ÖPNV:Eine Fahrkarte mit Charme und Risiko

ÖPNV: Pendler, die täglich mit der S2 von Dachau nach München fahren, können sich freuen: Ab Mai zahlen sie dafür nur noch 49 Euro im Monat.

Pendler, die täglich mit der S2 von Dachau nach München fahren, können sich freuen: Ab Mai zahlen sie dafür nur noch 49 Euro im Monat.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Ab 1. Mai soll das Deutschlandticket gelten. Landrat Stefan Löwl kritisiert die Planung und Umsetzung des Vorhabens mit deutlichen Worten. Er befürchtet, dass der Landkreis auf Kosten sitzen bleibt.

Von Jacqueline Lang, Dachau

"Ein Skandal, dilettantisch, undurchdacht" - mit diesen Worten beschreibt Landrat Stefan Löwl (CSU) die Pläne der Bundesregierung, wenn es um die Einführung des sogenannten Deutschlandtickets geht, das - so zumindest der Zeitplan - schon ab 1. Mai bundesweit für 49 Euro verfügbar sein soll. Gleichwohl sind das nur die zitierfähigen Begriffe, die Löwl in der jüngsten Umwelt-, Verkehrs- und Kreisausschusssitzung für das Vorhaben einfallen. Letztlich könnten diese Worte nämlich nur unzureichend beschreiben, wie schlecht geplant die Nachfolge des 9-Euro-Tickets sei, so der Landrat.

Grundsätzlich sei es natürlich gut, die Bevölkerung durch ein solches Ticket nach dem Auslaufen des 9-Euro-Tickets weiter zu entlasten, sagte Löwl. Nur: Aus Sicht des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds, dem der Landkreis angehört, sei recht schnell klar gewesen, dass ein solches für weniger als 69 Euro rein rechnerisch nicht zu haben sein wird. Zumal wenn Bund und Länder das Ticket jeweils nur mit 1,5 Milliarden finanzieren wollen.

Gehe man davon aus, dass diese Summe nur für die Monate Mai bis Dezember reichen müsse, werde man in diesem Jahr wohl gerade so damit hinkommen, auch wenn auch das aus Verwaltungssicht mindestens knapp kalkuliert sei. Trotzdem ist so entschieden worden. Wobei zur Wahrheit auch gehört, dass die EU-Kommission das Vorhaben noch nicht abgesegnet hat. Löwl ist - EU-Entscheidung hin oder her - nach jetzigem Kenntnisstand jedenfalls davon überzeugt: "Das Deutschlandticket wird nicht in ganz Deutschland gelten."

Herbst hat "erhebliche Zweifel, ob wir da bei Null rauskommen"

Der Landkreis könne den Verwaltungsaufwand durch die Beteiligung am MVV vielleicht gerade noch so stemmen, in anderen Landkreisen mit anderen Strukturen sei das definitiv auch für das Jahr 2023 nicht überall gegeben. Und was über das laufende Jahr hinaus der Fall sei, das wisse ohnehin niemand. Für Löwl steht deshalb schon jetzt fest: "Ab 2024 müssen wir komplett neu verhandeln." Einen "Blanko-Scheck" über das Jahr 2023 hinaus werde man dem Bund also sicherlich nicht ausstellen.

Albert Herbst teilt diese Meinung. Der Sachgebietsleiter ÖPNV und Kreisschulen findet zwar, dass das Vorhaben "einen gewissen Charme" habe, gleichwohl habe man schon jetzt viele Probleme ausgemacht, die - wie so oft - nach unten, sprich an die Kommunen und Verbände, durchgereicht würden. Er zum Beispiel habe "erhebliche Zweifel, ob wir da bei Null rauskommen". Und selbst wenn doch: Wann das Geld von Bund und Freistaat beim Landkreis ankomme, wisse so kurz vor der geplanten Einführung auch noch niemand, Stichwort Liquidität. Vom personellen Aufwand, der natürlich auf Kreisebene anfalle und in die drei Milliarden nicht miteinkalkuliert sei, ganz zu schweigen.

Ein finanzielles Risiko bleibt

Herbst hofft, dass bis zu nächsten Kreistagssitzung, wenn die Kreisrätinnen und Kreisräte final über die Allgemeinverfügung zur Einführung des Deutschlandtickets abstimmen müssen, schon etwas mehr Klarheit herrscht. Nur zwei Tage zuvor, am 15. Mai, kommen nämlich auch alle Landkreise, die dem MVV angehören, zusammen und beraten. Erst dann weiß der Landkreis, wie im Verbund die Mehrheitsverhältnisse gelagert sind. Sollte der Landkreis Dachau sich dagegen aussprechen, eine Mehrheit im MVV aber dafür, dann muss der Landkreis sich dieser Entscheidung trotzdem beugen.

CSU-Fraktionssprecher Stefan Kolbe fordert ob dieser "Planlosigkeit", zunächst den Antrag zurückzustellen, bis man es Schwarz auf Weiß habe, dass der Landkreis "nicht auf Kosten sitzen bleibt". Ansonsten werde man am Ende noch eine "Blackbox" beschließen. Löwl versichert daraufhin, dass ihm als Landrat laut Beschlussvorlage eine Ermächtigung sowieso nur dann erteilt wird, wenn das Vorhaben für den Landkreis "kostenneutral" umzusetzen ist. Auch sei die Entscheidung der Ausschüsse nur eine Vorbereitung auf die kommende Kreistagssitzung Mitte März.

Die Grünen-Kreisräte Carsten Schleh und Arthur Stein sowie SPD-Kreisrätin Sylvia Neumeier können Kolbes Verärgerung insoweit nachvollziehen, als dass es natürlich im schlimmsten Fall um viel Geld geht, das der Landkreis de facto nicht hat. Gelder wurden für das Vorhaben keine in den diesjährigen Haushalt eingestellt, ist er doch ohnehin schon nur noch mit viel Wohlwollen genehmigungsfähig. Gleichwohl, so die Kreisräte und die Kreisrätin, müsse man als Gremium in erster Linie eine Entscheidung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger treffen - und angesichts dessen müsse man das gewisse finanzielle Restrisiko, das zum jetzigen Zeitpunkt bleibe, in Kauf nehmen.

Nach längerer Diskussion einigten sich die Kreisrätinnen und Kreisräte einstimmig darauf, keine Vorentscheidung treffen zu wollen. Damit liegt die finale Entscheidung, ob Landrat Löwl dazu ermächtigt wird, bei garantierter Kostenneutralität für das Deutschlandticket zu stimmen, beim Kreistag. Dieser tagt am Freitag, 17. März.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusUmgang mit Tradition und Geschichte
:"Der Heimat-Begriff ist immer missbraucht worden"

Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler hat die Heimatpflege entstaubt. Ein Gespräch über die identitätsschaffenden Funktion von Tradition und die Herausforderung, den Begriff nicht Rechtspopulisten zu überlassen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: