Landkreis:Stillstand beim sozialen Wohnungsbau

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Nur die Stadt Dachau hat sich bisher darum gekümmert, dass auch Menschen mit geringeren Einkommen eine Bleibe gefunden haben. Im Landkreis tut sich so gut wie nichts.

Von Petra Schafflik

Die Mieten steigen, die Wohnungsnot wächst auch im Landkreis: Preiswerte Wohnungen gibt es kaum mehr, die Zahl der Obdachlosen steigt, wie die Stadt Dachau vor kurzem öffentlich machte. Anerkannte Flüchtlinge finden ebenso wenig eine bezahlbare Bleibe wie Menschen, die ein geringes Einkommen haben oder von Sozialleistungen leben. Immer größere Bedeutung erhält daher der soziale Wohnungsbau. Deswegen startet das Bündnis für Dachau am Mittwoch eine neue Veranstaltungsreihe mit dem Titel "Aufbruch Dachau". Der erste Abend dreht sich um den sozialen Wohnungsbau.

Doch während in der Kreisstadt 1379 Sozialwohnungen bereit stehen, gibt es im übrigen Landkreis nur 275 dieser Unterkünfte zu moderatem Mietzins. Die landkreiseigene gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft steht zwar für Neubau-Projekte bereit, doch die Gemeinden müssten mitziehen, sich finanziell engagieren. "Es wäre wichtig, dass jetzt etwas passiert", betont Leonhard Liegsalz, der die Wohnungsbaugesellschaft als Geschäftsführer leitet.

Den enormen Druck am Wohnungsmarkt spiegelt die Zahl der Familien, die sich für eine Sozialwohnung vormerken lassen. Voraussetzung ist zunächst ein Wohnberechtigungsschein. Dieses Dokument erhält auf Antrag, wer wegen seines nachweislich geringen Einkommens keine Chance hat, auf dem freien Wohnungsmarkt eine Unterkunft zu finden. 400 Dachauer sind aktuell mit diesem Nachweis für eine Sozialwohnung vorgemerkt, für die übrigen Gemeinden hat das Landratsamt 161 Wohnberechtigungsscheine ausgestellt. Die beiden Wartelisten in Stadt und Kreis werden separat geführt. Und wegen des enormen Wohnraumbedarfs werden in der Praxis die 80 bis 110 Sozialwohnungen, die jedes Jahr in der Kreisstadt frei werden, ausschließlich Dachauern angeboten, erklärt Stefan Januschkowetz vom städtischen Ordnungsamt. Noch ist keine Besserung in Sicht. "Die Zahl der Wohnberechtigungsscheine ist deutlich steigend", so Januschkowetz, in den Vorjahren waren stets weniger als 300 Bürger für eine Sozialwohnung vorgemerkt.

Auch im Landkreis wächst der Bedarf. Waren 2011 in der höchsten Dringlichkeitsstufe noch 30 Familien auf der Vormerkliste, seien es jetzt 82, sagt Leonhard Liegsalz von der Wohnungsbaugesellschaft. Dabei ließen sich viele Berechtigte gar nicht vormerken, weiß Lena Wirthmüller von der Caritas-Schuldnerberatung, die 2013 einen Armutsbericht für den Landkreis erstellt hat. Die Chancen, rasch eine Sozialwohnung zu bekommen, seien bei Wartezeiten von drei bis zehn Jahren gering. Doch der Wohnberechtigungsschein müsse jährlich erneuert werden, koste jedes Mal Gebühren und sei mit einem "Riesenaufwand" verbunden. "Viele lassen es daher." Tatsächlich würden deutlich mehr Sozialwohnungen benötigt, als es die Wartelisten ahnen lassen.

Das Prestel-Institut für Sozialforschung, das Wirthmüller im Armutsbericht zitiert, rechnet mit einem Bedarf von 26 Sozialwohnungen pro 1000 Einwohnern, also 3718 Wohnungen für den Landkreis. Im Landkreis fehlen Sozialwohnungen vor allem auf dem Land. Während in der Kreisstadt fast jeder zehnte Bürger in einer geförderten Wohnung lebt, stehen für die 98 000 Einwohnern der übrigen 16 Gemeinden nur 275 Sozialwohnungen bereit. Gut die Hälfte, nämlich 150 Appartements, liegen in Karlsfeld, in sechs Ortschaften gibt es keine Sozialwohnung. In Dachau wird der soziale Wohnungsbau seit der Gründung der städtischen Wohnbaugesellschaft Stadtbau 1961 kontinuierlich betrieben, der Bestand durch Neubauprojekt permanent erweitert.

Die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft des Landkreises, 1981 gegründet als Zusammenschluss von Sparkasse, Landkreis und zwölf Gemeinden, hatte dagegen vor allem in den 1990er Jahren Bauprojekte realisiert. "In diesem Jahrtausend ist nicht viel passiert", bedauert Liegsalz. An der Wohnungsbaugesellschaft liegt es nicht, betont Liegsalz. Doch damit Neubauprojekte angepackt werden können, muss eine Gemeinde baureifen Grund plus 15 Prozent der Baukosten beisteuern. Vor allem die Kostenbeteiligung schrecke die Gemeinden ab.

Nun allerdings gewinnt der Sozialwohnungsbau angesichts der steigenden Wohnungsnot an Aktualität. Der Hebertshausener Gemeinderat hat auf Antrag der SPD-Fraktion das Thema aufgegriffen. Einen eklatanten Notstand mag Bürgermeister Richard Reischl (CSU) zwar in seiner Gemeinde nicht erkennen, aber Handlungsbedarf. In Hebertshausen gibt es keine staatlich geförderten, "echten" Sozialwohnungen, die zentral vom Landratsamt an Wohnungssuchende vergeben werden. Aber zwölf gemeindeeigene Wohnungen werden günstig an Hebertshausener vermietet. Nur sieben Bürger aus dem Ort seien auf der Warteliste des Landratsamts vorgemerkt, so Reischl. Dennoch wird der Gemeinderat bei seiner Klausur zur Ortsentwicklung auch über Sozialwohnungen beraten. Im Fokus hat der Bürgermeister ein kombiniertes Projekt, das betreutes Wohnen, Senioreneinrichtungen und Sozialwohnungen unter einem Dach vereint. Auch in anderen Gemeinden gibt es erste Überlegungen. "Bei neuen Baugebieten müssen wir über Sozialwohnungen nachdenken", sagt etwa Schwabhausens Bürgermeister Josef Baumgartner (FW). Leonhard Liegsalz von der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft hofft, dass es nicht bei Überlegungen bleibt, sondern Projekte folgen.

Bündnis für Dachau: Aufbruch Dachau I, Mittwoch, 30. Juli, 19 Uhr Café Gramsci. Themen: Wohnungsnot und Radverkehr.

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