Öffentlicher Personennahverkehr:„Der ÖPNV ist defizitär“

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Der 10-Minuten-Takt für einige Dachauer Linien ist nur eine von vielen Maßnahmen, um den ÖPNV im Landkreis attraktiver zu machen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Finanzierung von Buslinien und Ruftaxis im Landkreis Dachau ist laut Abteilungsleiter Albert Herbst spätestens ab dem Jahr 2027 nicht mehr gesichert. Er fordert deshalb möglichst schnell „frisches Geld“ vom Freistaat oder Bund.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Albert Herbst sieht spätestens ab 2027 schwarz für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Landkreis – zumindest, wenn nicht von irgendwoher „frisches Geld“ kommt. Der Abteilungsleiter ÖPNV ist seitens der Verwaltung schon lange ein Mahner, aber einer, der bei aller Kritik an der fehlenden Unterstützung durch Freistaat und Bund auch immer lösungsorientiert geblieben ist. Wenn Herbst also sagt, dass er den ÖPNV – der Landkreis ist vor allem für Busse und Ruftaxis zuständig – in weniger als drei Jahren vor dem Aus sieht, sofern die Kommunen keine Unterstützung erhalten, dann darf man ihm das vermutlich glauben.

Der Grund dafür ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Herbst erklärt sie im Ausschuss und auch noch einmal am Telefon: Da ist zum einen der steigende Aufwand. Dabei geht es um Energie-, Personal- und Fahrzeugbeschaffungskosten. Da ist zum anderen der sinkende Ertrag. Seit der Pandemie sind laut Herbst enorme Einbrüche zu verzeichnen, etwa weil mehr Menschen im Home-Office arbeiteten. Auch das 365-Euro-Ticket oder das sogenannte Deutschlandticket führt Herbst an. Beide Tickets seien für die Bevölkerung eine gute Sache, für den Landkreis jedoch ein Minusgeschäft. „Die Schere zwischen Aufwand und Ertrag wird immer größer“, fasst Herbst zusammen.

Nur die Schulbeförderung ist Pflichtaufgabe

Ein weiteres Problem ist in gewisser Weise auch der Nahverkehrsplan, den der Landkreis gemeinsam mit der Stadt Dachau bereits 2018 erarbeitet hat. Denn der sieht vor, dass der ÖNPV Stück für Stück weiter ausgebaut werden soll, auch wenn das nicht immer rentabel ist. „Der ÖPNV ist grundsätzlich defizitär“, erklärt Herbst.

Mit Blick auf die Verkehrswende und den Klimawandel hat man sich damals aber trotzdem dafür ausgesprochen, ihn sukzessive auszubauen. Mit zunehmend schwierigen Haushaltsverhandlungen muss allerdings nun jede freiwillige Leistung auf den Prüfstand – und damit eben in weiten Teilen auch der ÖPNV. Pflichtaufgabe für den Landkreis ist in diesem Bereich nämlich nur die Schulbeförderung.

Die Sparpotenziale sind klein

Weder aus Sicht der Kreisrätinnen und Kreisräte noch aus Perspektive von ÖNPV-Chef Herbst ist jedoch denkbar, bis auf die Schulbusse alle Linien einzustampfen. Daher bleibt dem Landkreis nur eines: Sparpotenziale suchen. Die sind klein und somit auch ihre Auswirkungen. Laut Herbst bringt es nämlich vergleichsweise wenig, hier und da eine Linie einzusparen oder den ein oder anderen Takt auszuweiten. All das sei nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“.

Daher kommt auch Herbsts düsterer Prognose, wonach spätestens ab 2027 die Finanzierung des ÖPNV in seiner jetzigen Form im Landkreis nicht mehr gesichert sei – sofern nicht von irgendwo „frisches Geld“ komme. Immerhin haben sich 40 Landräte sich am Dienstag mit Abgeordneten der bayerischen Regierungskoalition getroffen, um über die „Schieflage der Kreisfinanzen“ zu sprechen. Ob das eine Lösung bringen wird? Herbst hofft und bezweifelt es zugleich.

Mit fünf Millionen Zuschuss ließe sich nur der Ist-Zustand erhalten

Und selbst wenn der Freistaat oder über Umwege der Bund jährlich wider Erwarten doch einen mittleren einstelligen Millionenbetrag in den ÖPNV des Landkreises pumpte, würde das laut Herbst nicht reichen. Zumindest nicht für den eigentlich geplanten Ausbau. Selbst mit schätzungsweise fünf Millionen Euro könnte man maximal den Ist-Zustand erhalten.

Doch ohne einen Ausbau wird eine Verkehrswende nicht gelingen. Fahren Busse selten, werden sie weniger genutzt. Ein wenig genutztes Angebot aufrechtzuerhalten, mache jedoch immer weniger Sinn. Dabei wäre es doch wichtig, dass der Individualverkehr abnimmt und immer mehr Menschen auf Bus und Bahn umsatteln. Herbst spricht an dieser Stelle von einem „Teufelskreis“.

Obesser fordert Grundsatzgespräch

Weil Albert Herbst die beschriebene Abwärtsspirale vermeiden will, hofft er, dass der Landkreis zumindest einen Teilbetrag von anderer Stelle bekommt. Denn für den ÖPNV-Abteilungsleiter steht fest: So „radikal“ einsparen, wie es laut Finanzlage nötig wäre, das geht schlicht nicht. Denn freiwillige Leistung hin oder her, am Ende geht es auch um Daseinsvorsorge.

Weil Herbsts Worte auch den Kreisrätinnen und Kreisräten das Dilemma zunehmend bewusst machen, hatte Franz Obesser (CSU) in der jüngsten Umwelt-, Verkehrs- und Kreisausschusssitzung dafür plädiert, vor einer Entscheidung für oder gegen die ein oder andere Neuausschreibung einer Buslinie eine Klausurtagung zum Thema ÖPNV abzuhalten. Letztlich wurde aber dann doch erst mal über alle Tagesordnungspunkte abgestimmt und damit, wenn man so will, im Wesentlichen erst einmal für ein „Weiter so“. Die Abteilung von Herbst selbst hatte dazu geraten. Der Grund: Wichtige Fristen laufen im Dezember aus, das Gremium ist also unter Zugzwang.

Im kommenden Jahr könnte es aber noch zum von Obesser angeregten Grundsatzgespräch zum Thema ÖPNV kommen. Damit wäre das Gremium nach allem, was Herbst prognostiziert, wohl auch gut beraten: Bis zum Schicksalsjahr 2027 sind es schließlich nur noch gut zwei Jahre.

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