Landratsamt will Kompromiss:Verriegelte Natur

Eine Schranke am Tiefen Graben versperrt Autos einen Privatweg zum Karlsfelder See. Doch auch für Radler ist sie ein Hindernis.

Von Thomas Altvater, Karlsfeld

"Für mich ist das eine reine Provokation", sagt die Stadträtin und Fraktionsvorsitzende des Bündnisses für Dachau (BfD), Sabine Geißler. Bereits seit einigen Monaten ist der Weg am Tiefen Graben in Richtung Kleingartenanlage und Karlsfelder See durch eine Schranke versperrt. Für Bruno Schachtner und Erika Seidenspinner von der Bürgerinitiative "Grünzug Dachau + Karlsfeld" ist die Schranke "schlicht und ergreifend illegal", wie Bruno Schachtner bereits vor zwei Wochen erklärte. Sie verstoße gegen das Bayerische Naturschutzgesetz. Wege in die Natur müssen für Radfahrer und Fußgänger grundsätzlich frei bleiben, auch bei Privatwegen. Sperren sind nur in Ausnahmen zulässig, so das Gesetz weiter.

Landratsamt will Kompromiss: Bitte absteigen: Die Schranke am Tiefen Graben versperrt nicht nur Autofahrern, sondern auch Radlern den Weg zum Karlsfelder See.

Bitte absteigen: Die Schranke am Tiefen Graben versperrt nicht nur Autofahrern, sondern auch Radlern den Weg zum Karlsfelder See.

(Foto: Toni Heigl)

Wem das Grundstück am Tiefen Graben gehört und wer die Schranke aufgestellt hat, war vor zwei Wochen nicht bekannt. Wie das Dachauer Bauamt mitteilt, ist der Weg am Tiefen Graben Eigentum des Wasserzweck- und Bodenverbands Dachau. Die Anlieger und Grundstücksbesitzer entlang des Tiefen Grabens gehören dem Verband an. Ob der Wasserzweckverband die Schranke aufgestellt hat, ist auch weiterhin unklar. Der Vorstand des Wasserverbands, Günther Mayerhanser, war zu keiner Stellungnahme bereit. "Der Weg am Tiefen Graben ist seit Jahren der Weg schlechthin zum Karlsfelder See", sagt Sabine Geißler. Vor allem für Fahrradfahrer, Menschen mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer stelle die Schranke ein echtes Hindernis dar, "und das geht gar nicht." Zum ersten Mal habe sie die Schranke Mitte Mai gesehen, erklärt Sabine Geißler. "Am Anfang lagen darunter sogar noch Steine, man wollte hier ganz offensichtlich den Weg versperren." Und Bruno Schachtner ist sich sicher, dass "in der Zeit vor der Schranke auch nicht so viele Autos durchgefahren sind".

Landratsamt will Kompromiss: Bruno Schachtner von der Bürgerinitiative Grünzug kritisiert die Privatisierung der Natur.

Bruno Schachtner von der Bürgerinitiative Grünzug kritisiert die Privatisierung der Natur.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Laut der Bürgerinitiative Grünzug wurde die Schranke mit Erlaubnis des Landratsamts und des Dachauer Oberbürgermeisters Florian Hartmann (SPD) errichtet. Dem widerspricht der Oberbürgermeister, eine Erlaubnis oder Ähnliches habe er nie erteilt. Hartmann würde es sogar begrüßen, wenn die Schranke offen sei, sagt Hauptamtsleiter Josef Hermann. Auch das Landratsamt habe einer Sperrung des Wegs am Tiefen Graben nie zugestimmt. "Vor einigen Jahren hat es bereits Gespräche über eine mögliche Schranke auf dem Weg gegeben", sagt Wolfgang Reichelt, Sprecher des Landratsamts. "Anscheinend gab es schon damals Probleme, dass unbefugte Kraftfahrzeuge den Weg am Tiefen Graben befahren haben." Eine Sperrung durch eine Schranke sei damals aber naturschutzrechtlich nicht möglich gewesen, erklärt Reichelt. Und heute? "Die Sperre jetzt ist auf jeden Fall rechtlich relevant", versichert er. Da es sich bei dem Weg aber um ein Privatgrundstück handle, sei eine Erlaubnis des Landratsamts nicht nötig gewesen. "Der Weg ist Privateigentum, somit ist die Sperre natürlich in erster Linie zulässig", sagt Wolfgang Reichelt. Auch das Dachauer Bauamt sieht den Sachverhalt ähnlich.

Unterschriftensammlung gegen die Schranke

"Ich habe zwar Verständnis dafür, dass keine Autos mehr auf dem Weg zum Karlsfelder See fahren können, aber da gibt es sicher eine andere Lösung als diese Schranke", sagt Sabine Geißler. Als Kompromiss könnte sich Bruno Schachtner einen kleinen Steher vorstellen, der "dann wirklich nur die Autos aufhält". Die Bürgerinitiative geht mit einer Unterschriftensammlung gegen die Schranke zum Naherholungsgebiet vor. "Das läuft gut", sagt Bruno Schachtner über den aktuellen Zwischenstand. "Man merkt, dass den Menschen Naturschutz und Umwelt doch ein wichtiges Thema ist." Für Bruno Schachtner hat die Schranke einen symbolischen Charakter, die Privatisierung der Natur schreite voran, Naturgrundstücke seien für die Öffentlichkeit immer öfter nicht mehr begehbar.

Das Gelände am Tiefen Graben ist auch Heimat des Karlsfelder Kleingartenvereins. Peter Märkl, Vorstand der Vereins, kann jedoch verstehen, dass die Schranke aufgestellt wurde. "Natürlich ist es blöd für die Fahrradfahrer und Fußgänger. Aber ich finde es grundsätzlich gut, dass keine Autos mehr durchfahren können." Beeinträchtigungen für die Kleingärtner sieht er dabei nicht.

Wie es nun weitergeht? Sabine Geißler erklärt, dass sich der Wasserzweckverband auf ihre Initiative hin in seiner nächsten Sitzung im Herbst mit dem Thema Schranke auseinandersetzen will. "Es muss ein für alle verträglicher Kompromiss gefunden werden", sagt Wolfgang Reichelt vom Landratsamt. Man werde zusammen mit dem Eigentümer, dem Wasserzweckverband und dem Landratsamt Gespräche führen. Auch die Naturschutzbehörde wird dann mit eingebunden, da es sich um einen naturschutzrechtlich relevanten Fall handelt. "Wir bemühen uns momentan um einen Termin mit allen Verfahrensbeteiligten, aber der wird vermutlich erst nach der Sommerpause Mitte September stattfinden", sagt Wolfgang Reichelt. Bis dahin wird die Schranke wohl auf jeden Fall noch stehen bleiben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: