Landtagswahlen:Der Hipster und die Heimat

Landtagswahl 2018

Der Landtagskandidat der rechtpopulitischen AfD, Christoph Steier, ist erst 26 Jahre alt.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Der AfD-Landtagskandidat Christoph Steier will Bayern mit preußischen Tugenden vorwärtsbringen.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Pünktlichkeit. Auf diese und andere "preußische Tugenden", wie er sie nennt, legt Christoph Steier Wert. Deshalb stolziert der Direktkandidat der AfD für den Stimmkreis Dachau um Schlag 14 Uhr in die Kulturschranne zum Interviewtermin. Der BWL-Student und Firmenanteilseigner trägt Trachtenjanker, Hipsterbrille und Fünftagebart. Er sieht ein bisschen aus wie der Satiriker Jan Böhmermann, von dem er sich aber sofort distanziert, wenn man ihn auf die Ähnlichkeit anspricht. Zur Begrüßung drückt Steier sanft die Hand. Er redet so leise, dass man ihn kaum versteht, weil im Hintergrund Bob Dylan über die Lautsprecher im Café läuft und singt: "The Times are a changin".

Christoph Steier, 26, der in Dachau geboren ist und in Karlsfeld lebt, ist einer der jüngsten AfD-Kandidaten für den bayerischen Landtag. Er passt so gar nicht in das Altherren-Image, das der Partei anhaftet. Er hat eine Ausbildung bei der Bank gemacht und interessiert sich sehr für IT. Bei der Firma, bei der er beteiligt ist, verantwortet er den kaufmännischen Bereich. Einige seiner Freunde nennen ihn "Joko", also nach Joachim Winterscheidt. Steier sagt: "Ich stehe für eine liberal-konservative Politik."

Steier hat sich antrainiert, nur noch vier Stunden zu schlafen

Er war mal bei den Julis, der Jugendorganisation der FDP. Dort habe ihm aber die "Heimatliebe" gefehlt, sagt er. 2014 trat er in die AfD ein, auch weil ihm die damalige Euro-Politik genervt habe. Anschließend tourte er als Vorsitzender JA, der Jungen Alternative, durchs Land. Seit seiner Kandidatur übt er diesen Posten nicht mehr aus, weil die Zeit fehlt. Er habe sich antrainiert, nur noch vier Stunden zu schlafen, sagt er. Er sei jeden Tag im ganzen Landkreis unterwegs, um zerstörte Plakate neu zu kleben. Steier sagt: "Ich bin froh, wenn der Wahlkampf vorbei ist."

Der stille Auftritt im Café täuscht darüber hinweg, dass Steier und seine AfD kurz vor der Landtagswahl und bei Umfragewerten von mehr als zehn Prozent vor Selbstbewusstsein strotzen. "Es schaut nicht schlecht aus. Ich rechne mit 15 Prozent", sagt Steier, der auf den aussichtsreichen Platz vier der Oberbayernliste der Rechtspopulisten kandidiert. Aber auf seinen Einzug in den Landtag habe er sich noch nicht vorbereitet.

Laute Parolen und leise Töne

Es ist die bekannte Dialektik zwischen lauten Parolen und leisen Tönen, welche die Rechtspopulisten und auch Steier perfekt beherrschen. Ein Beispiel: Auf die Frage, ob man als Dachauer eine besondere Verantwortung dafür hat, dass Verbrechen wie das der Nationalsozialisten nie wieder passieren, sagt Steier: "Ich habe nicht im KZ geholfen. Und wahrscheinlich 99 Prozent der Leute, die in Dachau leben, auch nicht. Aber man muss darauf achten, was man darüber sagt. Deswegen tritt ein Björn Höcke im Wahlkampf hier nicht auf." Der Fraktionsvorsitzende der AfD im thüringischen Landtag hatte in einer Rede gesagt, das Holocaustmahnmal in Berlin sei ein "Denkmal der Schande". Steier meint, Höcke hätte sich klarer ausdrücken müssen und stehe deshalb unter besonderer Beobachtung. Aber distanzieren wolle er sich von seinem Parteikollegen auch nicht.

Noch ein Beispiel für die Ja-Aber-Strategie der AfD: "In all meinen Reden rede ich nicht über die NS-Zeit. Ich sehe die Probleme der Gegenwart und schaue nicht zurück. Klar, wir haben eine Geschichte, aber wir müssen schauen, dass wir die Gegenwartsprobleme lösen", sagt Steier. Man würde jetzt gerne den verstorbenen Holocaust-Zeitzeugen Max Mannheimer fragen, wie er das sieht.

Statt Höcke hat Steier die stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende Beatrix von Storch nach Dachau geholt. Den Auftritt der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel im Adolf-Hölzel-Saal musste die AfD dagegen abblasen, weil Steier und andere AfD-Anhänger im Vorfeld des Storch-Besuches Plakate der Stadt zu den Interkulturellen Wochen abhingen, zerknüllten und damit gegen die Hausordnung verstießen. Es kam sogar zu einer Gerichtsentscheidung.

Eine Koalition nach österreichischem Vorbild

Steier hat sich Antworten für Fragen nach den Problemen der Gegenwart zurechtgelegt. Schließlich will die AfD eine wirkliche Alternative sein. Wie schafft man mehr bezahlbaren Wohnraum im Münchner Speckgürtel? "Wir müssen die Baukosten senken, indem wir die Auflagen reduzieren und Bürokratie abbauen", sagt er. Es müsste einfacher werden, Dachgeschosse auszubauen. Zudem müsste man Baugenehmigungen schneller erteilen. Um das Verkehrsproblem zu lösen, will Steier in den öffentlichen Personennahverkehr investieren, damit weniger Menschen mit dem Auto fahren. "Wir haben doch diese preußischen Tugenden", sagt er, "also müssen wir schauen, dass die Bahn pünktlicher und beständiger kommt". Und wie kriegt man mehr Menschen dazu, sich für einen Beruf im Pflegebereich zu entscheiden? "Der Stellenwert in der Gesellschaft muss für Pfleger steigen." Das Berufsbild sei negativ behaftet. Zudem müsse man den Pflegern mehr bezahlen. Vor dem Hintergrund des Pflegermangels am Dachauer Krankenhaus fordert Steier, "Helios stärker zu kontrollieren".

Wie genau die AfD und Steier das alles im Landtag umsetzen wollen, wird sich zeigen. Eine Koalition mit der CSU schließt er jedenfalls aus: "Wer uns als braunen Dreck bezeichnet, mit dem will ich nicht koalieren." Gleichwohl schwebt ihm für die Zukunft ein Regierungsbündnis nach österreichischem Vorbild vor. Sollte er ein Mandat bekommen, will Steier die voll Legislaturperiode über "für die Leute da sein". Man sehe andere Politiker nur zu Wahlkampfzeiten. Steier gibt damit ein Versprechen für die Zukunft. Man wird ihn auch daran messen.

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