Lange Nacht:Im Bilderrausch

Lange Nacht: Die KVD-Galerie lockt mit kräftigen Farben.

Die KVD-Galerie lockt mit kräftigen Farben.

(Foto: Toni Heigl)

Einen Abend lang öffnen Museen und Galerien in der ganzen Stadt ihre Türen. Und es scheint, als hätten die Dachauer nur darauf gewartet, endlich wieder Kunst von Angesicht zu Angesicht erleben zu können. Ein Spaziergang.

Von Karolin Arnold, Dachau

Eine schlaflose Nacht liegt hinter der Stadt und ihrer Kunstwelt. Auch im 15. Jahr der "Langen Nacht der offenen Türen in Dachau" sind wieder zahlreiche Menschen durch die Straßen und die Gassen flaniert, um Kunst und Kultur zu erleben. Die Altstadt war besonders beliebt, um am vergangenen Freitag von 19 bis 24 Uhr von Station zu Station zu wandern.

Die neu eröffnete Ausstellung "Tempo?" in der Neuen Galerie Dachau hat bereits um 20 Uhr so viele Menschen angelockt, dass sich eine Warteschlange vor dem Innenhof bildet. Grund dafür sind aber auch die aktuell geltenden Coronavorschriften, welche die Veranstaltung zu einer anderen machen als vor der Pandemie und mehr Aufwand bedeuten. Impfausweise und Testergebnisse werden gescannt, an manchen Stationen bekommt man gelbe Bändchen um die Hand gebunden, Kontaktdaten werden erfasst, und die Maske ist obligatorisch. Das alles nehmen die Besucher aber sehr gelassen hin, man hat sich an das Prozedere gewöhnt.

"Die Lange Nacht ist ein absolutes Muss für jeden Dachauer", betont Besucherin Margarete Weismann, für die der Abend erst begonnen hat. Es sei schön, die vielfältige Kunst zu sehen, und sie erhofft sich, Inspirationen für ihr eigenes künstlerisches Arbeiten zu entdecken.

Tritt man in die besagte Ausstellung, so wird das eigene Tempo bereits durch das erste Ausstellungsstück gedrosselt. Der mitten in den Raum aufgebaute Wartesaal von Verena Seibt macht für einen Moment stutzig. Soll man Platz nehmen oder weitergehen? Die Künstlerin selbst sitzt auf einem der Stühle und wird - zumindest für einen Moment - Teil ihrer eigenen Installation. Genau darin liegt eine wesentliche Besonderheit der Langen Nacht. Nicht nur die Werke selbst werden präsentiert, sondern auch die Köpfe hinter der Kunst stehen zum Austausch bereit. Viele Besucher berichten, dass sie der persönliche Kontakt sehr begeistere und die Veranstaltung die Hürden nehme, um die Galerien zu besuchen. "Man traut sich ja sonst nicht so reinzugehen", sagt beispielsweise Johannes Hurell, als er in der gut besuchten KVD-Galerie steht.

Lange Nacht: Zwei Besucher der Langen Nacht verharren vor einem der vielen Bilder, die es an diesem Abend in Dachau zu sehen gibt.

Zwei Besucher der Langen Nacht verharren vor einem der vielen Bilder, die es an diesem Abend in Dachau zu sehen gibt.

(Foto: Toni Heigl)

Die Künstler selbst sehen den Austausch aber auch als große Bereicherung an. So berichtet Ralf Hanrieder in der Villa Stockmann von interessierten Menschen, die ihn in seinem Atelier besucht haben. Die Gespräche seien intensiv und nicht oberflächlich gewesen. "Ich konnte den Menschen meine Arbeit gezielt näherbringen", betont er. Seine Konzeptart basiert auf dem System von sogenannten magischen Quadraten. Seine Tuschfarbe stellt Hanrieder eigens aus Pigmenten her. Gisela Kathrein scheint er überzeugt zu haben. Sie ist bereits in den letzten Zügen ihrer Kunsttour und sagt: "Das hier ist einer der Höhepunkte."

Die Villa Stockmann ist eine der vielen Künstlervillen in Dachau und bietet Platz für künstlerisches Schaffen. Im dritten Stock sitzt Tadeusz Stupka mit vertrauten Menschen zusammen und erzählt zwischen voll gehängten Wänden und Staffeleien darüber, wie er aktuell den Versuch wage, die Farbe in seinen Bildern zu zähmen. Der Dachauer Künstler Herbert Felix Plahl ist bereits seit der ersten Langen Nacht ein Teil davon und hat seinen Platz schon viele Jahre im Erdgeschoss des Künstlerhauses gefunden. Begleitet von klassischer Musik können die Besucher gut bestückte Wände mit farbintensiven Acryl- und Papierarbeiten bestaunen. Auch Plahl berichtet von den unterschiedlichsten Menschen, die ihn in seinem Atelier besucht haben und findet, dass es bisher sehr gut verlaufen sei.

Lange Nacht: Im Atelier von Claudia Reiter sieht man die tragbaren Kunstwerke von Marina Krog schwungvoll in Szene gesetzt.

Im Atelier von Claudia Reiter sieht man die tragbaren Kunstwerke von Marina Krog schwungvoll in Szene gesetzt.

(Foto: Toni Heigl)

Etwas abgelegen aber nicht weniger besucht, liegt das Atelier von Claudia Reiter. Dort stellt nicht nur die Künstlerin selbst aus, sondern auch Carsten Lewerentz, der zum ersten Mal dabei ist. Von ihm sind unter anderem Plastiken aus Holz und Bronze zu sehen. Von Reiter hängen verschiedene Bilder an den Wänden, die teilweise in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Marina Krog entstanden sind. Die Collagen sind ein Zusammenspiel aus Foto, Zeichnung und Spachteltechnik. Inszeniert hat Reiter die tragbaren Kunstwerke von Krog. Die Hamburgerin fertigt futuristisch anmutende Schmuck und Kleidungsstücke aus Kunstfaser oder kräftigfarbener Seide an. Durch ein blaues Plissee kam Reiter die Themenidee zur Ausstellung "Blue". "Die Farbe Blau springt mich dieses Jahr an", sagt sie, und so ist auch das ganze Atelier an diesem Abend in einen bläulichen Schimmer gehüllt, während Claudia Reiter ihre Gäste herzlich begrüßt.

Streift man bei Straßenlaternenlicht durch die Gassen, lässt das nächste hell erleuchtete Atelier nicht lange auf sich warten. Darin tummeln sich die unterschiedlichsten Gruppen. Man trifft sowohl sehr schick gekleidete Paare als auch Familien mit Kindern oder Menschen, die in legerer Freitagabendrobe durch die Stadt spazieren. Sie alle verbindet das Interesse an Kunst, ob diese schon länger besteht oder erst geweckt wurde, spielt an diesem Abend keine Rolle. Barbara Uhlig lebt in der Altstadt und beschreibt die Atmosphäre als "sehr schön und belebt". "Mich freut auch, dass so viele Künstler mitmachen", fügt sie hinzu. Organisiert hat die Veranstaltung der Förderverein Dachauer Wasserturm. Die 36 verschiedene Stationen bieten ein Angebot, das von Skulpturen, Keramikkunst und Gemälden über Theatervorstellungen für klein und groß bis hin zur Installationskunst reicht.

Lange Nacht: Auch die Gemäldegalerie zieht Kunstliebhaber und Kunstliebhaberinnen an.

Auch die Gemäldegalerie zieht Kunstliebhaber und Kunstliebhaberinnen an.

(Foto: Toni Heigl)

Die Münchnerin Hannah Müller freut sich über die Vielfalt. Ihre Begleitung Moritz Deichl, der als Dachauer schon zum dritten Mal die Veranstaltung besucht, stellt fest: "Wenn man wiederkommt, ist es interessant, die Entwicklung bei den Künstlern zu sehen." "Es gibt nicht nur München", fügt Hannah Müller an. Vorher, sei ihr das wertvolle Kunstangebot hier gar nicht so bewusst gewesen. Sie sieht darin die Möglichkeit, einen anderen Einblick in die Dachauer Kultur zu bekommen.

Es sind keine riesigen Gruppen unterwegs, aber die Stadt wirkt auch zu später Stunde lebenslustig und munter. Im Ausspruch von Herbert Reichlmeier wird deutlich, dass zur gewohnten Geselligkeit noch ein Stück fehlt, denn er räumt ein: "Vor Corona war es lustiger."

Als auf einen Schlag eine große Gruppe an Besuchern aus der Galerie Lochner verschwindet, kann Josef Lochner kurz durchatmen. Der Mitorganisator findet, dass mehr Menschen unterwegs seien als vor zwei Jahren. "Den Leuten hat echt was gefehlt, man merkt den Kulturentzug."

Somit bleibt an diesem Abend der Eindruck, dass die Lange Nacht eine Tradition ist, welche die Dachauer sich nicht nehmen lassen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: