Landtagskandidat der Piraten:Wie ein Sechser im Lotto

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Oliver Welter, Landtagskandidat der Piraten, ist als Chef der Wasserwacht im Landkreis bekannt, aber realistisch genug, dass er sich kaum Chancen ausrechnet

Von Christiane Bracht

Dachau - Er ist realistisch und er ist ehrlich: "Die Chance, dass ich als Direktkandidat der Piraten in den Landtag gewählt werde, gleicht der, einen Sechser im Lotto zu bekommen", sagt Oliver Welter grinsend. Trotzdem will er etwas bewegen, wenigstens etwas anstoßen. "Ich bin ein sehr politischer Mensch", sagt der 43-Jährige. Datensicherheit ist sein Thema. Als IT-Spezialist kennt er die Gefahren des Internets. "Die etablierten Parteien vernachlässigen Datenschutz und Privatsphäre", klagt er. Die Piraten dagegen greifen das Thema auf und wollen dafür sorgen, dass es im Landtag präsent ist. Und so hat Welter in dieser Partei seine "Heimat gefunden".

Als Vorsitzender der Wasserwacht ist Welter in Dachau und Umgebung sehr bekannt, das ist ideal, um als Direktkandidat Stimmen zu sammeln. Würde er den Piraten sein "Gesicht nicht leihen", müssten sie nach dem bayerischen Wahlgesetz auf die Hälfte der Stimmen verzichten, erklärt er. Das kann sich die Partei aber nicht leisten. Denn noch ist ungewiss, ob die Piraten den Sprung über die Fünfprozenthürde und damit ins Maximilianeum überhaupt schaffen. Zur Sicherheit stellt Welter klar, dass seine Kandidatur kein Witz ist: "Wenn ich gewählt werde, nehme ich mein Mandat auch an."

Angesichts der Prognosen für die bayerische Landtagswahl, der schwindenden Mehrheit der CSU und der vielen Klagen, die man so hört, dass man die etablierten Parteien nicht mehr wählen könne, wirbt der Dachauer unverhohlen: "Wer Protest wählen will, muss nicht die AfD wählen. Wir sind auch eine Protestpartei." Vielleicht könne sich ja der ein oder andere mit den Zielen der Piraten identifizieren. "Leider sind wir nicht mehr so hipp", gibt Welter zu. Die große Piratenwelle war 2010. Auch der IT-Spezialist war sofort begeistert von der Idee. Dann versuchten einige ihre Interessen mit Hilfe der Partei durchzusetzen, es gab Diskussionen, Unstimmigkeiten, Affären. Vor allem die Genderdebatte war gar nicht nach dem Geschmack von Oliver Welter. Inzwischen sind viele wieder aus der Partei ausgetreten. Der Dachauer jedoch blieb. Warum? Er zuckt mit den Achseln. Der FDP, der er früher einmal angehörte, kehrte er bei der großen Austrittswelle, als Guido Westerwelle noch die Führung hatte, den Rücken. "Die FDP hat ihre Ziele verkauft und nur noch Klientelpolitik gemacht", sagt Welter. Eingetreten sei er ja wegen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und ihrem Aufbegehren gegen das Establishment sowie ihrem Kampf um die Privatsphäre. Die Piraten indes führten diesen Kampf noch fort. Und IT -Sicherheit sei eben sein Thema, erklärt Welter.

Doch es ist ruhig geworden um die Partei. "Die AfD schafft es den Nerv der Zeit zu treffen und politisch auszuschlachten. Wir erzeugen leider nur noch selten ein Echo", klagt der Dachauer. "Uns fehlen die Großunterstützer und die Aufregerthemen." Aber die Probleme des digitalen Wandels seien nach wie vor wichtig, sagt er.

Die Datensammelwut der Konzerne, aber auch die des Staates, nimmt immer neue Formen an. Für kleine Rabatte geben die Leute immer mehr von sich preis. Das regt ihn auf. "Das ist der Sargnagel unserer Freiheit", fürchtet Welter. Ein repressives Regime könne all das problemlos nutzen, und die Geschichte zeige, dass es das alles schon gegeben habe und zwar auch schon vor dem "Dritten Reich". Scharf kritisiert er den Ruf von der CSU nach mehr Überwachungskameras und nach Vorratsdatenspeicherung. "Das ist eine massive Einschränkung des Persönlichkeitsrechts", schimpft er und redet immer schneller. Jetzt ist Welter in seinem Element.

Das Attentat in Berlin habe gezeigt, dass die Behörden ausreichend Material haben und auch dass sie ausreichend Befugnisse besitzen, um derartige Straftaten zu verhindern. "Der Täter war in Nordrhein-Westfalen als Gefährder bekannt, in Berlin fiel er aus der Überwachung heraus, weil man nicht genug Personal hatte", echauffiert sich der Pirat. "Es fehlt also an Qualität und Quantität in den Justizbehörden." Noch mehr Bilder und Daten sammeln, wie es die CSU fordere, bringe gar nichts. "Wir brauchen mehr und kompetenteres Personal und eine sinnvolle Ausstattung der Strafverfolger. Und die Jobs bei der Polizei müssen attraktiver werden", fordert Welter. Denn in der Wirtschaft verdiene man viel mehr, also gingen die Guten dorthin.

"Wir haben eine extrem lasche Rechtsprechung", schimpft Welter weiter und ist kaum noch zu bremsen. Oft würden die Anklagen fallen gelassen, weil keine Beweise da seien. Und dies sei nur der Fall, weil es an Experten mangele, da ist sich Welter sicher. "Die CSU schiebt alles auf die fehlende Überwachung, aber wen fangen wir damit? Gelegenheitstäter, Handtaschendiebe. Terroristen sind zu clever dafür, um sich davon aufhalten zu lassen. Wollen wir wirklich für ein paar Handtaschendiebe unser Persönlichkeitsrecht einschränken lassen?"

"Ich verdiene mein Geld mit IT-Sicherheit. In diesem Bereich habe ich ausreichend Sachverstand", versichert der Kandidat. Und das sei wichtig für die Debatte im Landtag. "Ich sehe uns als Partei der Sachpolitik." Dass die Piraten in vielen anderen Bereichen keine Meinung haben oder sich zumindest nicht äußern, sei nicht so schlimm. "Wir haben eben unseren Schwerpunkt in diesem Bereich", sagt Welter. Wohnungsnot, Mieten, die ins Astronomische steigen, Kinderbetreuung - "da sind wir eben Mitläufer".

Nur in Sachen Asylpolitik, da hat er eine Position: "Unser Asylrecht ist wichtig und richtig, aber ich kann nicht akzeptieren, dass Leute aus wirtschaftlichen Gründen zu uns flüchten - auch wenn es verständlich ist", sagt der Dachauer. Deutschland brauche ein Zuwanderungsgesetz und einen klaren Kriterienkatalog. So dürfe derjenige, der sich nicht an die hiesige Gesellschaftsordnung halte, kein Gastrecht mehr haben.

Es sind rechtslastige Töne, die Welter anschlägt. Allgemeinplätze, die man in den vergangenen Monaten oft gehört hat. Der Dachauer wiederholt sie, ohne zu differenzieren. "Wir haben Möglichkeiten", beharrt der Pirat. Seiner Ansicht nach fehlt es allein am Personal, wenn straffällig gewordene Ausländer trotzdem bleiben dürften. "Ich will den Staatsapparat nicht noch mehr aufblähen", sagt Welter. Die Lösung ist für ihn simpel: Die Prozesse müssten vereinfacht werden, so könne man Ressourcen schaffen. So funktioniere es schließlich auch im IT-Bereich, weiß der Diplom-Ingenieur.

Welter ist verheiratet. Er hat keine Kinder, aber er hat Papageien - ein echter Pirat eben.

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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