Süddeutsche Zeitung

Landkreis Dachau:Kreistags-Fraktionen ringen um Klimaschutzkonzept

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Die Verwaltung des Landratsamts sollte auch beim Klimaschutz eine Vorbildfunktion haben, darin ist man sich im Dachauer Kreistag grundsätzlich einig. Wie man dies aber praktisch umsetzen soll, darüber wird hitzig debattiert. Einen Konsens gibt es im Kreistag am Ende nicht - aber eine Entscheidung.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Bei den Kreisrätinnen und Kreisräten des Umwelt-, Verkehrs- und Kreisausschusses am vergangenen Freitag Konsens bestand eigentlich Konsens: In Sachen Klimaneutralität sollte die Kommunalverwaltung des Landratsamts eine Vorbildfunktion einnehmen. Doch die Frage, ob man dafür ein eigenes Konzept erarbeiten soll, sich doch lieber an guten Beispielen aus anderen Landkreisen orientiert oder erst auf ein Konzept seitens des Freistaats wartet, um es dann für den Landkreis zu übernehmen, entzweite das Gremium im Laufe einer längeren Diskussion zunehmend. Nachdem es kurzzeitig so ausgesehen hatte, als könnte eine Kompromisslösung gefunden werden, verweigerte sich die CSU dieser letztlich doch.

Den Antrag zur Erstellung eines Konzept zur Klimaneutralität der Kommunalverwaltung bis 2030 hatte die CSU im März dieses Jahres gestellt. Begründet wurde der Antrag damit, dass der Freistaat Bayern sich ebenjenes Ziel gesetzt habe und man sich als Landkreis dem anschließen solle: "Die Klimaziele aus dem Pariser Abkommen, welche uns allen viel abverlangen werden, können nur durch eine gemeinsame Anstrengung erreicht werden; hier sollte der Landkreis Dachau mutig vorangehen."

Soweit, so unstrittig. Auch Carmen Glaser von der Abteilung Klimaschutz bekräftigte, dass man als Verwaltung der bayerischen Staatsverwaltung in Sachen Klimaneutralität gerne folgen würde. "Derzeit liegt beim Freistaat Bayern allerdings selbst noch kein konkretes Konzept, Fahrplan oder Methodenkatalog vor", sagte sie. Ihr Vorschlag lautete deshalb: abwarten, bis von der Regierung etwas vorgelegt wird.

Wann das sein werde, sei unklar. Der Bayerische Landkreistag habe auf Anfrage mitgeteilt, dass vom Bayerischen Umweltministerium eine Handreichung für die Landkreise und Kommunen verlangt worden sei, "um in Bayern ein einheitliches Vorgehen bei der Erreichung der klimaneutralen Verwaltung zu erreichen". Sollte eine Handlungsempfehlung jedoch nicht "in angemessener Zeit" erfolgen, könne man, so Glaser, immer noch auf den Leitfaden des Umweltbundesamtes zurückgreifen. Jener müsste allerdings erst noch auf die Bedürfnisse des Landratsamts angepasst werden, heißt es in der Beschlussvorlage.

Und weiter: "Zwischenzeitlich holt sich die Verwaltung Erfahrungswerte und Vorgehensweisen anderer Landkreise ein, die schon auf dem Weg zur klimaneutralen Verwaltung sind, analysiert deren angewandte Methoden und Hilfsmittel auf die eigene Umsetzbarkeit und prüft die Übereinstimmung mit einer möglichen Handreichung der bayerischen Staatsverwaltung beziehungsweise alternativ mit dem veröffentlichen Leitfaden des Umweltbundesamtes." Ein Konzept soll also entwickelt werden, nur eben nicht im Alleingang. In das Konzept einbezogen werden sollen die Kernverwaltung des Landratsamts mit Fokus auf den Betrieb und die Investitionen, nicht aber weiterführende Schulen und die Arbeitswege der Mitarbeitenden.

SPD und Grüne irritiert der Vorschlag der Verwaltung

Vor allem bei SPD und Grünen löste dies Irritationen aus: Zum einen konnten sie nicht so recht nachvollziehen, warum ausgerechnet die Arbeitswege ausgespart werden sollten, zum anderen verwunderte sie, dass man sich der Landkreis an einem Konzept orientieren will, das noch gar nicht existiert. Man habe schließlich keine Zeit mehr zu verlieren.

Georg Meier, Abteilungsleiter Bautechnik und Kreisentwicklung, versuchte zu erklären, wie kompliziert es sei, alle Mitarbeiterfahrten aufzudröseln; angesichts der Personallage wäre dies zudem schwer umsetzbar. Aus seiner Sicht sei es auch wenig sinnvoll, wenn jede Kommune ein eigenes Konzept erstelle, das dann am Ende nicht mit den Vorgaben des Freistaats übereinstimme und dann wieder über den Haufen geworfen werden müsse.

Auch Gerd Müller, Abteilungsleiter für zentrale Angelegenheiten, warb für eine gewisse Einheitlichkeit im Vorgehen. Zudem warnte er, dass es noch schwerer werden könnte, geeignetes Personal zu finden, wenn man Vorgaben zur Mobilität der Mitarbeitenden mit ins Konzept aufnehme. Dann werde womöglich eine geeignete Kraft nicht mehr eingestellt, nur weil sie täglich aus Ingolstadt nach Dachau pendle.

Grünen-Kreisrat Carsten Schleh stellt zwei Änderungsanträge

Dies war nur das erste von vielen Missverständnissen an diesem Vormittag. Stephanie Burgmaier (CSU) sah in der kritischen Auseinandersetzung offenbar eine grundsätzliche Kritik am Antrag ihrer Fraktion. Entschieden verwahrte sie sich gegen den Vorwurf eines "Schaufensterantrags" - noch bevor überhaupt jemand eine derartige Kritik formuliert hatte. Arthur Stein (Grüne) sah sich daraufhin genötigt klarzustellen, dass er den Antrag der Landkreis-CSU "sogar gut" finde, er sei aber "frustriert" über das zögerliche Agieren der Staatsregierung - die freilich mit Markus Söder als Ministerpräsident von einem CSU-Mann angeführt wird.

Grünen-Kreisrat Carsten Schleh stellte klar, dass er der Beschlussvorlage nur zustimmen werde, sollten seine zwei Änderungsanträge Berücksichtigung finden: Zum einen plädierte er dafür, sich nicht an Vorgaben zu orientieren, die vielleicht später noch vom Freistaat kommen. Zum anderen warb er dafür, die Arbeitswege der Mitarbeitenden eben nicht auszusparen. Ganz oder gar nicht, so seine Devise. Dem schloss sich auch Dachaus OB Florian Hartmann (SPD) an, der zudem dafür warb, ein Planungsbüro einzuschalten. Auf Nachfrage des stellvertretenden Landrats Helmut Zech (CSU), wie denn die Stadt Dachau verfahre, erklärte Hartmann, dass man zunächst Bilanz ziehe und im Anschluss ein Klimaschutzkonzept erstelle.

Bis die Verwaltung ein ausgearbeitetes Konzept vorstellen wird, dürfte es noch dauern

Als der stellvertretende Landrat Helmut Zech endlich über die Beschlussvorlage abstimmen lassen wollte, wussten die Fraktionen offenbar selbst nicht mehr so recht, was sie sich nun eigentlich von der Verwaltung erwarten, und so passierte etwas, was nur selten geschieht: Mitten in der Sitzung beantragte Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) eine kurze Unterbrechung: Zeit für die Fraktionen, die Köpfe zur Beratung zusammenzustecken.

Die Verwaltung setzte in der Zwischenzeit eine alternative Beschlussvorlage als Kompromisslösung auf, mit der sich auch Grüne und SPD hätten anfreunden können. Danach sollte die Verwaltung damit beauftragt werden, "Vorüberlegung anhand von best-practice-Beispielen" anzustellen und diese zur abschließenden Beratung noch einmal vorzulegen. Doch die CSU hatte zu diesem Zeitpunkt offenbar kein Interesse mehr an irgendwelchen Kompromissen und beharrte auf der Abstimmung über die ursprüngliche Beschlussvorlage, die sowohl auf Handlungsempfehlungen des Freistaats warten, als auch die Arbeitswege der Mitarbeitenden nicht berücksichtigen will. Im Ergebnis setzte sich die CSU schließlich gegen die Stimmen von SPD und Grünen durch nach den Regeln der Demokratie: Mehrheit entscheidet.

Fest stand damit nach langem Hin und Her nur eines: Bis die Verwaltung ein ausgearbeitetes Konzept zur Klimaneutralität bis 2030 erneut in den Ausschüssen vorlegen wird, dürfte es noch eine ganze Weile dauern.

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