Süddeutsche Zeitung

Münchner Umland:Platz für 180 000 neue Wohnungen

Der Planungsverband sieht viel Bauflächenreserve im Münchner Umland. Kommunen wie Dachau sind davon nicht so begeistert, denn sie tragen die Folgen des Baubooms.

Von Alexandra Vettori, Dachau

Platz für mindestens 180 000 zusätzliche Wohneinheiten sieht der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München im Umland. Zwei Menschen pro Einheit angenommen, könnten mindestens noch 360 000 weitere Personen zuziehen. Das ist das Ergebnis der neuesten Studie des Planungsverbands zu Baulandreserven in der Region München. Wenig überraschend machen die Planer vor allem im Umland Flächenreserven aus. Allein im Landkreis Dachau beziffert die Studie das Potenzial mit 153 Hektar.

Laut Bayerischem Landesamt für Statistik steigt die Einwohnerzahl der Region bis 2040 aber nur um 225 000 Personen. "Selbst wenn wegen des demografischen Wandels künftig weniger Menschen als bisher in einem Haushalt leben, reicht der Platz aus", schreibt der Geschäftsführer des Planungsverbands, Christian Breu, im Fazit der Studie. Bei der jüngsten Untersuchung in 2017 sei man von zu wenig Wohnbauflächenreserven ausgegangen. Gleichzeitig ist nicht sicher, ob es die Reserven wirklich braucht. Denn der Planungsverband stellt seit Jahren fest, dass das Einwohnerwachstum in der Region geringer ausfällt, als prognostiziert. Ging man 2015 noch von 15 Prozent Steigerung bis zum Jahr 2035 aus, liegt der erwartete Zuwachs bis 2040 momentan nur noch bei knapp acht Prozent.

Das größte Potenzial sieht der Planungsverband entlang der S-Bahn-Äste, im Landkreis Dachau gibt es zwei davon. Deshalb befinden sich von den 153 Hektar für Wohnbebauung geeigneten Flächen 62 Hektar in einer Entfernung von bis zu einem Kilometer von einem Bahn-Haltepunkt, 45 Hektar in einer Entfernung zwischen einem und zwei Kilometer. In den Rathäusern freilich sieht man die Baulandreserven, die auf einer Untersuchung der Flächennutzungspläne basieren, nicht ganz so optimistisch an, aus unterschiedlichen Gründen.

Das Umland will nicht Wohnraumbeschaffer für München sein

"Dachau stellt sich eigentlich eher gegen das ungebremste Wachstum", erklärt etwa der Dachauer Stadtbaumeister Moritz Reinhold. Voriges Jahr hat der Stadtrat deshalb einen Grundsatzbeschluss gefasst, wonach Neubauten vor allem innerstädtisch entstehen sollen. "Wir haben eine Prognose von über 60 000 Einwohnern mehr in den nächsten zwei Jahrzehnten. Und das ohne große Baulandausweisungen im Außenbereich", so Reinhold. Freilich verfügt die Stadt innerorts über einige Reserven, etwa auf dem Gelände der ehemaligen Papierfabrik, wo ein neues Viertel für bis zu 2000 Menschen entsteht. Dabei seien sich Stadtrat und Verwaltung im Klaren darüber, dass auch Innenverdichtung ihre Grenzen hat, wo Klima, Wasser und Aufenthaltsqualität berücksichtigt werden müssen, betont der Stadtbaumeister, "das Leben in der Stadt muss immer noch lebenswert bleiben".

Es hat jedoch nicht nur städtebauliche Gründe, dass viele Rathäuser auf die Bau-Bremse steigen. Denn die Vorgabe der "großen Politik", immer weiter Wohnraum zu schaffen, verursacht Probleme. "Dadurch braucht man Infrastruktur, und die muss erst mal eine Gegenfinanzierung haben", so Reinhold. Schon jetzt sei absehbar, dass Dachau in den nächsten Jahren einige Kindertagesstätten mehr und wohl auch eine fünfte Grundschule benötige.

"Wir haben täglich Anfragen"

In eine ähnliche Richtung geht auch die Aussage von Michaela Felber, Bauamtsleiterin von Altomünster. Die Gemeinde mit gut 8000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt am Ende einer S-Bahn-Linie, der Siedlungsdruck ist groß. Aktuell ist ein Gebiet mit gut 30 Parzellen voraussichtlich für Doppelhäuser in der Planung, ebenso ein Bauland-Modell mit vergünstigten Grundstücken für Ortsansässige und sogar Geschosswohnungsbau. Grenzen setzt aber nicht nur die teure soziale Infrastruktur. "Es sind einige Bebauungspläne im Verfahren, aber die Gemeinde ist nur begrenzt an Grund beteiligt", erklärt Bauamtsleiterin Felber. Die Nachfrage nach Bauland sei wesentlich höher als das Angebot. "Wir haben täglich Anfragen im Rathaus, aber wir haben nichts", sagt sie. Denn meist seien die freien Baugrundstücke in Privatbesitz und würden oft für die Kinder aufgehoben.

Selbst Wohnbau-Musterknabe Karlsfeld ist mittlerweile in eine langsamere Gangart verfallen. Bei der Verbandsversammlung des Planungsverbands, die im vergangenen November in Karlsfeld stattfand, klagte Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) über den enormen Zuzug. Wiewohl die flächenmäßig kleinste Gemeinde im Landkreis Dachau, zähle man mittlerweile 22 000 Einwohnerinnen und Einwohner, mit entsprechenden Folgekosten für die Infrastruktur. Aktuell, sagt Bauamtsleiter Günter Endres, ist nur ein größeres Neubaugebiet in der Planung, das fünf Hektar große Ludl-Gelände im Ortszentrum, wo urbaner Geschosswohnungsbau und Gewerbe entstehen sollen.

Immerhin bescheinigt die Studie des Planungsverbands dem Umland, schon fleißig Hausaufgaben gemacht zu haben, die möglichen Wohnbaugrundstücke in den Flächennutzungsplänen seien mehr geworden. Um eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt zu unterstützen, müssten die Kommunen aber auch weiter kontinuierlich Wohnbauflächen ausweisen.

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