein bisschen pathetisch, trifft die Stimmung aber auf den Punkt. Der Gemeindesaal der Friedenskirche ist an diesem Samstagabend gut gefüllt, das Publikum lauscht gebannt den Klängen der Jazz-Band Masaa. Kurz vor Einlassbeginn bildet sich eine lange Schlange vor dem Eingang, ein Mann fragt sich aufgeregt durch, ob es denn überhaupt noch Karten gebe.

Frank Striegler vom Leierkasten Dachau findet trotzdem, dass es noch mehr Besucher hätten sein können: "Es sind immer die Konzerte, die mir persönlich besonders am Herzen liegen, für die wir schwer Besucher finden." Er wisse gar nicht, wie oft er die CD von Masaa bereits gehört habe. Nach dem Konzert wird er jedoch nicht der Einzige sein, der begeistert erzählt, dass dies einer der besten Konzerte überhaupt auf der Bühne des Leierkastens gewesen sei. Vor ihrem Auftritt in Dachau haben sie in Gütersloh in einem großen Theater gespielt, erzählen die Musiker. "Heute darf es wieder etwas intimer werden", kündigt Sänger Rabih Lahoud an. Er hält sich die Hand leicht vor die Augen, um in dem grellen Scheinwerferlicht die Reaktionen des Publikums erkennen zu können.

Als die Musiker die Bühne betreten, wird es still im Saal. Alle vier sind komplett in Schwarz und Dunkelblau gekleidet, vom dünnen Rollkragenpullover bis hin zu den Schuhen. Einzig Clemens Pötzsch, der Mann am Klavier, trägt leuchtend weiße Turnschuhe, die jetzt im Takt auf und ab wippen. Schnell entsteht eine Melange aus hellen Klaviertönen, dem gedämpften Rhythmus des Schlagzeugs und dem vorsichtigen Pfeifen der Trompete. Wenn Rabi Lahoud zu singen beginnt, schwingt er eine Hand mit, sie folgt den Tönen von hoch bis tief. Das erste Lied singt er auf Französisch - seine "zweite Muttersprache", wie Rabih Lahoud erklärt. Später folgen Songs auf Arabisch, seiner "ersten Muttersprache". Sie wollen die verschiedenen Sprachen vor allem so nutzen, dass sie "mit dem Herzen zu verstehen sind", beschreibt der Musiker. Ob die Zuhörer die Worte begreifen, sollte dabei gar nicht so wichtig sein. Den Vers des nächsten Liedes übersetzt er trotzdem ins Deutsche, bevor die Musik beginnt. Das Publikum lässt die Worte wirken, Einzelne nicken.

Masaa erschaffen eine Musik, die schwer einzuordnen ist. Die Musiker selbst sagen, sie hätten "keine Schublade, keinen Plan". Sie lieben die Improvisation, sie mache ihre Musik so mühelos. Immer wieder gibt es Teile, die gerade in diesem Moment, auf der kleinen Theaterbühne im Gemeindesaal der Friedenskirche, zu entstehen scheinen. Dann lachen sich die vier Musiker zu, mit leuchtenden Augen.

An einer Stelle werden sie ganz ruhig: "Mira" heißt das Lied. Hier ginge es um die zarten Dinge, erklärt Sänger Rabih Lahoud - und dass genau diese oft nicht gehört würden. Demian Kappenstein holt an dieser Stelle einen ungewöhnlichen Gegenstand nach dem anderen hinter seinem Schlagzeug hervor: Er knistert mit Verpackungsfolie, lässt eine kleine Spielzeugpuppe klingeln oder schlägt mit einem Tuch auf die Trommeln. Im Laufe des Konzerts blickt er sich immer wieder um, als würde er sich fragen, welchen Gegenstand er noch in seine Musik miteinbeziehen kann. Trotz - oder gerade wegen - dieser Experimente bleibt der gemeinsame Mix der Band stets harmonisch.

Vor allem verbindet die Musiker aber eines: das Verrücktsein nach der perfekten musikalischen Kombination, der schrägen Harmonie, die Menschen bewegt. Auf der Bühne zeigt jeder Einzelne seine persönliche Note, gemeinsam werden diese zu einer Musik, die laute und leise, nachdenkliche und intensive Töne, Orient und Okzident auf außergewöhnliche Weise vereint.

So sieht das auch das Publikum. Nach tosendem Applaus spielt die Band mehrere Zugaben, bis sich die vier Musiker schließlich von der Bühne verabschieden. Für ihr letztes Lied lassen sie alle Mikrofone und Verstärker ausschalten. Der Abend verklingt ein reiner, direkter Akustik.

© SZ vom 24.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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