Die Lange Nacht der offenen Türen zeigt, dass nicht nur Fußball oder Musik die Menschen zusammenbringen, sondern dass Kunst das genauso kann. Trotz Dauerregen und Kühlschrank-Temperaturen finden viele Besucher den Weg in die Dachauer Galerien, Museen und Ateliers. Für Kulturamtschef Tobias Schneider ein Beleg, dass die Lange Nacht auch bei ihrer 18. Auflage nichts von ihrer Attraktivität eingebüßt hat: „Heute sind viele Leute da, die sonst gar nichts mit Kunst am Hut haben, und die sie für sich entdecken wollen. Auch viele junge Menschen“, freut sich Schneider.
Die Leiterin der Gemäldegalerie, Laura Cohen, und die Geschäftsführerin des Zweckverbands Dachauer Galerien und Museen, Nina Möllers, sind ebenfalls begeistert vom Besucherzuspruch. „Man spürt, wie die Menschen die lockere Atmosphäre genießen, um ungezwungen ein Glas Sekt zu trinken und sich über Kunst auszutauschen“, sagt Möllers. Laura Cohen fühlt sich sogar inspiriert, mit ähnlichen Events nach Feierabend in ihrem Haus neue Besucher-Gruppen anzulocken.
Viel Zuspruch erlebt auch Gabriele Middelmann, die bis zum 11. Oktober ihre Kunstwerke unter dem Titel „Wasserwüsten 2“ in der VR-Bank Dachau präsentiert. „Ich bekomme hier viel Wertschätzung von Kollegen und Besuchern, das ist sehr bereichernd“, versichert die international renommierte Künstlerin. Vor einem ihrer Bilder begutachten die Dachauer Geschwister Jonas (14), Neele (12) und Niklas (10) mit ihren Freunden aus Augsburg die ausliegende Preisliste: „Das teuerste Bild kostet 5900 Euro“, staunt Neele. Die Geschwister sind regelmäßig mit ihrer Mutter bei Ausstellungen. Dass auch die Künstlerin anwesend ist, finden sie sehr aufregend.
Zuvor war die Familie in der Galerie der KVD in der Pfarrstraße. „Da hat mich die Musik irgendwie abgeschreckt“, sagt Jonas‘ Mutter. Zu düster, ihrer Meinung nach. Tatsächlich sind die Klänge, die ein expressives Video des Künstlers Michael von Brentano untermalen, gewöhnungsbedürftig. „Den Klangteppich hat Professor Georg Glasl extra für die Bilder komponiert“, erklärt Brentano. Glasl ist Professor für Zither an der Hochschule für Musik in München. Am Sonntag, 22. September wird er mit seiner elektronischen Zither in der KVD-Galerie live spielen. Brentanos Kunstinstallation „Living in a Pastime Paradise“ wird da noch zu sehen sein. Das Multitalent schafft es mühelos, den Raum mit ganz unterschiedlichen Kunstwerken – aufgeteilt in Werkgruppen von Objekten, Skulpturen, Zeichnungen, Collagen, Fotografien und Videoarbeiten – auszufüllen und dabei mit Nähe und Distanz zu spielen.
Ausstellung in Dachau:Als der Wirsing atmen lernte
Der Bildhauer Michael von Brentano hat für die KVD-Galerie eine raumfüllende Installation aus unzähligen Objekten, Skulpturen, Zeichnungen, Collagen, Fotografien und Videoarbeiten erschaffen. In der Ausstellung geht es auch um das gestörte Verhältnis des Menschen zur Natur.
Das man Kunst auch in einem ganz anderen Rahmen präsentieren kann, zeigt das Beispiel von Nina Schiffner. In ihrem Malweiberhaus in der Burgfriedenstraße präsentiert sie im Erdgeschoss extravagante Modekreationen, die man kaufen kann. Im Salon zeigt sie ihre Bilder, gesammelt oder selbst gemalt, neben ihren berühmten, von ihr dekorierten Schaufensterpuppen, die überall im Haus und im parkähnlichen Garten aufgestellt sind. Die Atmosphäre ist familiär, geprägt von Schiffners Herzlichkeit, mit der sie allen Gästen begegnet.
Gegenüber wartet der Alte Metzgerhof, früher bekannt als Kleine Altstadtgalerie. In dem mittlerweile vom Jetzt e.V. geführten Haus darf nur noch eine begrenzte Anzahl an Besuchern den ersten Stock betreten, in dem Pascaline Simard und Martine Fournier aus der Partnerstadt Leognan sowie Michael Braun von der KVD ihre Werke präsentieren. Die charmanten Französinnen sind zum ersten Mal in Dachau und zeigen sich begeistert von der ehemaligen Künstlerkolonie.
Die zeigt sich an diesem Abend von ihrer besten Seite, mit Ausstellungen von Tadeusz Stupka in der Villa Stockmann, Gerd May in der Roßwachtstraße, Johann Brosch Am Burggraben, Gabriele Steinlechner Am Sandberg, Alfred Ullrich im Dachauer Forum und vielen mehr. Manche nutzen den Abend aber auch, um in Ruhe nach Sonnenuntergang die Bücherei zu besuchen. Wie Alexander König aus Karlsfeld, der die besondere Atmosphäre und die Bilder aus der Artothek genießt. Und manche freuen sich, dass sich Martin Off, der in der Buchhandlung Subtext seine filigranen Scherenschnitte vorstellt, auch von seiner musikalischen Seite zeigt und auf der Gitarre unter anderem „In My Life“ von den Beatles spielt, in seiner ganz eigenen Version. Ein Abend, der Appetit auf mehr macht. Auf mehr Kunst, mehr Gespräche, mehr Miteinander.