Süddeutsche Zeitung

Landkreis Dachau:Das unsichere Geschäft mit dem Schnee

Am Sonntag konnte Franz Heitmeier den Skilift am Monte Kienader öffnen - es ist allerdings erst das fünfte Mal überhaupt in dieser Saison. Denn: Immer seltener schneit es. Trotz der Freude über die weißen Flocken blicken der Liftbetreiber und die Skivereine im Landkreis Dachau deshalb einer ungewissen Zukunft entgegen.

Von Martin Wollenhaupt, Bergkirchen

Franz Heitmeier erreicht man Sonntagmorgen nicht, wenn man das "Schneetelefon" des Bergkirchener Skilifts Monte Kienader anruft. Kein Wunder: Es liegt schließlich an diesem Tag endlich mal wieder genug Schnee, um den Lift zu betreiben. Dass Heitmeier trotz dieser frohen Botschaft nicht so recht daran glauben mag, dass das weiße Glück von Dauer sein wird, hört, wer sich seine Anrufbeantworteransage bis zum Schluss anhört: Die Schneelage sei nicht dicht, zumindest heute aber fahre der Lift. Der gastronomische Betrieb bleibe indes zu, zu kurzfristig sei die Entscheidung über die Öffnung gefallen. "Schau mer mal, wie lang ma dann an Schnee ham." Und so zeigt sich trotz gezuckertem Monte Kienader, dass das, was die vom Tourismus lebenden Bergregionen ernsthaft in Bedrängnis bringt, im Kleinen auch im Landkreis Dachau gilt: Das Geschäft rund um den Schnee wird immer unsicherer.

Vier Tage waren es bis zu diesem Sonntag erst, an denen die Kinder bei ihren ersten Skiversuchen am "Zwergerllift" den Monte Kienader herunterpurzeln, und die Größeren am Haupthang ihre Schwünge ziehen konnten. "Man denkt, es kann gar nicht sein, dass sich die Natur so schnell verändert", das hatte Franz Heitmeier schon vor ein paar Tagen erzählt. Seine Familie betreibt den Lift seit mittlerweile 51 Jahren. Vergangenes Jahr hatte man das 50-jährige Bestehen feiern wollen. Die Schneearmut machte dem Vorhaben aber einen Strich durch die Rechnung.

Über die Laufzeiten des Lifts hat Heitmeier in den letzten Jahrzehnten Buch geführt. Ein Blick auf seine Daten zeigt, dass sich eine klare Entwicklung abzeichnet. Von 2000 bis 2009 zog der Lift jährlich mehr als drei Wochen lang die angehenden Athleten den Hang hinauf. Seit 2010 waren es nur noch zwei. "Wenn das so weitergeht, brauch ich bald nicht mehr aufmachen", so Heitmeiers düstere Prognose. Denn: Wer künstlich beschneien möchte, brauche niedrige Temperaturen und ein gutes Fundament an Naturschnee - und das sei eben immer seltener gegeben. Daran ändert auch so ein schneereiches Wochenende nichts.

Die Dachauer Skischule ist schon Geschichte

Heitmeier ist im Landkreis aber längst nicht der Einzige, dem der immer öfter ausbleibende Schneefall zu schaffen macht: Im Juli vergangenen Jahres schloss Daniela Gaßner die Türen der Dachauer Skischule. Der Skibetrieb sei immer schwerer zu planen gewesen, weil die Winter generell schneeärmer würden. Damals spielten zwar auch die Pandemie und personelle Ausfälle eine Rolle, doch es lässt sich nicht leugnen: Wintersport ist für Anbieter zum Glücksspiel geworden.

Michael Schäffler, Vorstandschef des SC Sulzemoos, geht davon aus, dass der Skisport wegen des Klimawandels schon in 20 Jahren "sehr schwierig" wird, vielleicht aber auch schon früher. Auch beim ASV Dachau ist man besorgt: "Zum einen schicken weniger Eltern ihre Kinder zum Skikurs, weil sie meinen, es hat ja eh nicht geschneit. Zum anderen ist es gerade schwierig, befahrbare Skigebiete zu finden", sagt Andreas Ksionzek, Sportleiter der dortigen Skiabteilung.

Wer in Zukunft noch Skifahren will, muss sich das leisten können

Zwar fährt der ASV Dachau nach wie vor in das Skigebiet Elmau Going. Doch auch hier prägten in den vergangenen Wochen grüne Wiesen und Wälder das Bergpanorama, durchzogen von schmalen Streifen weißen Kunstschnees. Eng geworden ist es, nicht nur für diejenigen, die sich sonst gerne abseits der Piste den Berg hinunterstürzen. Auch die Kleinen vom Skikurs, die im noch schneeärmeren Talbereich üben, manövrierten ihre Ski unter Vogelgezwitscher an Schneeglöckchen vorbei.

Dass der Wintersport heute in einem Atemzug mit der Belastung der Natur erwähnt wird, ist allseits bekannt. Für Kunstschnee werden große Speicherbecken in die Landschaft gebaut, das Hochpumpen des Wassers und der Betrieb der Lifte verschlingen Unmengen an Energie, von der staureichen Anreise ganz zu schweigen. Auch Wintersportbegeisterte müssen einsehen, dass das Aufrechterhalten des Skibetriebs unter natürlichen Bedingungen nicht mehr möglich ist.

Was bei der Belastung der Natur beginnt, endet beim Preisanstieg. Skisport wird so immer mehr zu einer Frage der sozialen Gerechtigkeit. "Wer es sich finanziell erlauben kann, wird in Zukunft einfach auf andere, höhere Regionen ausweichen", sagt Manfred Reiter, 1. Vorsitzender des Ski-Club Dachau. Gerade deshalb erfülle der Verein eine wichtige Funktion. Hier werden Fahrgemeinschaften gebildet, und bei der Übernachtung auf der vereinseigenen Hütte in den Tegernseer Bergen spare man sich natürlich auch noch einmal Einiges.

Auch Ksionzek vom ASV appelliert, den Skivereinen nicht den Sündenbock zuzuschieben. Man müsse doch sehen, dass es immer noch nachhaltiger sei, mit dem gemieteten Bus des Vereins in die Berge zu fahren, als einzeln mit dem Auto zu kommen. Außerdem sei es die Erfahrung, in der Natur zu sein, die besonders wichtig für Kinder ist. "Skifahren ist ein Sport, wo man sich draußen bewegt, wo man auch mal sieht: Da hüpft ein Eichhörnchen rum."

Am Sonntag verspricht die Stimme vom Bergkirchener Liftbetreiber Heitmeier sodann auch: "Wir ham a frische Luft, wir ham an Lift, der sich dreht." Aber er schickt eben auch gleich hinter her: "Schau ma moi, was werd." Denn, wie lange der Schnee dieses Mal liegen bleibt, das vermag freilich auch Heitmeier nicht zu sagen. Es wäre, so sagte er mit Blick auf den verheißungsvollen Wetterbericht aber bereits vor ein paar Tagen, schon schön, "wenn's jetzt mal zwei Wochen gehen würde. Dann wär meine Seele wieder beruhigt."

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