Lehrberufen fehlt es an Ansehen:Plädoyer für die Praxis

Lehrberufen fehlt es an Ansehen: Ein Auszubildender führt in der Berufsschule Dachau vor, wie die Arbeit eines Schreiners in der Praxis aussieht.

Ein Auszubildender führt in der Berufsschule Dachau vor, wie die Arbeit eines Schreiners in der Praxis aussieht.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Im Landkreis Dachau sind zum Beginn des Ausbildungsjahres 162 Lehrstellen unbesetzt. Die Industrie- und Handelskammer fordert Unternehmen auf, junge Leute über Berufsbilder besser zu informieren

Von Viktoria Großmann, Dachau

Und wieder sind zum Beginn des Ausbildungsjahres 162 Lehrstellen im Landkreis Dachau unbesetzt. Nur 44 Jugendliche sind noch ohne Ausbildungsplatz. Seit Jahren bietet sich im Herbst immer dasselbe Bild: die jungen Leute fehlen. Geburtenrückgang allein ist in der Metropolregion keine ausreichende Begründung. Lehrberufen fehlt es an Ansehen, an einer Lobby und vielleicht sogar an Bekanntheit. Doch der Landkreis Dachau hat etwas, das jetzt im Wahlkampf für ganz Deutschland gefordert wird und das auch dem Freistaat insgesamt nicht schaden könnte: Eine Ausbildungsoffensive.

Der Ansatz ist so simpel wie altbekannt: mehr Praxisbezug. Nur wird das eben oft gefordert und zu selten umgesetzt. "Wir müssen Berufsbilder viel früher bekannt machen", sagt Peter Fink, Vorsitzender im Regionalausschuss Dachau der Industrie- und Handelskammer. Mit früh meint Fink nicht die üblicherweise als Berufsfindungsphase bezeichnete Zeit etwa ein Jahr vor dem Schulabschluss. Er meint: in der Grundschule. "Interesse wecken und die Möglichkeit geben, eigenes Talent zu entdecken - das sollte schon in der Grundschule geschehen."

Fink setzt, wie auch die Handwerkskammer, sehr viel Hoffnung in den Dachauer Mint Campus. Dieser verschreibt sich der Förderung und spielerischen Entdeckung der Naturwissenschaften: ganz praktisch mittels Lego und Versuchsanordnung im Schülerlabor. Gegründet und getragen vom Landkreis und den Kommunen hat der Mint Campus seine Räume in der Außenstelle des Dachauer Josef-Effner-Gymnasiums in der Steinstraße. Es gebe nur zwei weitere vergleichbare Einrichtungen in Bayern, sagt Fink. Besuche im Mint-Campus sind nicht an Schulausflüge gebunden. Es gibt auch ein Ferienprogramm. "Da lernen die Kinder früh, ob es ihnen liegt, Holz zu drechseln oder einen Plan zu machen, um aus Legosteinen einen Propeller zu bauen", erklärt Fink.

Gut unterstützt fühlt sich Fink von Landrat Löwl (CSU), der mit seiner Bildungskonferenz im Herbst 2016 versuchte, etwa Lehrer und Unternehmen zusammen zu bringen. Es wurden in der Konsequenz Arbeitsgruppen gebildet, die sich etwa auch mit dem Thema Migranten befassen sollen. Die Ergebnisse sollen in die Entscheidungsfindungen zu Bildungsthemen im Kreistag Eingang finden.

Es braucht nicht immer die große Politik. Weder Fink ruft nach ihr, noch die IHK in München. Dort wünscht man sich einfach, dass Politiker mal ein Signal setzen, dass die duale Ausbildung genauso viel wert ist wie Abitur und Studium. Die Lehrer selbst, so erklärt Florian Kaiser, erkennen, dass sie ihren Schülern einen Bezug zur Arbeitswelt ermöglichen müssen und nehmen Angebote der IHK gerne wahr. Ausbildungsscout heißt eines: Lehrlinge erzählen Schülern von ihrer Ausbildung. "Die können das am besten und die Jugendlichen begegnen sich auf Augenhöhe."

Nach diesem Prinzip verfährt auch die Volksbank Raiffeisenbank Dachau. Diese verkündet stolz, sieben neue Auszubildende einzustellen. Probleme, Nachwuchs zu finden, hat die Bank nicht. Frühe Bindung ans Haus heißt hier das Erfolgskonzept. "Wir bekommen immer viele Bewerbungen nach den Praktika", sagt Personalreferentin Julia Bühl. Schon die fünftägigen Schülerpraktika sind klar strukturiert. Am ersten Tag zeigen Azubis den Schülern das Haus und erklären ihre Aufgaben. Bereits anderthalb bis ein Jahr vor Ausbildungsbeginn werden die Verträge unterzeichnet. Dann werden die jungen Leute behandelt, als gehörten sie bereits dazu. Werden zum Grillfest der Auszubildenden eingeladen und zum Betriebsausflug. Auch die Eltern werden einbezogen.

Nur allein auf die Noten schaut kaum noch jemand, weder die Bank noch etwa Hotelier Michael Groß aus Bergkirchen: "Wichtig ist, dass die jungen Leute Lust darauf haben. Das muss man gern machen." Bühl von der VR-Bank wählt ganz ähnliche Worte. Das fällt auf die Unternehmen zurück: Auch die müssen sich entsprechend präsentieren und deutlich machen, was sie und ihre Ausbildungsstellen interessant macht, so sagt Florian Kaiser von der IHK. Er will gerade kleine Betriebe ermuntern: "Da bekommt man in kürzerer Zeit viel mehr Einblicke - das ist ein Vorteil."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: